Karrierekompass Kardiologie: Auswirkungen der Krankenhausreform auf die kardiologische Weiterbildung

Ein Artikel von Dominik Hubricht (Göttingen) und Prof. Dr. Patrick Diemert (Heide)

 

Die Reihe Karrierekompass Kardiologie gibt eine Orientierungshilfe bei der Karriereplanung in der Kardiologie für junge Kardiolog:innen und kardiologieinteressierte Studierende. In diesem Interview spricht Dominik Hubricht mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte e.V. (ALKK) Prof. Patrick Diemert über die bevorstehende Krankenhausreform mit besonderem Fokus auf die Auswirkungen für die kardiologische Weiterbildung.

 

Veränderungen durch die Krankenhausreform 

Hubricht: Herzlich Willkommen, Herr Prof. Diemert. Es soll heute im Interview um das sogenannte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, kurz KHVVG, gehen. Dabei spielen Leistungsgruppen eine zentrale Rolle. Was hat es damit auf sich?

 

Diemert: In der Erwachsenen-Kardiologie wird es 4 Leistungsgruppen geben. Es gibt die interventionelle Kardiologie, die Elektrophysiologie und Ablation und die Device-Therapie als Leistungsgruppe. Die Device-Therapie umfasst dabei nur die komplexen Systeme wie ICD- und CRT-Systeme, nicht die einfachen Ein- und Zweikammerschrittmacher. Außerdem haben wir die interventionelle Klappentherapie als Leistungsgruppe, die zum jetzigen Stand eigentlich nur die TAVI umfasst. Die AV-Klappentherapie gehört im Moment zur Leistungsgruppe interventionelle Kardiologie. Diese 4 wesentlichen Leistungsgruppen für die Kardiologie werden in Nordrhein-Westfalen (NRW) bereits im kommenden Jahr wirksam.

 

Hubricht: Das heißt, dass nur eine Klinik, die eine Leistungsgruppe zugesprochen bekommt, dann die Eingriffe dieser Leistungsgruppe in einer festgelegten Zahl anbieten darf?

 

Diemert: Das ist sehr vielschichtig. Sagen wir, eine Klinik möchte die Leistungsgruppe Elektrophysiologie und Ablationen anbieten. Dann müssen dafür bestimmte Strukturvoraussetzungen erfüllt werden, das heißt z.B. mindestens 3 Fachärzte für Kardiologie, ein Katheterlabor, eine Kooperation mit einer Herzchirurgie, ein Kardio-CT usw. Dann kann sich die Klinik bei Ihrer Landesplanungsbehörde für diese Leistungsgruppe bewerben. Die Planungsbehörden im Land legen einen bestimmten Bedarf fest und wenn es mehr Kliniken gibt, als Bedarf besteht, dann bekommen einzelne Krankenhäuser diese Leistungsgruppen nicht zugesprochen. So ist es in NRW jetzt auch passiert.

 

Gleichzeitig sind bei diesen Leistungsgruppen bestimmte Mengen vorgegeben, im Bund wird es sogenannte Mindestvorhaltemengen geben. In NRW sind das eher Zielmengen, die auch um 20% unter- oder überschritten werden können. Das könnte irgendwann auch Auswirkungen auf die Vergütung haben.

 

Hubricht: Sind diese Mindestmengen damit auch eine Art Qualitätsmaß, wie das z.B. bei Herztransplantationen geplant ist?

 

Diemert: Das muss man unterscheiden, das ist ein guter Punkt. In einigen Bereichen, wie z.B. bei der Herztransplantation, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Mindestmengen geplant. In anderen chirurgischen Bereichen, wie beim Ösophaguskarzinom oder auch in der Perinatalmedizin, gibt es vom G-BA schon festgesetzte Mindestmengen. Der G-BA hat diese Mindestmengen aufgrund von Daten beschlossen, die zeigen, dass unterhalb einer gewissen Menge die Behandlungsqualität leidet. Die Mindestvorhaltemengen im KHVVG sind eher als ökonomisches Steuerungsinstrument konzipiert, um die Leistungen zwischen den Anbietern aufzuteilen.

 

Auswirkungen auf die Weiterbildung 

Hubricht: Wie Sie bereits angesprochen haben, ist die Reform in NRW schon weiter ausgestaltet und das Leistungsspektrum einiger Kliniken wird sich dadurch teilweise verschieben oder verkleinern. Welche Auswirkungen hat das für die Weiterbildungsbefugnis der Kliniken?

