Zur 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim wurden verschiedene Langzeitstudien zu Herzklappen vorgestellt. Forschende fanden heraus, dass die schonenden Verfahren nicht erst als letztes Mittel in Betracht gezogen werden sollten. Denn je früher die Eingriffe erfolgen, desto besser lassen sich schwere Folgeerkrankungen eindämmen.
Düsseldorf/Mannheim 10. April 2024 – Mit dem Alter kommt der Materialverschleiß – das ist überall so, leider auch bei uns Menschen. Insbesondere das Risiko für Probleme mit den Herzklappen nimmt dann zu. Diese können verkalken und nicht mehr vollständig schließen. Wenn das passiert, kann sauerstoffreiches Blut nicht mehr stark genug durch den Körper gepumpt werden – es kann bereits bei geringer körperlicher Anstrengung zu Luftnot und zu gefährlichen Wassereinlagerungen in der Lunge kommen. Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden.
Ersatzteile für dieses Problem gibt es seit den 1960ern: Seitdem können künstliche Herzklappen chirurgisch eingesetzt werden. Bei älteren Patientinnen und Patienten ist das Risiko für eine solche Operation aber oft zu groß. Seit rund 20 Jahren können Kardiologinnen und Kardiologen künstliche Herzklappen (und mittlerweile auch spezielle Reparatur-Clips) mittels Katheter durch die Leistenvene zum Herzen führen und dort einsetzen. Diese Verfahren gelten als vergleichsweise schonend und werden deshalb in den Leitlinien besonders für ältere Personen empfohlen. Obwohl die Behandlung heute zum Standard gehört, gab es bisher kaum Langzeitdaten, um die Methode weiter zu untersuchen und zu verbessern. Auf der 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) stellten verschiedene medizinisch-wissenschaftliche Teams vom Universitären Herzzentrum Ulm nun ihre Forschungsergebnisse zu dem Thema vor.
Mitralklappenreparatur: Nicht erst, wenn Medikamente nicht mehr helfen
Das Team um Dr. Nicoleta Nita und Prof. Wolfgang Rottbauer beschäftigte sich mit der Frage, welche Faktoren die Überlebensrate nach einer Reparatur der Mitralklappe begünstigen. Hierfür erhoben sie Langzeitdaten (im Durchschnitt für eine Dauer von 3,3 Jahren) von 667 Personen im eigens angelegten MitraUlm-Register. Verglichen wurden 340 Patientinnen und Patienten, die vor Januar 2016 einer kathetergetützten Mitralklappenreparatur (M-TEER) unterzogen wurden, und 337, die ihren Eingriff danach erhielten. Der Grund dafür ist, dass Betroffene seit 2016 früher im Krankheitsverlauf behandelt werden. Diese Patienten-Kohorte hatte vor dem Eingriff seltener Krankheitsfolgen wie eine erweiterte linke Herzkammer oder einen erhöhten Blutdruck in der Pulmonalarterie. Gleichzeitig war die Mitralklappe bei ihnen aber wesentlich häufiger degenerativ verändert. Dennoch zeigte sich bei der späteren Patientengruppe, dass sie eine bedeutend höhere Überlebenswahrscheinlichkeit innerhalb der ersten drei Jahre nach Eingriff hatten (sog. „3-Jahres-Mortalität“ nach 2016: 29,4 % vs. vor 2016: 43,8 %). Außerdem kam es im Nachgang weniger häufig zu schweren Komplikationen am Herzen und den Blutgefäßen des Gehirns (sog. „MACCE“ nach 2016: 38,6 % vs. vor 2016: 54,1 %). Das Fazit der Forschenden ist deshalb: Zwar empfehlen die Leitlinien das Verfahren derzeit nur für Patientinnen und Patienten, bei denen eine optimale medikamentöse Behandlung nicht anschlägt. Die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass eine M-TEER dann am wirkungsvollsten ist, wenn irreversible Veränderungen im Herz-Kreislauf-Trakt noch nicht eingetreten sind.
Ein rechtzeitiger Eingriff verhindert eine langfristige Herzschwäche
Ist der Eingriff einmal geplant, sollte er möglichst bald erfolgen, wie das Team von Dr. Stefanie Andreß, Prof. Wolfgang Rottbauer und Dr. Tilman Stephan zeigen konnte. Zeit ist nämlich ein wichtiger Faktor für die Betroffenen, um einer Herzschwäche vorzubeugen. Da während der Covid-Pandemie als Notfallmaßnahme vermehrt Betten an Kliniken freigehalten werden mussten, mussten viele Eingriffe für einen Klappenersatz verschoben werden. Von 178 Patientinnen und Patienten, bei denen dies der Fall war, zeigten sich bei knapp zwei Dritteln bereits nach durchschnittlich drei Wochen eine akute Herzschwäche. Damit ging unmittelbar sowie langfristig eine Verschlechterung der Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen einher. Das Forscherteam rechnete aus, dass das Risiko für eine Herzschwäche zwölfmal höher ist, wenn ein kathethergestützter Eingriff nicht wie geplant stattfinden kann. Dies galt insbesondere für Patientinnen und Patienten, die einen Eingriff an einer der Segelklappen erhalten sollten (Edge-to-Edge-Reparatur der Mitral- oder Trikuspidalklappe, „M-TEER“). Aufgrund der Schwere der gesundheitlichen Konsequenzen, die eine Herzschwäche mit sich bringt, folgert das Team, dass insbesondere kathetergestützte Herzklappeninterventionen als dringlich eingestuft werden müssen. Das Verschieben solcher Eingriffe sollte deshalb von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten immer kritisch hinterfragt werden.
Fazit aus den Langzeitstudien: Je früher, desto besser
Ein Eingriff bei einer beschädigten Herzklappe kann entscheidend dazu beitragen, schwerwiegenden Folgeerkrankungen am Herz-Kreislauf-System vorzubeugen. Dadurch kann sich nicht nur das Leben der Betroffenen verbessern, sondern auch ihre Lebensqualität. Die Langzeitdaten der Forschungs-Teams deuten nun darauf hin, dass der Erfolg dieser Maßnahmen umso besser ist, je früher sie ab dem Beginn der Erkrankung stattfinden können.
Die vollständigen wissenschaftlichen Meldungen zu den Studien finden Sie hier:
- Die Langzeitsterblichkeit nach Transkatheter-Edge-to-Edge-Mitralklappenreparatur ist in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken: Vergleich zwischen den ersten und den aktuellen Erfahrungen aus dem MitraUlm-Register (Dr. Nicoleta Nita und Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer, Ulm)
- Der Aufschub geplanter kathetergestützter Herzklappeninterventionen führt zu einem stark erhöhten Risiko für das Auftreten einer akuten Herzinsuffizienz (Dr. Stefanie Andreß und Dr. Tilman Stephan, Ulm)