CCTA überzeugt als initialer Screeningtest

 

ESC-Kongress 2024 | SCOT HEART: In der randomisierten SCOT-HEART-Studie wurde der Effekt der koronare-CT-Angiographie (CCTA) auf die Diagnosestellung, das therapeutische Management und das Outcome bei Patientinnen und Patienten mit stabilem Thoraxschmerz und Verdacht auf eine KHK untersucht. Auf dem diesjährigen ESC in London wurden die 10-Jahres-Daten dieser bedeutenden Studie von Prof. Michelle Williams (University of Edinburgh) präsentiert.1 

Von:

Prof. Michaela Hell

Stellvertretende Sprecherin AG24  

 

Prof. Christian Tesche

Sprecher der AG24

 

14.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Iakov Kalinin / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Die koronare-CT-Angiographie (CCTA) hat sich als nicht-invasives Bildgebungsverfahren zur Beurteilung des Vorliegens und der Schwere einer koronaren Herzkrankheit (KHK) bei symptomatischen Patientinnen und Patienten mit einer geringen bis mittleren Vortestwahrscheinlichkeit etabliert. Zu Beginn dieses Jahres hat der gemeinsame Bundesausschuss entschieden, dass das Koronar-CT zur Diagnostik einer chronischen KHK Bestandteil der Gesundheitsversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird. Als Grundlage für diese Bewertung wurden unter anderem mehrere große multizentrische Studien (u.a. SCOT-HEART, PROMISE, DISCHARGE)2-4 herangezogen, die die hohe diagnostische Aussagekraft und den prognostischen Nutzen dieser Methode aufzeigen.

 

Als großer Vorteil gegenüber anderen nicht-invasiven Verfahren ermöglicht die CCTA eine Risikostratifizierung, indem auch Patientinnen und Patienten mit nicht obstruktiver KHK identifiziert werden, und die Plaque-Beschaffenheit beurteilt werden kann. Dies erlaubt die gezielte Einleitung weitergehender diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen.


Die SCOT-HEART-Studie gilt dabei als Meilenstein-Studie, welche die Rolle der CCTA bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine KHK entscheidend vorangetrieben und auch Einfluss auf die aktuellen Leitlinien zum chronischen Koronarsyndrom genommen hat, welche für die CCTA eine Klasse-1-Empfehlung vorsehen.

Methodik der Studie

 

Die SCOT-HEART-Studie (Scottish Computed Tomography of the Heart) ist eine multizentrische randomisierte Studie, die den Effekt der CCTA auf die Diagnosestellung, das therapeutische Management und das Outcome bei Patientinnen und Patienten mit stabilem Thoraxschmerz und Verdacht auf eine KHK untersucht.6 Die Studie erfolgte an 12 kardiologischen Kliniken in Schottland mit einem Einschlusszeitraum von November 2010 bis September 2014, die CT-Untersuchungen wurden an 3 Zentren durchgeführt.

 

Es wurden insgesamt 4.146 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren eingeschlossen, u.a. auch solche mit Adipositas, einem hohen Kalzium-Score und Vorhofflimmern. Bei allen Patientinnen und Patienten wurde eine Basis-Evaluation (Anamnese, klinische Untersuchung und überwiegend Belastungs-EKG) durchgeführt. Die Randomisierung erfolgte in einen Kontrollarm (n = 2.073, Standard Care) und einen CCTA-Arm. Die anschließende Einleitung therapeutischer Maßnahmen erfolgte unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen.

 

Im Kontroll-Arm wurde der validierte schottische ASSIGN-Score zur Risikoeinschätzung herangezogen, der u.a. auch Faktoren wie soziale Deprivation oder familiäre Vorgeschichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließt. In der CCTA-Gruppe wurden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte dazu aufgefordert, auch die Ergebnisse der CT-Untersuchung für das therapeutische Management zu berücksichtigen.


Als primärer diagnostischer Endpunkt der Studie wurde die diagnostische Sicherheit von Patientinnen und Patienten mit Angina pectoris als Folge einer KHK nach 6 Wochen gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Diagnose und den Behandlungsplan überprüft unter Einbeziehung aller verfügbaren Informationen, einschließlich des CCTA-Berichts (CCTA-Arm) oder des ASSIGN-Scores (Kontroll-Arm). Als präventive Therapie wurde ASS und Statin definiert. Zudem wurde als 5-Jahres-Endpunkt die Kombination von Tod durch KHK oder das Auftreten eines nicht-tödlichen Myokardinfarktes untersucht.