 

Diemert: Ich kenne einige Kliniken in NRW, die Leistungsgruppen verlieren, auch über unseren Verband, die ALKK. Insbesondere Devicetherapie oder Elektrophysiologie muss an einigen Standorten abgegeben werden, aber auch die invasive Kardiologie ist an einigen Häusern betroffen.

 

Für die Weiterbildung ist das eine sehr schwierige Situation. In der Weiterbildungsordnung für den Facharzt Innere Medizin und Kardiologie sind inzwischen z.B. die Ablationen ein fester Bestandteil der Weiterbildung, die interventionelle Kardiologie natürlich ohnehin. Auch in der Klappentherapie müssen Sie Kenntnisse nachweisen. Sie müssen nicht die selbstständige Durchführung nachweisen, aber zumindest bei Prozeduren dabei gewesen sein und die Indikationsstellung beherrschen, das gibt der Weiterbildungskatalog der Kardiologie vor. Krankenhäuser, die Leistungsgruppen verlieren, werden auch in Teilen ihre Weiterbildungsermächtigung verlieren und sind in der Folge als Weiterbildungsstandort für junge Nachwuchskardiolog:innen nicht mehr attraktiv. Das ist ein großes Problem, da neben dem Aspekt der Weiterbildung auch die Arbeit im Krankenhaus zu großen Teilen von den Weiterbildungsassistent:innen geleistet wird.

 

Hubricht: Als Vorsitzender der ALKK haben Sie einen guten Einblick, wie die Kliniken mit diesen neuen Gegebenheiten umgehen. Welche Lösungsmodelle wird es geben? Wird es andere Rotationsmodelle geben oder werden sich Kliniken zu Weiterbildungsverbünden zusammenschließen?

 

Diemert: Wir stehen vor großen Herausforderungen, weil im Moment verschiedene Veränderungen zusammenkommen. Auch die Ambulantisierung betrifft die Weiterbildung stark. Im kommenden Jahr sollen 100 zusätzliche Leistungen als sogenannte Hybrid-DRGs abgerechnet werden. Das betrifft einen großen Teil der kardiologischen Prozeduren, viele der Koronarinterventionen, Schrittmacherimplantationen, teilweise auch die Ablationen. Hybrid-DRGs können sowohl stationär erbracht werden als auch von ambulanten Leistungserbringern, die dann z.B. für den Notfall Belegbetten haben. Das bedeutet, dass viele dieser ausbildungsrelevanten Prozeduren künftig vermehrt von niedergelassenen Kardiolog:innen erbracht werden. Die Hybrid-DRGs sind dazu außerdem viel knapper kalkuliert als die Krankenhaus-DRGs. Weiterbildung muss irgendwie gegenfinanziert werden, das ist in den Hybrid-DRGs nicht abgebildet.

 

Diese Veränderung betrifft alle Krankenhäuser. Gerade die nicht-komplexen Prozeduren sind Ausbildungsprozeduren und werden fast alle in diese Hybrid-DRGs oder den ambulanten Bereich fallen. Da wird es schwierig für Assistenzärzt:innen in Anstellung in einem Krankenhaus, die an all diesen Prozeduren partizipieren müssen. Da braucht es jetzt schlaue Konzepte.

 

Man wird andere Rotationen anbieten müssen, z.B. eine Rotation in den ambulanten Bereich, also an eine kardiologische Praxis, an ein Zentrum für Klappentherapie, ebenso eine Rotation in die Elektrophysiologie. Bisher sind Sie als Weiterbildungsassistent:in in der Regel an einem Haus angestellt und absolvieren dort Ihre gesamte Weiterbildung. Das wird in vielen Fällen schwieriger werden und zum Teil auch die Maximalversorger oder sogar die Unikliniken betreffen. An den großen Häusern werden wir eine Konzentration von komplexen Fällen haben, während die einfacheren Ausbildungsprozeduren sich zum Teil in ambulante Zentren verschieben. Wir brauchen flexiblere Rotationsmodelle und wir brauchen in der Krankenhausfinanzierung Lösungen. Es muss unbedingt ein Anteil für Weiterbildung in der Kostenerstattung berücksichtigt werden. Dafür wird sich die ALKK stark machen und sicherlich die Young DGK, denn es wird sehr viel anspruchsvoller werden, eine gute Weiterbildung zu bekommen.

