https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x
1Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel GmbH Zentrum für Innere Medizin I Brandenburg an der Havel, Deutschland; 2Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane Brandenburg an der Havel, Deutschland; 3Knappschaftskrankenhaus Bottrop GmbH Klinik für Innere Medizin IV - Kardiologie Bottrop, Deutschland; 4Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg Med. Klinik A Schwerpunkt Kardiologie Neuruppin, Deutschland; 5Marienhospital Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Med. Klinik II, Kardiologie u. Angiologie Herne, Deutschland
Methoden: Im Rahmen des prospektiven Herzinfarktregisters Brandenburg wurden zwischen 04/2019 und 12/2020 insgesamt 298 Patienten mit AMI eingeschlossen. Die HRQoL wurde mithilfe des EQ-5D-5L-Instruments bei Krankenhausaufnahme und nach 12 Monaten telefonisch erhoben. Erfasst wurden Bildungsniveau, berufliche Qualifikation und subjektive finanzielle Lage als Indikatoren für den sozioökonomischen Status (SES). Ziel war es, Unterschiede in der HRQoL sowie der klinischen Präsentation in Abhängigkeit vom SES zu untersuchen.
Ergebnisse: Patienten mit niedrigerem Bildungsgrad hatten häufiger Dyspnoe bei Aufnahme, schlechtere Nierenfunktion (eGFR) und häufiger Hypertonie. Ein Jahr nach AMI zeigte sich eine Verschlechterung der HRQoL in den Bereichen Mobilität, Aktivität, Schmerz und Angst/Depression. Während sich bei Patienten mit höherem Bildungsniveau bzw. guter finanzieller Lage die subjektive Gesundheit (EQ-VAS) im Verlauf verbesserte (ΔVAS +4,0 bzw. +2,6), kam es bei niedrigem Bildungsstand und finanzieller Notlage zu einer signifikanten Verschlechterung (ΔVAS –7,7 bzw. –11,0; p < 0,05). Unterschiede zeigten sich auch hinsichtlich der beruflichen Qualifikation. Die initiale HRQoL war bei niedrigem SES bereits reduziert und sank im Verlauf weiter, wohingegen sie sich bei höherem SES verbesserte – ein Hinweis auf eine wachsende Lücke in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen eine sozial bedingte Polarisierung im Genesungsverlauf nach AMI. Trotz vergleichbarer akuter medizinischer Versorgung zeigen sich signifikante Unterschiede in der HRQoL zwischen sozioökonomischen Gruppen. Besonders bemerkenswert ist, dass sich bei Patienten mit günstiger Bildungs- und Finanzlage die subjektive Gesundheit verbessert, während sich der Zustand benachteiligter Patienten verschlechtert. Dies lässt auf soziale Determinanten schließen, die den Heilungsverlauf wesentlich beeinflussen – etwa durch Unterschiede in Gesundheitskompetenz, Nachsorge, Lebensstil, psychischer Belastung oder sozialer Unterstützung. Der sozioökonomische Status muss daher als zentraler Einflussfaktor in der sekundärpräventiven Versorgung berücksichtigt werden.
Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse belegen eine deutliche sozioökonomische Ungleichheit in der HRQoL nach AMI, die sich bereits innerhalb des ersten Jahres nach dem Ereignis vergrößert. Besonders vulnerabel sind Patienten mit geringem Bildungsniveau und finanziellen Schwierigkeiten. Diese Befunde unterstreichen die Notwendigkeit einer stärker sozial differenzierten, patientenzentrierten Nachsorge nach AMI, um gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern und sekundärpräventive Maßnahmen gezielter umzusetzen. Darüber hinaus sollten regionale Versorgungsstrukturen und gesundheitspolitische Strategien entwickelt werden, die vulnerable Gruppen stärker adressieren.