Bisherige publizierte 2-Jahres- und 5-Jahres-Ergebnisse der Studie

 

Die 2- und 5-Jahresdaten der Studie wurden 2015 und 2022 hochkarätig im Lancet und im New England Journal of Medicine publiziert.3,6 Nach 2 Jahren erfolgte in der CCTA-Gruppe in 25 % eine Reklassifizierung der Diagnose, in 15 % eine Änderung der geplanten Untersuchung und in 23 % eine Änderung in der Behandlung. Dies unterschied sich signifikant von der Kontroll-Gruppe (1 %, 1 % und 5 %, alle p < 0,001).

 

Nach 5 Jahren zeigte sich in der CCTA-Gruppe eine deutlich geringere Rate des gemeinsamen Endpunktes aus Tod aufgrund einer KHK oder eines nicht-tödlichen Myokardinfarkts im Vergleich zur Standardbehandlung allein. Während die Raten für eine invasive Koronarangiographie und Koronarrevaskularisation in den ersten Monaten in der CCTA-Gruppe im Vergleich zur Standardbehandlung alleine noch erhöht waren, waren diese nach 5 Jahren vergleichbar. Ein signifikanter Unterschied zeigte sich dagegen bei der Rate an präventiven und antianginösen Therapien, welche in der CCTA-Gruppe deutlich höher lag: OR 1,40; 95%-KI (1,19-1,65) sowie OR 1,27; 95%-KI (1,05-1,54).

Aktuelle 10-Jahres-Ergebnisse

 

Nach 10 Jahren Nachbeobachtung liegen nun auch Langzeitergebnisse der Studie vor. Prof. Williams zeigte in ihrer Präsentation beim ESC 2024 in London eine nachhaltige 10-Jahres-Reduktion des gemeinsamen Endpunktes für Patientinnen und Patienten, die initial ergänzend zur Standardbehandlung eine CCTA erhalten hatten. Dieser Endpunkt aus Tod durch KHK oder Auftreten eines nicht-tödlichen Myokardinfarktes trat in der CCTA-Gruppe im Vergleich zur Kontroll-Gruppe signifikant seltener auf (n = 137; 6,6 % vs. n = 171; 8,2 %, HR 0,79, 95%-KI [0,63-0,99]; p = 0,043). Dies war in erster Linie auf eine Verringerung der nicht-tödlichen Myokardinfarkte zurückzuführen (n = 90, 4,3 % vs. n = 124, 6 %; HR 0,72, 95%-KI [0,55-0,94], p = 0,017).

In der Rate an KHK-bedingten Todesfällen (n = 60; 2,9 % vs. n = 62; 3,0 %, HR 0,97; 95%-KI [0,68-1,68]) zeigte sich kein Unterschied in den beiden Gruppen. Ebenso fand sich kein Unterschied in der Gesamtmortalität (n = 168; 8,1 % vs. n = 166; 8 %; HR 1,01; 95%-KI [0,82-1,25]) zwischen beiden Gruppen.

 

Prof. Williams führte dieses Ergebnis unter anderem auf das relativ junge Patientenalter zurück, das bei Einschluss im Mittel bei 57 Jahren lag.
Auch für verschiedene Subgruppen (u.a. für Alter, Geschlecht, kardiovaskuläres 10-Jahresrisiko, Symptomatik) zeigte sich für die CCTA-Gruppe ein verbessertes Outcome im Vergleich zur Kontroll-Gruppe. Zwar konnte innerhalb der Subgruppen selbst kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Armen festgestellt werden, allerdings scheinen besonders Patientinnen und Patienten mit niedrigem kardiovaskulären Risiko am stärksten von einem CCTA-gesteuerten Therapiemanagement zu profitieren. Bei Frauen zeigte sich dies am deutlichsten mit einer Hazard Ratio von 0,56 (95%-KI 0,35-0,9) für den gemeinsamen Endpunkt aus Tod durch KHK und nicht-tödlichen Myokardinfarkt; die Kaplan-Meier-Kurven beider Gruppen weisen eine kontinuierliche Separation auf. Bei Männern liegt die Hazard Ratio bei 0,89 (95%-KI 0,69-1,15); die Kurven verlaufen hier über den 10-Jahresbeobachtungszeitraum deutlich paralleler. Auch hier zeigt sich bei beiden Geschlechtern, dass der gemeinsame Endpunkt v.a. durch das geringe Auftreten von nicht-tödlichen Myokardinfarkten bedingt wird. Als eine mögliche Erklärung für den stärkeren Benefit bei Frauen führt Prof. Williams an, dass durch die CCTA bei Frauen häufiger die Diagnose einer KHK ausgeschlossen werden konnte und häufiger eine Reklassifikation erfolgte im Vergleich zu einer Risiko-Score-basierten Einschätzung.


