Allergie, Pseudoallergie oder etwas anderes ?

Hendrik Scheidhauer (Jena)1, S. Möbius-Winkler (Jena)1, F. Härtel (Jena)1, D. Kretzschmar (Goslar)2

1Universitätsklinikum Jena Klinik für Innere Medizin I - Kardiologie Jena, Deutschland; 2HUGG Herz- und Gefäßmedizin Goslar Goslar, Deutschland

 

Eine 62-jährige Frau stellte sich in der Klinik für Innere Medizin I mit einer Claudicatio intermittens beider Oberschenkel und Waden nach einer Gehstrecke von 47m vor. Die angiologische Diagnostik ergab einen ABI von 0,5 rechts bzw. 0,4 links. Duplexsonografisch zeigten sich hochgradige iliakale Stenosen bzw. Verschlüsse. Wir stellten die Indikation zur Angiographie in PTA-Bereitschaft.

Wenige Minuten nach Etablierung eines rechts retrograden Zugangs und der Angiographie der Extremität mit einem jodhaltigen Kontrastmittel (KM) (AccupaueTM 300) entwickelte die Patienten eine anaphylaktische Reaktion, was zu einem Abbruch des Eingriffs führte. Ein kontinuierliches hämodynamisches Monitoring auf der Intensivstation schloss sich dem Ereignis an. Folgend wurde eine MR-Angiographie durchgeführt, welche den Befund eines chronischen Leriche-Syndroms ergab.


5 Wochen später erfolgte eine die zweite invasive Angiografie über einen transbrachialen Zugang bei zuvor appliziertem Allergieprogramm, bestehend aus Prednisolon, Fenistil und Ranitidin i.v.

Erneut entwickelte die Dame eine ausgeprägte anaphylaktische Reaktion. Wiederrum musste die Angiographie abgebrochen und die Patientin intensivmedizinisch, inklusive einer nichtinvasiven Beatmung (NIV), betreut werden.

Es folgte der Entschluss kein jodhaltiges Kontrastmittel mehr zu verwenden und die Patientin einer allergologischen Diagnostik zu unterziehen, um den Verdacht einer KM-Allergie zu bestätigen. Die Untersuchung ergab kein Hinweis auf eine IgE-Sensibilisierung gegenüber dem verwendeten KM bei jedoch grenzwertig erhöhter Tryptase. Die Kollegen der Allergologie werteten die Reaktion im Sinne einer pseudoallergischen Reaktion. Der Patientin wurde ein Notfallset bestehend aus Fenistil Tropfen 20ml, Celestamine 0,5mg liquidum und einem FASTJEKT Autoinjektor verordnet, welches sie stets bei sich tragen sollte.

Bei persistierender Claudicatio erfolgte nach weiteren 12 Monaten die dritte invasive Angiographie unter Anwendung eines alternativen, bei der MR-Angiographie genutzten KM (Solutrast 300) sowie einer Allergieprophylaxe mittels 2 mg Prednisolon/kg KG. Das Leriche-Syndrom konnte erfolgreich interventionell versorgt werden. Es erfolgte die Implantation ballonexpandierbarer Stents (Dynamik, Biotronik) 8 x 38 mm in die linke und 8 x 56 mm in die rechte AIC in Kissing-Stent-Technik, weiterhin eines selbstexpandierenden 9 x 40 mm Sinus Superflex Stents in die AIC links sowie eines 8 x 100 mm Everflex Stents in die AIE rechts. Abschließend wurden beide Seiten mit einem Passeo 6 mm Ballon nachdilatiert (siehe Bild 1 und 2). Am ersten postinterventionellen Tag konnten ABI-Werte von 0,9 rechts und 0,8 links gemessen werden. Im Follow-Up konnten 7 Monate später ABI-Werte von beidseits 1.0 gemessen werden.

Trotz einer niedrigen Inzidenz (pseudo)-allergisch verursachter akuter Kontrastmittelreaktionen von circa 1,5% bei intraarterieller KM-Gabe, sollte bei klinischem Verdacht frühzeitig an das Vorliegen einer Pseudoallergie gedacht und der Einsatz jodfreier KM geprüft werden.

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