https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x
1Kardiologisch-Angiologische Praxis Bremen am Klinikum Links der Weser Bremen, Deutschland; 2Universitätsmedizin Göttingen Herzzentrum, Klinik für Kardiologie und Pneumologie Göttingen, Deutschland; 3ZEG – Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung Berlin GmbH Berlin, Deutschland; 4WIG2 – Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung Leipzig, Deutschland; 5AstraZeneca Medizinische Abteilung, BioPharmaceuticals Medical Hamburg, Deutschland; 6Praxis für Kardiologie und Innere Medizin PAN-Klinik Köln, Deutschland; 7Universitätsklinikum Würzburg Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz/DZHI Würzburg, Deutschland
Herzinsuffizienz (HF) ist eine der häufigsten Todesursachen, insbesondere bei älteren Menschen. Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren (SGLT2i) haben sich als prognoseverbessernd bei HF erwiesen, unabhängig von der Ejektionsfraktion. Bei HF mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (HFrEF) wird eine „Vier-Säulen“-Therapie von den Leitlinien empfohlen. Unklar ist, wie verlässlich die leitliniengerechten Therapien in Deutschland umgesetzt werden.
Ziel:
Die vorliegende Analyse wurde durchgeführt, um die Leitlinien-Adhärenz bei der Routineversorgung von Patientenmit Herzinsuffizienz in Deutschland zu erfassen, insbesondere im Hinblick auf die Therapie bei älteren Menschen.
Methoden:
In einer retrospektiven Analyse gesetzlicher Krankenkassendaten wurden für das Jahr 2023 Prävalenz, Mortalität, Komorbiditäten sowie der Einsatz gesundheitlicher Ressourcen bei HF-Patienten untersucht. Die Datenbasis ist repräsentativ für Alter, Geschlecht und Morbidität und erlaubt eine Extrapolation auf die Bevölkerung Deutschlands anhand regionaler demografischer Daten. HF wurde anhand von ICD-10-Codes (I50 terminal, I50.01, I50.1, I50.9, I11.0, I13.0, I13.2) identifiziert, Medikamente anhand der ATC-Codes.
Ergebnisse:
Im Jahr 2023 erhielten von 4.068.577 HF-Patienten lediglich 10,0 % eine "Vier-Säulen"-Therapie, bestehend aus SGLT2i, Betablocker (BB), Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonist (MRA) und Renin-Angiotensin-System-Inhibitor (RAASi). Dabei sollten nach epidemiologischen Daten etwa die Hälfte HFrEF-Patienten sein.1 Über die Hälfte der analysierten Patienten (54,4 %) war 75 Jahre oder älter. Diese wiesen – mit Ausnahme von Adipositas – höhere Prävalenzen HF-bezogener Komorbiditäten als jüngere Patienten auf (z. B. Vorhofflimmern: 51,3 % vs. 27,1 %; chronische Nierenerkrankung: 49,6 % vs. 26,9 %; Typ-2 Diabetes: 44,3 % vs. 40,7 %). Der Einsatz leitliniengerechter Substanzklassen war in den Altersgruppen vergleichbar hoch in Bezug auf RAASi (70,6 % vs. 71,5 %) und BB (69,5 % vs. 66,8 %), während MRA (22,8 % vs. 26,7 %) und SGLT2i (22,9 % vs. 29,5 %) in der älteren Gruppe seltener eingesetzt wurden. Die Kombination aller vier Wirkstoffklassen wurde bei Patienten ab 75 Jahren weniger häufig verordnet (7,5 % vs. 13,0 %). Patienten ≥75 Jahren hatten im Vergleich zu jüngeren Patienten eine höhere Mortalität (14,8 % vs. 5,2 %) und höhere HF-bedingte Hospitalisierungsrate (12,6 % vs. 6,7 %), was den prognoserelevanten Einfluss des Alters verdeutlicht.
Schlussfolgerung:
Diese auf deutschen Versorgungsdaten basierende Analyse weist auf erhebliche Versorgungslücken in der leitliniengerechten Behandlung von HF hin, insbesondere bei älteren Patienten. Trotz klarer Evidenz für den prognostischen Nutzen von SGLT2i auch bei älteren HF-Patienten, 2,3 werden diese nur zurückhaltend eingesetzt. Die konsequente Umsetzung von Leitlinienempfehlungen ist gerade bei dieser vulnerablen Patientengruppe entscheidend, um das Therapiepotential voll auszuschöpfen und bestmögliche Behandlungsergebnisse zu erzielen. Künftig sollte daher verstärkt darauf hingewirkt werden, evidenzbasierte Leitlinien auch in dieser Patientengruppe im klinischen Alltag umzusetzen.
1) Ponikowski P et al. Eur Heart J. 2016;37(27):2129-2200
2) Peikert A et al. Circ Heart Fail 2022; 15:E010080
3) Böhm M et al. JACC. Juli 2022, 80 (1) 1-18