 

Hubricht: Im Gesetzesbeschluss findet die ärztliche Weiterbildung leider keine konkrete Erwähnung. Kann die Krankenhaus-Reform Ihrer Ansicht nach auch Chancen für die Weiterbildung bieten, Stichwort Entbürokratisierung, ärztliche Personalbemessung, Ausbildungsqualität durch Spezialisierung?

 

Diemert: Ich glaube prinzipiell schon. Das KHVVG an sich birgt die Gefahr, zu mehr Bürokratisierung zu führen, weil in dem Gesetz viele Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst stehen. Andererseits gibt es aus der Politik die Willensbekundung, dass man die Bürokratie auch in den Krankenhäusern reduzieren will. Noch gibt es dazu keine konkreten Umsetzungspläne. Da sollten wir als Fachgesellschaften und als Ärzt:innenvertretung Druck machen.

 

Ansonsten kann ich mir vorstellen, dass durch die Konzentration von Leistungen und durch fokussierte Weiterbildungsverbünde vielleicht auch die Weiterbildung besser wird. Ich habe einige Jahre in den USA gearbeitet und bin ein großer Freund des Fellowship-Systems. Wir haben in Deutschland ein eher anachronistisches System - wir stellen Assistenzärzt:innen an und die arbeiten dann während der gesamten Weiterbildungszeit an einem Krankenhaus. In anderen Ländern gibt es modulare Systeme. Man macht die Kardiologie-Weiterbildung und im Anschluss Fellowships zu interventioneller Kardiologie, dann vielleicht noch für Elektrophysiologie oder für strukturelle Herzerkrankungen.

 

Im Moment ist vieles in Bewegung, politisch und auch gesellschaftlich. Ich glaube, wir werden uns in den nächsten 2-3 Jahren Gedanken über die Struktur der Weiterbildung machen müssen. Möglicherweise wird es durch die Reform üblich werden, häufiger das Krankenhaus zu wechseln und unsere Weiterbildung in ein Fellowship-System übergehen. Im Moment sind wir davon aber noch weit weg.

 

Planung der eigenen Weiterbildung 

Hubricht: Insbesondere für all jene, die jetzt gerade ihre Weiterbildung planen, ist es wichtig zu wissen, wann die erwähnten Veränderungen anstehen. In NRW geht es nächstes Jahr los, wann wird die Krankenhausreform bundesweit umgesetzt?

 

Diemert: Im Bund hat es durch den Regierungswechsel Verzögerungen gegeben. Im Koalitionsvertrag hat man sich aber klar zum KHVVG bekannt. Es wird angenommen, dass die Reform 2027 oder 2028 aktiv wird. Jetzt gibt es eine Übergangs- oder Konvergenzphase, NRW ist bereits deutlich weiter. Obwohl die Reform erst 2027 oder 2028 vollständig greift, werden im kommenden Jahr in den meisten Ländern Strukturentscheidungen fallen und es wird klar werden, wo die Zuschläge für die Leistungsgruppen erteilt und die kardiologischen Leistungen entsprechend abgebildet werden. Für jemanden wie Sie, der Kardiologe werden möchte und sich umsieht, würde ich im Moment empfehlen abzuwarten, wenn man kann.

 

Sicherlich sind die Universitätskliniken bezüglich der Leistungsgruppen relativ safe. Spannend wird es bezüglich der Verteilung bei den sogenannten Schwerpunktkrankenhäusern, also bei den mittelgroßen Krankenhäusern. Genau die sind besonders relevant, bisher findet etwa 70% der kardiologischen Versorgung in diesen außeruniversitären Versorgungskrankenhäusern statt. Viele Kolleg:innen möchten ihre kardiologische Ausbildung bewusst nicht an einer Universitätsklinik, sondern an einem Versorgungshaus machen. Da muss man jetzt sehr genau hinschauen, wie sich die Landschaft in diesem Bereich verändert.

 

Hubricht: Kann man davon ausgehen, dass Schwerpunkthäuser, die jetzt schon einen Großteil der kardiologischen Versorgung anbieten das auch weiterhin tun werden?

 

Diemert: Schwerpunktkrankenhäuser, die in gewissen Regionen ein Alleinstellungsmerkmal haben, werden mit hoher Sicherheit durch die Krankenhausreform eher noch gestärkt werden, wenn das versorgungsrelevante Häuser sind, die einen großen Umkreis versorgen. Schwieriger ist es in den Großstädten, in denen sehr viele Häuser in Konkurrenz miteinander arbeiten. Da kann es tatsächlich sein, dass ein Konkurrenzhaus den Zuschlag für die Kardiologie erhält und man vielleicht kalt erwischt wird, wenn man an einem dieser Häuser arbeitet. Das muss man sehr genau beobachten.

