Persistierende Coxsackievirusinfektionen und Myokarditis: Neue Erkenntnisse bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen unter immunsuppressiver Therapie

https://doi.org/10.1007/s00392-025-02625-4

Lisann Pelzl (Tübingen)1, M. Sauter (Tübingen)1, E. Potapov (Berlin)2, F. Schönrath (Berlin)2, T. Schlabs (Berlin)3, P. Lanmüller (Berlin)2, S. Massberg (München)4, D. Reichart (München)4, K. Klingel (Tübingen)1

1Universitätsklinikum Tübingen Kardiopathologie Tübingen, Deutschland; 2Deutsches Herzzentrum der Charite (DHZC) Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Berlin, Deutschland; 3Charité - Universitätsmedizin Berlin CC11: Med. Klinik m.S. Kardiologie Berlin, Deutschland; 4LMU Klinikum der Universität München Medizinische Klinik und Poliklinik I München, Deutschland

 

Hintergrund: Patienten mit chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen, welche mit anti-CD20-monoklonalen Antikörpern (mAbs) wie Rituximab behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko schwere Infektionen zu entwickeln. Die anti-CD20-mAb-Therapie bewirkt eine effektive Depletion der B Zellen und kann aufgrund der stark eingeschränkten Antikörperantwort zu schweren kardialen Virusinfektionen und Myokarditiden führen.

Zwei Fallberichte: In dieser Studie berichten wir über zwei Patientinnen mit chronisch entzündlichen Autoimmunerkrankungen, welche mit Rituximab und hochdosierten Steroiden therapiert wurden. Im Rahmen dieser immunmodulatorischen Therapie kam es in beiden Fällen zu einer lebensbedrohlichen Coxsackievirusinfektion und schweren lymphozytären Myokarditis.

Patientin 1 (41 Jahre) litt an einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (RRMS), die seit 2012 mit Rituximab behandelt wurde. Am 27.6.24 wurde die Patientin reanimationspflichtig bei Kammerflimmern. Bei mehrfachen Episoden von Kammerflimmern und einer raschen Verschlechterung ihrer respiratorischen und kardiovaskulären Situation wurde eine VA-ECMO implantiert mit Dobutamingabe, gefolgt von einer hochdosierten Prednisolontherapie (1000 mg über drei Tage). Am vierten Tag wurde eine Impella CP implantiert, kurz darauf erfolgte ein Upgrade auf eine auf eine VAV Konfiguration sowie eine Immunglobulinsubstitution. Die entnommene Endomyokardbiopsie (EMB) zeigte eine fulminante lymphozytäre Myokarditis mit 80% nekrotischen Kardiomyozyten und massenhaft CD3-positiven T-Zellen (>300/mm²) und CD68-positiven Makrophagen (>500/mm²) bei Nachweis von Coxsackievirus B5 (CVB5). Die Patientin entwickelte eine Aspirationspneumonie mit septischer Schockkomponente und Multiorganversagen. Sie verstarb 7 Tage nach Aufnahme in die Klinik.

Bei Patientin 2 (35 Jahre) wurde 2010 eine Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) diagnostiziert, welche seit 2012 mit Rituximab behandelt wurde. Sie musste ebenfalls im Juni 2024 reanimiert werden. Im kardiogenen Schock erfolgte die Implantation eines v-a-ECLS, sowie einer Impella CP. Entnahme einer EMB. Die EMB zeigte eine fulminante lymphozytäre Myokarditis mit zahlreichen frischen Myozytennekrosen und massenhaft CD3-positiven T-Zellen (>300/mm²) und CD68-positiven Makrophagen (>400/mm²) bei Nachweis einer kardialen Coxsackievirus B2 (CVB2) Infektion. Initial erfolgte eine Therapie mit Kortison, gefolgt von Interferon-ß und Immunglobulinen. Bei fehlender kompletter Erholung der myokardialen Funktion musste im Verlauf ein permanentes LVAD System (HeartMate 3) implantiert werden. Über drei Monate hinweg konnte in vier Folgebiopsien eine CVB2 Persistenz mit „ongoing“ lymphozytärer Myokarditis nachgewiesen werden. Die myokardiale Funktion zeigte sich im weiteren Verlauf partiell stabilisiert. Die immunsuppressive Therapie wurde von Rituximab auf Mycophenolat-Mofetil umgestellt.

Zusammenfassung:  Diese Ergebnisse bestätigen erstmals bei Patienten unsere früheren Befunde an B-Zell-defizienten Mäusen, die zeigen, dass Coxsackieviren im Herzmuskel persistieren und eine schwere „ongoing“ Myokarditis verursachen können. B-Zellen spielen offensichtlich eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der viralen Replikation und Persistenz. Die langjährige Therapie von Autoimmunerkrankungen mit Rituximab geht mit einer verstärkten Suszeptibilität gegenüber Coxsackievirusinfektionen einher und kann zu letalen Myokarditiden führen.

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