DGK Herztage 2025. Clin Res Cardiol (2025). https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x
1Vivantes Klinikum im Friedrichshain Klinik für Innere Medizin - Kardiologie und konserv. Intensivmedizin Berlin, Deutschland
Ein 69-jähriger Patient mit koronarer 3-Gefäßerkrankung, arteriellem Hypertonus, chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 3) und Diabetes mellitus Typ 2 wurde aufgrund neu aufgetretener Angina pectoris (CCS II) stationär aufgenommen. Die Myokardszintigraphie zeigte eine belastungsinduzierte Ischämie der Vorderwand mit intakter Pumpfunktion.
Die Koronarangiographie ergab eine hochgradige, stark verkalkte Trifurkationsstenose des linken Hauptstamms (LM), ausgehend zu den drei Abgängen: dem Ramus interventricularis anterior (RIVA), dem Ramus circumflexus (RCx) sowie dem Ramus intermedius (RIM), entsprechend einer Medina-1-1-1-Läsion. Zusätzlich bestanden ausgeprägte In-Stent-Verkalkungen in RIVA und RCx. Der Patient hatte in der Vorgeschichte bereits multiple PCI (2012, 2015) erhalten, lehnte jedoch eine empfohlene aortokoronare Bypass-Operation ausdrücklich ab.
Aufgrund der komplexen Morphologie und der Ablehnung der Bypass-Operation wurde eine PCI mit provisional Stenting nach Debulking mittels orbitaler Atherektomie (OAS) geplant.
Das Vorgehen erfolgte sequenziell: Zunächst wurde der RIM gewired und mittels OAS behandelt, da der Abgangswinkel zum RCx zu spitz war, um diesen primär zu erreichen. Nach Modifikation der Plaque im Hauptstamm konnte der RCx erfolgreich gewired und anschließend ebenfalls mit OAS behandelt werden. Abschließend erfolgten Wiring und Atherektomie im RIVA.
Nach erfolgreicher Prädilatation wurde ein medikamentenfreisetzender Stent (3,5 × 18 mm) in den RIVA implantiert. Es folgten eine Kissing-Ballon-Dilatation sowie ein finales POT mit 5,0- und 5,5-mm-NC-Ballons. Die abschließende OCT zeigte eine optimale Stentexpansion und -apposition ohne Dissektionen.
Im weiteren Verlauf war der Patient klinisch stabil und beschwerdefrei. Die elektive Kontrollangiographie nach zwei Monaten bestätigte ein exzellentes Ergebnis ohne Hinweise auf Restenose oder relevante Neointimaproliferation.
Lernpunkte / Take-Home Messages:
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Hochgradige Trifurkationsstenosen des linken Hauptstamms mit starker Verkalkung stellen eine interventionelle Hochrisikokonstellation dar – insbesondere, wenn eine chirurgische Therapie nicht möglich oder vom Patienten abgelehnt wird.
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Die sequenzielle Anwendung der orbitalen Atherektomie (OAS) ermöglichte eine effektive und sichere Plaquemodifikation selbst bei schwersten Verkalkungen und komplexen anatomischen Bedingungen.
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Der minimal-invasive Zugang über die distale A. radialis, moderne Bildgebung (OCT) sowie strukturierte Techniken (Kissing, POT) trugen maßgeblich zum erfolgreichen Verlauf bei.
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Eine komplexe PCI unter Einbezug von Atherektomie stellt bei Bypass-Verweigerung eine tragfähige und effektive Behandlungsoption selbst bei komplexen LM-Läsionen dar und sollte daher nach ggf. nach Zweitmeinung in entsprechenden Zentren evaluiert werden