Expertenstatement anlässlich der DGK Herztage 2025 im Rahmen der Pressekonferenz
Expertenstatement anlässlich der DGK Herztage 2025 im Rahmen der Pressekonferenz
Düsseldorf/Hamburg, 25. September 2025 – Angesichts ihrer Häufigkeit (in der Bevölkerung 1-2 %, bei > 75-Jährigen ca. 10 %), der klinischen Relevanz und der vielfältigen Ursachen stellt die Mitralklappeninsuffizienz (MI) eine zentrale Herausforderung in der kardiovaskulären Versorgung dar. Neben konservativen und chirurgischen Ansätzen hat sich in den letzten Jahren mit der kathetergestützten Mitralklappenrekonstruktion (M-TEER) eine minimalinvasive Behandlungsoption etabliert, die besonders bei Hochrisikopatientinnen und -patienten vielversprechende Perspektiven öffnet.
Die Mitralklappeninsuffizienz (MI) ist eine der häufigsten Herzklappenerkrankungen in der westlichen Welt. Bei einer MI schließt die Mitralklappe, also die Klappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer, nicht mehr richtig. Dadurch fließt ein Teil des Blutes zurück in den Vorhof, statt vollständig in die Herzkammer zu fließen. Das belastet die linke Herzkammer zusätzlich, da das Herz mehr Pumpleistung erbringen muss, um die Organe mit ausreichend sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Auf Dauer kann es hier zu Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und einer deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität kommen. Man unterscheidet zwei Formen der MI: die primäre MI – die Klappe selbst ist geschädigt, z. B. durch Abnutzung, Entzündungen oder auch angeborene Veränderungen. Bei der sekundären MI hingegen funktioniert die Klappe nicht richtig, weil sich der Herzmuskel oder der Vorhof verändert haben – zum Beispiel durch eine Herzschwäche. Die genaue Einordnung in primäre und sekundäre Formen ist entscheidend für die Wahl einer geeigneten Therapie.
Traditionell erfolgt die Behandlung der MI entweder konservativ mittels einer medikamentösen Therapie oder chirurgisch durch eine Klappenreparatur oder einen -ersatz. Vor rund 20 Jahren wurde mit dem transkatheterbasierten Edge-to-Edge-Repair-Verfahren (M-TEER), insbesondere durch das MitraClip-System, eine minimalinvasive Therapieoption etabliert. Dieses Verfahren macht es möglich, die Mitralklappe ohne Operation am offenen Herzen zu reparieren, indem die Klappensegel mechanisch gerafft werden, um den Rückfluss (Regurgitation) zu reduzieren.
Vor allem Hochrisikopatientinnen und -patienten, die aufgrund ihrer Anatomie, ihrer Begleiterkrankungen oder des Alters nicht operiert werden können, profitieren von der Methodik. Dennoch gibt es auch weiter Herausforderungen, die sich trotz des Einsatzes seit mehr als zwei Dekaden nach wie vor ergeben.
EVEREST II (2011): M-TEER überzeugt im Vergleich zur Operation
In der Everest II-Studie (n=279) wurden Betroffene mit schwerer MI (Grad 3+ oder 4+) randomisiert entweder mit dem M-TEER-Verfahren oder chirurgisch behandelt (Reparatur oder Ersatz der Klappe). Nach 12 Monaten zeigte sich beim primären Wirksamkeitsziel (kein Tod, keine erneute Operation, keine MI >3+):
Allerdings traten in den ersten 30 Tagen nach dem Eingriff deutlich weniger Komplikationen bei M-TEER auf (15 %) im Vergleich zur Kontrollgruppe (48 %).
In der 5-Jahres-Nachbeobachtung der Everest-II-Studie zeigte sich, dass die chirurgische MI im Vergleich zur perkutanen, also durch die Leistenvene durchgeführten, MitraClip-Therapie eine bessere und nachhaltigere Kontrolle der MI bot. So waren nach fünf Jahren etwa 64,3 % der chirurgisch behandelten Patientinnen und Patienten frei von Tod, erneuter Operation oder einer Mitralinsuffizienz >Grad 3+, während der Anteil in der M-TEER-Gruppe bei 44,2 % lag.
Erneute Eingriffe sowie ein Wiederauftreten schwerer MI traten unter M-TEER häufiger auf – insbesondere innerhalb des ersten Jahres nach Eingriff. Dennoch war die Gesamtmortalität nach 5 Jahren vergleichbar zwischen den Gruppen: 20,8 % (M-TEER) vs. 26,8 % in der Kontrollgruppe, ohne statistisch signifikanten Unterschied (p = 0,40).
Subgruppe der Hochrisikopatientinnen und -patienten (Everest II HRS, 2012)
Für MI-Betroffene mit einem erhöhtem Operationsrisiko ergaben sich zudem besonders vielversprechende Ergebnisse mit der perkutanen Therapie. In dieser Hochrisikogruppe lag die Erfolgsrate der MitraClip-Implantation bei rund 96 %. Nach einem Jahr zeigten etwa 78 % der überlebenden Betroffenen eine nur noch milde bis moderate MI (Grad >2). Zudem konnte eine verbesserte Funktion des linken Ventrikels dokumentiert werden – ein Hinweis auf klinische Wirksamkeit der Methode auch in dieser vulnerablen Patientengruppe.