 

Hubricht: Ich absolviere gerade mein PJ und die Wahl einer Klinik für den Berufseinstieg rückt näher. Wie kann ich mich informieren und abschätzen, in welchen Kliniken ich meine gesamte Weiterbildung oder zumindest einen Großteil davon absolvieren kann?

 

Diemert: In NRW ist das sehr transparent gestaltet. Dort gehen Sie auf die Website des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales und im Bereich zur Krankenhausreform sehen Sie ganz genau, welches Haus welche Leistungen bekommt. Das soll für ganz Deutschland so kommen. Im Moment kann man sich vorläufig am Krankenhausatlas orientieren. Dort werden z.B. Leistungsmengen abgebildet. Dieser Krankenhausatlas ist zum Teil als Vorbereitung für die Leistungsgruppensystematik gedacht, so lässt sich bereits abschätzen, in welche Richtung es gehen wird. Nächstes Jahr wird man diese Systematik, wie man sie in NRW auf der Website des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales findet, wahrscheinlich für ganz Deutschland abrufen können.

 

Hubricht: Dieses Interview soll vor allem Berufseinsteiger:innen die Orientierung erleichtern. Daher zum Abschluss die Frage, welchen Tipp Sie anhand Ihrer langjährigen Erfahrung in der Kardiologie haben, wie man die richtige Klinik für sich auswählt?

 

Diemert: Ganz am Anfang muss man sich die Frage stellen, ob man eine universitäre Laufbahn oder eine rein klinische Laufbahn einschlagen will. Für eine universitäre Laufbahn müssen Sie sehr frühzeitig wissenschaftlich Anschluss finden, an eine Arbeitsgruppe oder auch an ein bestimmtes Thema herangeführt werden. Dieses Thema haben Sie in einer rein klinischen Weiterbildung nicht. Das System ist zwar durchlässiger geworden, man hat auch nach zwei Jahren Weiterbildung noch die Möglichkeit zu wechseln. Wenn man aber wirklich wissenschaftliches Interesse hat, dann sollte man sehr früh auch seine Weiterbildung danach planen.

 

Für eine rein klinische Weiterbildung sollte man sich sehr gut anschauen, wie eine Klinik in der Versorgungsregion aufgestellt ist, wie dort voraussichtlich die Leistungsgruppen verteilt werden. Als Bewerber:in hat man inzwischen meist eine sehr gute Ausgangposition und wird zu mehreren Bewerbungsgesprächen eingeladen. Dabei sollte man sich sehr gut anschauen, wie die Weiterbildung strukturiert ist. Man sollte mit Assistentensprecher:innen Kontakt aufnehmen und sich nach den Rotationsplänen erkundigen. Gibt es Weiterbildungscurricula in der Abteilung, ist das schriftlich fixiert, gibt es Weiterbildungsgespräche, gibt es fixe Rotationen in Funktionsbereiche, werden diese auch eingehalten? Das sind die Schlüsselfragen, die man stellen muss. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man für die Weiterbildung in ein Haus geht, das gut strukturiert ist. Es ist nicht die Größe allein, es ist tatsächlich die Struktur und ob der Wille zur Weiterbildung da ist. Natürlich spielt auch immer das persönliche Glück eine Rolle dabei, ein Team zu finden, in das man hineinpasst und in dem man Anschluss findet.

 

Hubricht: Vielen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Einblicke.

 

Autoren

Zur Person

Dominik Hubricht

Dominik Hubricht studiert Medizin in Göttingen und absolviert derzeit sein Praktisches Jahr in Bremen und Bonn. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat er zu Vorhofflimmern geforscht und neben dem Studium als Tutor im Studentischen Trainingszentrum Ärztlicher Praxis und Simulation (STÄPS) gearbeitet. Dominik Hubricht ist in der Young DGK Task-Force Studierende aktiv und koordiniert für Herzmedizin.de die Reihe „Karrierekompass“.

       

       

Zur Person

Prof. Dr. Patrick Diemert

Prof. Patrick Diemert ist 1. Vorsitzender der ALKK (Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte e.V.). Er ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Westküstenklinikum in Heide.

Copyright: Christian Wyrwa

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