Betrachtet man das Therapiemanagement der beiden Gruppen über den 10-Jahres-Nachbeobachtungszeitraum, so erhielten Patientinnen und Patienten mit einer CT-Bildgebung häufiger präventive Medikamente (ASS und Statin) und nahmen diese auch nach 10 Jahren mit größerer Wahrscheinlichkeit noch ein. Dagegen konnte kein Unterschied in der Durchführung einer invasiven Koronarangiografie (n = 524; 25% vs. n = 551; 27%, HR 0,95; 95%-KI [0,85-1,07]; p = 0,435) oder einer Koronarrevaskularisation (n = 313; 15 % vs. n = 317; 15 %, HR 1,0; 95%-KI [0,85-1,17]; p = 0,977) zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden.

Zusammenfassung und Ausblick

 

Die SCOT-HEART-Studie zeigt, dass die ergänzende Durchführung einer CCTA zu „Standard Care“-Maßnahmen die Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit stabilen Brustschmerzen maßgeblich verändert und vor allem die Rate an nicht-tödlichen Myokardinfarkten langfristig reduziert. Bei den Patientinnen und Patienten mit einer CCTA wird häufiger eine präventive Therapie eingeleitet und auch angenommen.
Voraussichtlich ab Januar 2025 werden wir auch in Deutschland die Koronar-CT zur Diagnostik einer chronischen KHK als Bestandteil der kassenärztlichen Gesundheitsversorgung zur Verfügung haben. Aus der SCOT-HEART-Studie sollten wir als behandelnde Kardiologinnen und Kardiologen vor allem mitnehmen, dass wir die Patientinnen und Patienten mit nicht-obstruktiver KHK dahingehend aufklären, dass gezielt präventive Maßnahmen ergriffen werden und eine Therapieadhärenz sichergestellt wird, um zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern.

Zur Autorin

Prof. Michaela Hell

Prof. Michaela Hell ist Leitende Oberärztin am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bei der DGK ist sie als stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe 24 Cardio-CT tätig.

Zum Autor

Prof. Christian Tesche

Prof. Christian Tesche ist Leitender Oberarzt und Leiter des Herzkatheterlabors an der Augustinum Klinik München. Neben der kardialen Bildgebung liegt sein Schwerpunkt auf der interventionellen Kardiologie mit besonderem Fokus auf strukturelle Herzerkrankungen. Bei der DGK ist er als Sprecher der Arbeitsgruppe 24 Cardio-CT tätig.


Referenzen

 

  1. Michelle C Williams. Coronary CT angiography guided management of patients with stable chest pain: 10-year outcomes from the SCOT HEART trial. ESC Congress 2024.
  2. Group DT et al. CT or Invasive Coronary Angiography in Stable Chest Pain. N Engl J Med. 2022;386(17):1591-602.
  3. Investigators S-H, Newby DE, Adamson PD, Berry C, Boon NA, Dweck MR, et al. Coronary CT Angiography and 5-Year Risk of Myocardial Infarction. N Engl J Med. 2018;379(10):924-33.
  4. Hoffmann U et al. Prognostic Value of Noninvasive Cardiovascular Testing in Patients With Stable Chest Pain: Insights From the PROMISE Trial (Prospective Multicenter Imaging Study for Evaluation of Chest Pain). Circulation. 2017;135(24):2320-32.
  5. Vrints C et al. 2024 ESC Guidelines for the management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J. 2024;45(36):3415-537.
  6. Investigators S-H. CT coronary angiography in patients with suspected angina due to coronary heart disease (SCOT-HEART): an open-label, parallel-group, multicentre trial. Lancet. 2015;385(9985):2383-91.

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