Sekundäre MI und RESHAPE-HF2-Studie (2024)
Die RESHAPE-HF-2-Studie untersuchte darüber hinaus den Nutzen der M-TEER-Therapie zusätzlich zur leitliniengerechten medikamentösen Behandlung. Eingeschlossen waren Betroffene mit symptomatischer Herzinsuffizienz, eingeschränkter Ejektionsfraktion und moderater bis schwerer MI (Grad 3+ oder 4+). Nach rund 2 Jahren zeigte sich, dass M-TEER die Rate an Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen und kardiovaskulärem Tod signifikant reduzierte (RR 0,64;p=0,002). Auch Symptome und Lebensqualität verbesserten sich deutlich im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie. Die Studie unterstreicht somit ebenfalls den Stellenwert der interventionellen Mitralklappenreparatur bei ausgewählten Patientinnen und Patienten mit sekundärer MI. Die mittel- und langfristigen Erfolgsquoten der M-TEER erreichten im EXPAND-Register, einem internationalen Beobachtungsregister, das reale Beobachtungsdaten zur MitraClip-Therapie erfasst, nahezu 90 %.
Die katheterbasierte Mitralklappensegelreparatur stellt ohne Zweifel eine bedeutende Innovation in der Therapie der MI dar. Sie ermöglicht vielen Patientinnen und Patienten mit schwerer MI – insbesondere mit hohem Operationsrisiko – erstmals eine wirksame Behandlungsoption. M-TEER hat sich laut Studien dabei nicht nur als sicher, technisch zuverlässig und symptomlindernd erwiesen. Aufbauend auf einer leitliniengerechten medikamentösen Behandlung (GDMT) reduzierte eine M-TEER die Rate an Hospitalisierung und CV-Sterblichkeit zusätzlich.
Doch trotz dieser Errungenschaften bestehen in der klinischen Anwendung nach wie vor auch relevante Herausforderungen. Dazu zählt beispielsweise die rechtzeitige Indikationsstellung bei geeigneter Anatomie, etwa durch wirksame intersektorale Netzwerke, erhöhte Awareness für die Erkrankung im hausärztlichen Bereich oder eine unzureichend erkannte Verschlechterung (Progredienz) der Symptomatik.
Die ESC/EACTS Leitlinien (Stand: 2025) betonen die Bedeutung der M-TEER als innovative Behandlungsoption sowohl bei primärer als auch bei sekundärer MI, und hat die Therapie aufgewertet. So wurde beispielsweise der M-TEER bei Patienten mit hochgradiger sekundärer MI eine Klasse I Empfehlung attestiert.
Bei primärer MI wird M-TEER empfohlen für symptomatische Patientinnen und Patienten mit schwerer MI, die aufgrund hoher Operationsrisiken oder Inoperabilität nicht für eine chirurgische Therapie in Frage kommen. Voraussetzung ist hier u. a. eine geeignete Klappenanatomie oder auch eine gute Beweglichkeit der Segel. Die Entscheidung erfolgt im Heart-Team, um eine optimale individuelle Therapie sicherzustellen. Für die sekundäre MI gilt M-TEER als wertvolle Therapieoption bei symptomatischen Patientinnen und Patienten mit schwerer MI, die trotz optimaler medikamentöser Therapie weiterhin Symptome zeigen und ebenfalls hohe Operationsrisiken aufweisen. Auch hier sind eine sorgfältige anatomische Beurteilung und eine interdisziplinäre Entscheidungsfindung zentral.
M-TEER stellt eine bedeutende Innovation in der Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz dar und hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten als segensreiche Behandlungsmethode für Hochrisikopatientinnen und -patienten etabliert, die operativ nicht versorgt werden können. Voraussetzung für den Therapieerfolg ist jedoch eine sorgfältige Patientenauswahl, basierend auf anatomischen und klinischen Kriterien sowie eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der Teams untereinander. Dadurch kann sowohl eine Unter- als auch eine Übertherapie besser eingedämmt werden, um optimale Behandlungsergebnisse zu erzielen und die kardiale Versorgung nachhaltig zu verbessern. So ermöglicht eine M-TEER durch die verbesserte Blutfluss-Bedingungen (Hämodynamik) ermöglicht eine M-TEER bei vielen unserer Patientinnen und Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz die empfohlenen Medikamente (GDMT) besser und in der richtigen Dosierung einzustellen.
Die Forschung rund um M-TEER nimmt derzeit deutlich Fahrt auf – maßgeblich getrieben durch den technologischen Fortschritt bei den Geräten, vielfältigen Optionen des transvenösen Mitralklappen-Ersatzes und in der Bildgebung, die immer komplexere Einsichten ermöglicht. Gleichzeitig wächst der klinische Bedarf durch eine alternde und multimorbide Gruppe von Patientinnen und Patienten, die aufgrund der Risiken für eine Operation nicht in Frage kommen. Positive Ergebnisse aus wegweisenden Studien wie Everest II haben das Vertrauen in die Methode gestärkt und die breitere Anwendung von M-TEER nachhaltig gefördert – einer innovativen Methodik, die evidenzbasierend vor allem Hochrisikopatientinnen und -patienten neue Möglichkeiten eröffnet.
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Prof. Dr. Alexander Ghanem, Hamburg, Tagungspräsident AGIK live
©Asklepios Klinik Nord – Heidberg