NSTEMI: Kompletter Verschluss der Infarktarterie ist ein ungünstiges Zeichen

Auch bei einem Myokardinfarkt ohne ST-Hebung im EKG (Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt, NSTEMI) kann einer kompletter Verschluss der infarktrelevanten Koronararterie vorliegen. In diesem Fall ist von einem erhöhten Risiko für die Patienten auszugehen, wie Ergebnisse einer neuen Metaanalyse nahelegen.

Von Peter Overbeck

 

09.08.2017

Koronarverschlüsse in 25,5% aller Fälle

Eine Forschergruppe um Dr. Deepak Bhatt von der Harvard Medical School in Boston hat jetzt erstmals in einer Metaanalyse die prognostischen Auswirkungen kompletter Koronarverschlüsse bei NSTEMI-Patienten genauer unter die Lupe genommen. Nach einer umfangreichen Literaturrecherche haben die Untersucher dazu die Daten aus sieben Beobachtungsstudien mit insgesamt 40.777 Patienten herangezogen.

 

Von diesen NSTEMI-Patienten wiesen 10.415 (25,5%) komplette Koronarverschlüsse aus, die zu 40% in der rechten Herzkranzarterie und zu 33% im Ramus circumflexus lokalisiert waren. Bei der klinischen Abschätzung eines erhöhten Risikos (Killip-Klassifikation III/IV) ergaben sich zu Beginn keine Unterschiede zwischen den Subgruppen mit und ohne komplettem Koronarverschluss. Das änderte sich allerdings in der Folgezeit.

Persistierende ST-Hebungen im EKG sprechen für einen Myokardinfarkt mit komplettem Verschluss einer Koronararterie (ST-Hebungs-Myokardinfarkt, STEMI), die rasch etwa mittels perkutaner  Koronarintervention (PCI) wiedereröffnet werden muss. Bei einem NSTEMI fehlt dieser direkte diagnostische Hinweis im EKG, hier führen primär erhöhte kardiale Biomarker zur richtigen Diagnose. Zudem kann es zu dynamischen EKG-Veränderungen wie ST-Senkungen und T-Wellen-Alterationen kommen.

 

In der Praxis hat sich gezeigt, dass auch bei einer Minderheit unter den Patienten mit NSTEMI koronarangiografisch einer kompletter Verschluss der Infarktarterie vorliegen kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die rechte Herzkranzarterie und der Ramus circumflexus (RCX) am Infarktgeschehen beteiligt sind. Bei diesen Patienten besteht die Gefahr, dass es aufgrund der fehlenden ST-Hebung im EKG bezüglich der Revaskularisation zu Verzögerungen oder sogar zum Verzicht kommen kann.

Risiko auch langfristig höher

Schon auf kurzfristige Sicht (innerhalb der ersten 30 Tage) unterlagen Patienten mit komplettem Gefäßverschluss einem relativ um 41% höheren Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse (major adverse cardiac events, MACE). Der Unterschied war signifikant (p = 0,0003). Auch die Gesamtmortalität war bei ihnen bereits in dieser frühen Phase signifikant um 67% höher (p = 0.001).

 

Auch auf mittlere und längere Sicht stellten die Untersucher bezüglich MACE eine relative Risikoerhöhung um 32% (p = 0,001) und bezüglich Gesamtmortalität eine relative Risikoerhöhung um 42% (p = 0,01) fest.

 

Einige der analysierten Studien boten zudem Anhaltspunkte dafür, dass bei NSTEMI-Patienten mit Verschlüssen das Ausmaß der Myokardschädigung – gemessen an der Biomarker-Erhöhung – größer und die linksventrikuläre Auswurffraktion im Schnitt niedriger war als bei Patienten ohne Verschlüsse.

Bessere Risikostratifizierung nötig

Patienten mit NSTEMI und komplettem Koronarverschluss bilden nach diesen Ergebnissen eine besondere Risikogruppe, die möglichst früh erkannt werden sollte – was allerdings auf Basis klinischer und elektrokardiografischer Kriterien schwierig sein dürfte.

 

Die Studienautoren sehen deshalb einen Bedarf an besseren Methoden zur Risikostratifizierung, um diese Patienten frühzeitig identifizieren und einer Revaskularisation zuführen zu können, von der sie möglicherweise prognostisch profitieren. In den analysierten Studien verging noch eine relativ lange Zeit, bis es zu einer invasiven  Behandlung kam - im Mittel waren es mehr als 24 Stunden.


Literatur

Khan A.R.: Impact of total occlusion of culprit artery in acute non-ST elevation myocardial infarction: a systematic review and meta-analysis. European Heart Journal 2017, online 7. August, ehx418, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx418

Das könnte Sie auch interessieren

Betablocker nach Herzinfarkt: Neue Studie soll endlich Klarheit schaffen

Dass Betablocker nach Herzinfarkt von klinischem Nutzen sind, haben Studien gezeigt, die schon Jahrzehnte alt sind. Darüber, ob deren Ergebnisse im Kontext der modernen Postinfarkttherapie noch Bestand haben, herrscht Unsicherheit. Eine große Studie soll nun für Klarheit sorgen.

Neue Hypertonie-Leitlinien: Wie Patienten mit Bluthochdruck heute behandelt werden sollten

Mit der Mitte 2018 erfolgten Aktualisierung der ESC-Hypertonie-Leitlinien sind wichtige praxisrelevante Neuerungen im Management von Patienten mit Bluthochdruck eingeführt worden. Sie waren auch Thema bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) 2019 in Mannheim.

50-Jähriger mit wiederholtem Brustschmerz – keine Stenose, sondern?

Dass Betablocker nach Herzinfarkt von klinischem Nutzen sind, haben Studien Ein 50-jähriger Patient wird wegen Brustschmerz und Ohnmachtsanfällen vorstellig. Eine ausgeprägte Stenose können die Kardiologen in der Koronarangiografie allerdings nicht feststellen. Stattdessen finden sie einen auffälligen Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum des Mannes.

Diese Seite teilen