PULSE Survey - Wie steht es um das Wissen der Bevölkerung zu kardialen Arrhythmien?

Autorenschaft

Dr. Melanie Gunawardene & Prof. Dr. K. R. Julian Chun

Agaplesion Markus Krankenhaus

Medizinische Klinik III - CCB

Wilhelm-Epstein-Str. 4

60431 Frankfurt am Main

Papervorstellung

Kardiale Arrhythmien sind in Europa weit verbreitet – insbesondere Vorhofflimmern, das ab dem 55. Lebensjahr etwa ein Drittel der Bevölkerung im Laufe des Lebens betrifft. Die ESC-Leitlinien betonen die Bedeutung des Selbstmonitorings, etwa durch Pulsmessung, zur Früherkennung. Parallel steigt in der Allgemeinbevölkerung die Nutzung sogenannter Wearables wie Smartwatches, die die Herzfrequenz und den Herzrhythmus in Echtzeit erfassen können und große Datenmengen liefern. Diese technologischen Entwicklungen bieten einerseits Chancen in der Diagnostik, bergen jedoch auch Herausforderungen wie Fehldeutungen oder Überdiagnostik.

 

Zudem reichen Arrhythmien von harmlos bis lebensbedrohlich. Im Notfall wie dem plötzlichen Herztod ist die sofortige Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen entscheidend und hängt maßgeblich von der sofortigen Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen, insbesondere auch durch Laienhelfer ab. Das Training der Allgemeinbevölkerung in der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) und dem Zugang zu externen Defibrillatoren sind somit entscheidend.

 

Trotz dieser wachsenden Bedeutung von Arrhythmien bestehen in der Bevölkerung weiterhin erhebliche Wissenslücken hinsichtlich ihrer Diagnose, Bedeutung und Behandlung. Ziel dieser Umfrage war es, die Wahrnehmung, den aktuellen Wissensstand und mögliche Bildungslücken in Bezug auf Arrhythmien in der Allgemeinbevölkerung systematisch zu erfassen.

 

Der hier vorgestellte PULSE-Survey wurde im Auftrag der European Heart Rhythm Association (EHRA) durchgeführt und richtete sich an die europäische Allgemeinbevölkerung. Die Online-Befragung bestand aus 36 Fragen und war in 12 Sprachen verfügbar. Der Fragebogen gliederte sich in drei Hauptbereiche: (1) Basisdaten und Wissen über Arrhythmien, (2) Selbsteinschätzung und Erfahrungen mit Arrhythmien sowie (3) spezifische Fragen für Betroffene mit diagnostizierter Arrhythmien. Teilnehmende wurden entsprechend ihrer Angaben als medizinische Laien oder Betroffene klassifiziert.

 

Insgesamt nahmen 3.924 Personen an der Umfrage teil, darunter 2.177 Gesunde und 1.747 mit einer diagnostizierten Arrhythmie.

    

Abbildung 1: Graphisches Abstract des PULSE-Survey

 

Die Mehrheit der Teilnehmenden (59 %) war weiblich, etwa 90 % lebten in Europa (die meisten Teilnehmenden kamen aus Deutschland: 49 %). Insgesamt gaben 81 % an, in gewissem Maße Angst vor Arrhythmien zu haben – insbesondere Frauen zeigten häufiger moderate bis starke Ängste als Männer. Während sich die Mehrheit sicher im Pulstasten fühlte, mangelte es vielen an Vertrauen in die eigene Fähigkeit, im Notfall einen plötzlichen Herztod zu erkennen und eine CPR einzuleiten. Dies galt vor allem für ältere und südeuropäische Teilnehmende. Kenntnisse über Organisationen wie die EHRA oder ESC sowie CPR-Schulungen innerhalb der letzten 5 Jahre, erhöhten die Sicherheit einen plötzlichen Herztod zu erkennen um das Dreifache sowie die Handlungssicherheit im Notfall eine CPR zu beginnen um das 5-fache.

 

Bei Betroffenen mit bereits bekannter Arrhythmien, nutzten ein Drittel bereits Wearables zur Überwachung ihres Herzrhythmus, was deren Bedeutung als Erkennungs- und Selbstmonitoring-Tool unterstreicht. Arrhythmien beeinträchtigten die Lebensqualität der Teilnehmenden erheblich: 28 % der Betroffenen berichteten über schwerwiegende bis den Alltag erheblich einschränkende Symptome (entsprechend EHRA Score III-IV).

 

Auffällig war, dass Frauen trotz vergleichbarer Behandlungsraten stärkere Symptome angaben (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Die Rolle von Symptomen und Angst in Abhängigkeit von Geschlecht und Behandlungsstatus. (A) Symptomatische Teilnehmende nach Geschlechtskategorie und Behandlungsstatus. (B) Mäßig oder stark ängstliche Teilnehmende nach Geschlechtskategorie und Behandlungsstatus.

