Reduktion von Vorhofflimmern und Symptom-Verbesserung durch Ablation nachgewiesen

 

ESC-Kongress 2024 | SHAM-PVI: In der Hot Line Session 10 beim ESC in London wurden neue Erkenntnisse präsentiert, ob eine Pulmonalvenenisolation (PVI) zur Behandlung symptomatischen Vorhofflimmerns einen Placebo-Effekt haben könnte1,2. Im Vergleich zum Scheinverfahren mit doppelter Verblindung wurde die PVI herausgefordert.

Von:

Dr. Melanie Gunawardene

Senior-Editor; AGEP-Nukleus

 

04.09.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Iakov Kalinin / Shutterstock.com

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Um eine langfristige Rhythmuskontrolle und einen stabilen Sinusrhythmus zu erzielen, empfehlen die ebenfalls beim ESC vorgestellten neuen Vorhofflimmer-Leitlinien von 2024 die Durchführung einer Katheterablation bei selektionierten Patientinnen und Patienten mit einer Klasse-I-Empfehlung3. In zahlreichen randomisierten, multizentrischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Katheterablation mittels PVI einer antiarrhythmischen Medikation bezüglich der Freiheit von Vorhofflimmern und Verbesserung der Lebensqualität überlegen ist4-6. Die PVI wurde bislang jedoch nicht gegen eine Scheinprozedur verglichen, um mögliche Placeboeffekte der Therapie zu untersuchen. 

 

In der hier vorgestellten SHAM-PVI-Studie wurde geprüft, ob die PVI im Vergleich zu einer Scheinprozedur effektiver ist, die Vorhofflimmerlast der Patientinnen und Patienten zu reduzieren.

Methodik der Studie

 

Die SHAM-PVI-Studie ist eine doppel-blinde, placebo-kontrollierte, randomisierte Studie, die von Januar 2020 bis März 2024 in 2 Zentren (UK) durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden Patientinnen und Patienten mit symptomatischem, paroxysmalem sowie persistierendem Vorhofflimmern nach gescheiterter antiarrhythmischer Medikation. Ausgeschlossen wurden Patientinnen und Patienten mit langanhaltend persistierendem Vorhofflimmern (>12 Monate), vorheriger Katheterablation, Dilatation des linken Vorhofs > 5,5 cm oder einer nachgewiesenen reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion < 35 %. Die Patientinnen und Patienten wurden im Verhältnis 1:1 stratifiziert randomisiert und unterzogen sich entweder einer PVI mit dem Cryoballon oder einer Scheinprozedur, in welcher lediglich der Nervus phrenicus stimuliert wurde, jedoch keine Ablation erfolgte. In beiden Studienarmen wurden die Patientinnen und Patienten, die sich im Vorhofflimmern präsentierten, während der Prozedur elektrisch kardiovertiert. Bei allen Patientinnen und Patienten wurde ein Eventrekorder implantiert, um kontinuierlich den Herzrhythmus und so die Vorhofflimmer-Last (prozentualer Anteil im Vorhofflimmern) zu detektieren. Den Eventrekorder erhielten die Patientinnen und Patienten bereits vor der Prozedur, um die Vorhofflimmerlast vor Intervention zu bestimmen.

 

Die antiarrhythmische Medikation wurde vor Intervention (PVI oder Scheinprozedur) beendet (Amiodaron 8 Wochen zuvor; weitere Antiarrhythmika 5 Halbwertszeiten vorher). Sowohl die Patientinnen und Patienten selbst, als auch die nachbehandelnden Ärztinnen und Ärzte waren bezüglich der erfolgten Intervention verblindet.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Vorhofflimmerlast nach 6 Monaten (ausgenommen der 3 Monate Blanking-Periode). Die sekundären Endpunkte waren Lebensqualität, Zeit bis zum Auftreten des Rezidivs und Sicherheit.

Ergebnisse von SHAM-PVI

 

