https://doi.org/10.1007/s00392-025-02625-4
1Universitätsklinikum Regensburg Klinik und Poliklinik für Innere Med. II, Kardiologie Regensburg, Deutschland; 2Universitätsklinikum Regensburg Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Regensburg, Deutschland; 3Universitätsklinikum Regensburg Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie Regensburg, Deutschland
Dihydropyridin-Calciumantagonisten vermitteln ihre vasodilatatorische Wirkung durch direkte Inhibition der L-Typ-Calciumkanäle in der glatten Gefäßmuskulatur. Bei ausreichend hoher Dosis kann so eine Vasokonstriktion vollständig unterdrückt werden. Dies führt bei schwerer Intoxikation zur Entwicklung einer Vasopressor-refraktären Vasoplegie sowie eines massiven Kapillarlecks und stellt einen akut lebensbedrohlichen Zustand dar.
Wir berichten über die Behandlung einer 17-jährigen Patientin mit schwerstem distributivem Schock infolge einer parasuizidalen Intoxikation mit 770mg Amlodipin und 3040mg Olmesartan. Nach der Ingestion entwickelte die Patientin rasch einen schweren, vasoplegen Schock (RR 65/35mmHg) sowie ein massives Kapillarleck mit progredienter Ödembildung. Trotz guter biventrikulärer Funktion, großen Volumina an Kristalloiden, hochdosierten Vasopressoren (Noradrenalin 4,75mg/h; Vasopressin 4I.E./h) sowie der intravenösen Gabe von Calcium und Methylenblau konnte keine hämodynamische Stabilisierung erreicht werden, sodass bei zunehmender Organhypoperfusion mit steigendem Laktat (5,7mmol/L) ein Kreislaufstillstand drohte. Obwohl der vasoplegische Schock bei erhaltener linksventrikulärer Funktion im Allgemeinen keine Indikation für die veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (VA-ECMO) darstellt, wurde deren erfolgreicher Einsatz zur Überbrückung einer reversiblen Vasoplegie in einigen Fallberichten beschrieben. Aufgrund der reversiblen Ursache der Vasoplegie und vormals gesunder Patientin mit guter Organfunktion etablierten wir daher bei unserer Patientin eine VA-ECMO, worunter sich die Hämodynamik trotz persistierender Vasoplegie stabilisieren ließ. Infolge des schweren Kapillarlecks entwickelte die Patientin im Verlauf ein ausgeprägtes Lungenödem mit Notwendigkeit hoher Beatmungsdrücken sowie ein beginnendes abdominelles Kompartmentsyndrom durch intestinale Ödembildung. Am rechten Unterschenkel war eine Kompartmentspaltung notwendig. Bei weiterhin ausgeprägter Vasoplegie und massivem Kapillarleck wurde ein therapeutischer Plasmaaustausch (TPA) initiiert, um das fast vollständig an Plasmaproteine gebundene Amlodipin aus dem Körper zu eliminieren. In einer retrospektiven Analyse der Medikamentenspiegel im Patientinnen- sowie im ausgetauschten TPA-Plasma konnte passager ein deutlicher Abfall der Plasmaspiegel mit sofortiger positiver Auswirkung auf die Hämodynamik festgestellt werden. Ergänzend erfolgte eine Euglykämie-Hyperinsulinämie-Therapie zur Kompensation der Amlodipin-induzierten myokardialen Insulinresistenz und der reduzierten, Calciumabhängigen Insulinsekretion im Pankreas. Letztlich konnten Hämodynamik und Kapillarleck mit den ergriffenen Maßnahmen bis zum Nachlassen der Amlodipinwirkung ausreichend stabilisiert werden und die Patientin konnte 10 Tage nach Aufnahme auf die Intensivstation extubiert werden.
Die Therapie einer schweren Intoxikation mit Calciumantagonisten ist komplex und erfordert einen multimodalen, individuell abgestimmten Ansatz. In ausgewählten Patienten mit reversibler Vasoplegie kann eine VA-ECMO bei Versagen der medikamentösen Therapiemaßnahmen eine lebensrettende Brücke bis zur hämodynamischen Stabilisierung darstellen. Im geschilderten Fall war ein TPA mit einer unmittelbaren, aber zeitlich begrenzten Besserung der Hämodynamik assoziiert.