 

Zudem wurde die in Leitlinien empfohlene Entscheidungsfindung mittels „Shared Decision Making“ für die Therapie der Arrhythmien nur bei 4 % der Teilnehmenden umgesetzt.

         

Diskussion

Die PULSE-Umfrage liefert erstmals umfassende Einblicke in die Wahrnehmung und das Wissen über Arrhythmien in der europäischen Allgemeinbevölkerung. Eine zentrale Erkenntnis ist die weit verbreitete Angst vor Arrhythmien, insbesondere bei Frauen. Zwar zeigten viele Teilnehmende ein gutes Basiswissen über einfache Maßnahmen wie das Pulstasten, jedoch bestand ein deutliches Unsicherheitsgefühl im Hinblick auf die Erkennung eines plötzlichen Herztods und das Einleiten einer CPR, insbesondere bei südeuropäischen und älteren Teilnehmenden. Die Teilnahmequote an Wiederbelebungskursen war im PULSE-Survey niedriger als in anderen Studien, z. B. in Schweden. Obwohl einzelne Länder wie Dänemark durch verpflichtende Schulungen große Fortschritte gemacht haben, sind solche Programme europaweit noch nicht flächendeckend etabliert – besonders ältere Menschen oder Personen mit Migrationshintergrund werden häufig in solche Programme nicht einbezogen. Gleichzeitig zeigen viele Menschen großes Interesse und Selbstvertrauen bei einfachen Maßnahmen wie der Pulsmessung, was das Potenzial für Aufklärungskampagnen unterstreicht. Für mehr Wirkung bedarf es gezielter, gut geplanter Awareness-Kampagnen und interprofessioneller Zusammenarbeit.

 

Ein Drittel der von Arrhythmien Betroffenen berichtete über schwerwiegende Symptome, wobei Frauen trotz vergleichbarer Behandlungsraten stärkere Beschwerden angaben. Die Ergebnisse deuten auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung und möglicherweise auch in der Versorgungsqualität hin.

 

Nur 4 % der Betroffenen gaben an, an gemeinsamen Entscheidungsprozessen mit ihrem Behandlungsteam teilgenommen zu haben – die aktuellen ESC Leitlinien empfehlen das "Shared Decision-Making" jedoch als zentrale Maßnahme.

 

Tragbare Geräte wie Smartwatches wurden von einem Drittel der Betroffenen zur Überwachung ihres Herzrhythmus verwendet. In 10 % der Fälle wurde die Arrhythmien sogar erstmals durch ein Wearable erkannt. Dies unterstreicht das Potenzial dieser Technologie in der Früherkennung, gleichzeitig besteht jedoch ein Nachholbedarf in der Integration solcher Daten in klinische Entscheidungsprozesse (5). Studien belegen, dass Algorithmen zur Erkennung von Vorhofflimmern je nach Gerät eine Sensitivität von 58–85 % und eine Spezifität von 69–79 % erreichen. Die bedeutet, dass aktuell eine ärztliche Validierung in vielen Fällen trotz künstlicher Intelligenz noch erforderlich ist.

 

Trotz der Bereitschaft vieler Menschen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Herzgesundheit bestehen signifikante Wissenslücken – insbesondere in Bezug auf die Definition von Arrhythmien, das Erkennen lebensbedrohlicher Situationen und die Fähigkeit, adäquat zu handeln. Der Ausbau struktureller Bildungsangebote, etwa flächendeckender Reanimationskurse oder digital unterstützter Informationsplattformen, wird als dringend notwendig erachtet. Zudem sollten geschlechtsspezifische Unterschiede in der Versorgung stärker berücksichtigt werden.

      

Zusammenfassung

Zusammenfassend zeigt das PULSE-Survey signifikante Wissenslücken und Behandlungsdefizite in Bezug auf kardiale Arrhythmien in der Bevölkerung auf. Besonders Frauen scheinen von Ängsten und Symptomen überproportional betroffen zu sein.

 

Die Nutzung von Wearables, einschließlich solcher zur Erkennung von kardialen Arrhythmien, war unter den Teilnehmenden des PULSE-Survey weit verbreitet und spiegelt ihre zunehmende Bedeutung im Bereich der Allgemeinbevölkerung und der Überwachung von kardialen Arrhythmien wider.

 

Gezielte Bildungsmaßnahmen und ein besserer Einbezug aktueller Leitlinien – insbesondere in Bezug auf gemeinsame Entscheidungsprozesse – könnten das Verständnis, die Selbstwirksamkeit und letztlich die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nachhaltig verbessern.

 

Referenzen:

 

  1. Melanie A Gunawardene, Kyoung-Ryul Julian Chun, PULSE survey: Population Survey on Knowledge, Gaps and Perception of Heart Rhythm disorders—an initiative of the Scientific Initiatives Committee of the European Heart Rhythm Association, EP Europace, Volume 27, Issue 4, April 2025, euaf032, https://doi.org/10.1093/europace/euaf032
Diese Seite teilen