Es wurden 126 Patientinnen und Patienten in der SHAM-PVI-Studie randomisiert (mittleres Alter 66,8 Jahre, 71 % männlich, 79 % mit persistierendem Vorhofflimmern). Die absolute Differenz der Vorhofflimmerlast von Beginn der Studie bis zum 6-Monats-Follow-up lag bei 60,31 % in der Ablationsgruppe und bei 35 % in der Scheinprozedur-Gruppe (geometrisches Mittel Differenz 0,25; 95%-KI 0,15–0,42; P < 0,001). Die PVI führte sowohl bei Patientinnen und Patienten mit paroxysmalem als auch persistierendem Vorhofflimmern zu einer effektiveren Reduktion der Vorhofflimmerlast. Ebenso zeigten sich die Symptome sowie die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten im Ablationsarm substanziell mehr verbessert als nach Scheinprozedur. Es kam zu keinen schwerwiegenden periprozeduralen Komplikationen (eine Aortenfehlpunktion im Ablationsarm ohne nachfolgende Konsequenzen). Ein Patient der Scheingruppe verstarb 2 Monate nach der Ablation an einer intrakraniellen Blutung. Es gab während des Studienzeitraums keinen Crossover. Nach Ende der Nachsorge, erhielten dann jedoch 58 von 61 Patientinnen und Patienten aus dem „Sham“-Arm eine Katheterablation.

Limitationen

 

Die Fallzahl der Studie ist mit 126 Patientinnen und Patienten gering, ebenso der Nachsorgezeitraum von 6 Monaten. Es wurde zudem keine transseptale Punktion bei den Patientinnen und Patienten des Scheinarms durchgeführt. Denkbar wäre, dass der iatrogene ASD, der durch die transseptale Punktion entstehen kann, zu einer Reduktion der Symptomatik, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche und erhaltener Pumpfunktion führen könnte.

Fazit

 

Die Daten der SHAM-PVI-Studie sind überzeugend: Die Pulmonalvenenisolation hat keinen Placeboeffekt und stellt eine effektive Behandlung des Vorhofflimmerns bereit. Es konnte gezeigt werden, dass die Reduktion der Vorhofflimmerlast im klaren Zusammenhang mit der Verbesserung der Symptome der Patientinnen und Patienten steht.

Zur Autorin

Dr. Melanie Gunawardene

Dr. Melanie Gunawardene ist Oberärztin in der Abteilung Kardiologie und Internistische Intensivmedizin an der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg. Ihr Schwerpunkt liegt auf klinischer Elektrophysiologie, insbesondere auf neuen Ablationsstrategien, Vorhofflimmern und Pulsed Field Ablation. Sie gehört zum Nukleus der DGK-Arbeitsgruppe 1 Elektrophysiologie und Rhythmologie (AGEP).

Referenzen

 

  1. Dulai, R. (UK) ‘SHAM-PVI - A randomised sham-controlled study of pulmonary vein isolation in symptomatic atrial fibrillation’. Hot Line 10, ESC-Kongress 2024, London.
  2. Dulai R, Sulke N, Freemantle N, Lambiase PD, Farwell D, Srinivasan NT, Tan S, Patel N, Graham A, Veasey RA. Pulmonary Vein Isolation vs Sham Intervention in Symptomatic Atrial Fibrillation The SHAM-PVI Randomized Clinical Trial. JAMA. 2024;1–9. 
  3. Van Gelder IC, Rienstra M, Bunting K V, Casado-Arroyo R, Caso V, Crijns HJGM, De Potter TJR, Dwight J, Guasti L, Hanke T, Jaarsma T, Lettino M, Løchen M-L, Lumbers RT, Maesen B, Mølgaard I, Rosano GMC, Sanders P, Schnabel RB et al. 2024 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J. 2024 Aug; 
  4. Andrade JG, Wells GA, Deyell MW, Bennett M, Essebag V, Champagne J, Roux J-F, Yung D, Skanes A, Khaykin Y, Morillo C, Jolly U, Novak P, Lockwood E, Amit G, Angaran P, Sapp J, Wardell S, Lauck S et al. Cryoablation or Drug Therapy for Initial Treatment of Atrial Fibrillation. N Engl J Med. 2021;384(4):305–15. 
  5. Packer DL, Mark DB, Robb RA, Monahan KH, Bahnson TD, Poole JE, Noseworthy PA, Rosenberg YD, Jeffries N, Mitchell LB, Flaker GC, Pokushalov E, Romanov A, Bunch TJ, Noelker G, Ardashev A, Revishvili A, Wilber DJ, Cappato R et al. Effect of Catheter Ablation vs Antiarrhythmic Drug Therapy on Mortality, Stroke, Bleeding, and Cardiac Arrest among Patients with Atrial Fibrillation: The CABANA Randomized Clinical Trial. JAMA - J Am Med Assoc. 2019;321(13):1261–74. 
  6. Kuniss M, Pavlovic N, Velagic V, Hermida JS, Healey S, Arena G, Badenco N, Meyer C, Packer DL, Pitschner H, Asmundis C De, Willems S. Cryoballoon ablation vs . antiarrhythmic drugs : first-line therapy for patients with paroxysmal atrial fibrillation. Europace. 2021;23:1033–41. 

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