Interventionelle Therapie der Lungenembolie

 

Die Therapie der Lungenembolie entwickelt sich rasant. Neben den klassischen medikamentösen Möglichkeiten durch die Antikoagulation bei Betroffenen ohne hämodynamische Relevanz und die Lysetherapie bei Patientinnen und Patienten im Schock, wird zunehmend die interventionelle Therapie in Betracht gezogen. Welches Verfahren für welche Personen und zu welchem Zeitpunkt der Standard wird, muss durch Daten eruiert werden. 

Von:

Prof. Christos Rammos

Herausgeber der Rubrik Angiologie

 

18.03.2024

 

Bildquelle (Bild oben): ustas7777777 / Shutterstock.com

Von der Innovation zur Evidenz

 

Die akute Lungenarterienembolie (LAE) ist nach dem Herzinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste kardiovaskuläre akute Erkrankung. Die jährliche Inzidenzrate liegt bei ca. 100 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner. Daten des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die LAE-bezogene Sterblichkeitsrate zwar sinkt, für das Jahr 2015 dennoch eine Mortalitätsrate von etwa 14 % bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten festgestellt wurde. Um die Akuttherapie von LAE-Patientinnen und -Patienten zu verbessern, werden in Krankenhäusern zunehmend multidisziplinäre LAE-Teams (Pulmonary Embolism Response Team, PERT) eingerichtet, meist bestehend aus den Fachrichtungen Kardiologie, Angiologie, Radiologie, Herzchirurgie und Intensivmedizin. Standardisierte Behandlungspfade und SOPs sowie eine interdisziplinäre Entscheidungsfindung begünstigt die bestmögliche Therapieauswahl.

 

Risikostratifizierung im Vordergrund

 

Für die Auswahl der LAE-Therapie sollten Patientinnen und Patienten nach ihrem Risiko für die Krankenhaussterblichkeit (niedriges, mittleres oder hohes Risiko) stratifiziert werden. Die Kriterien finden sich teilweise im PESI-Score (Pulmonary Embolism Severity Index) wieder, wobei auch weitere Parameter wie die kardialen Biomarker Troponin und NT-proBNP, die Rechtsherzfunktion, das Lactat oder auch die hämodynamische Relevanz durch die aktuellen Leitlinien und Positionspapiere zur Klassifizierung herangezogen werden sollten. Basierend auf diesen Kriterien wird die weitere Behandlungsstrategie festgelegt. 

Grundlegender Baustein der Therapie ist, dass allen Patientinnen und Patienten eine Antikoagulation empfohlen wird. Diese wird meist mittels Heparinen oder mittels direkter oraler Antikoagulantien durchgeführt, wobei bei hämodynamischer Instabilität zusätzlich die zeitnahe Reperfusionstherapie indiziert ist. 

 

Patientinnen und Patienten mit niedrigem Risiko können jedoch auch frühzeitig entlassen oder ambulant geführt werden, eine Entscheidungshilfe bieten diesbezüglich die Hestia-Kriterien. Patientinnen und Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko sollten zunächst entsprechend hospitalisiert werden. Nicht selten ist auch bei intermediärem Risiko eine Überwachung auf einer Überwachungsstation sinnvoll, wenn die Gefahr einer hämodynamischen Dekompensation als hoch eingeschätzt wird. Mittel- und langfristig ist die Intermediär- bzw. Hochrisikogruppe weiterhin durch eine erhebliche Morbidität und Mortalität gekennzeichnet.   

Gerade für Patientinnen und Patienten mit intermediärem Risiko wurden mehrere perkutane Interventionstechnologien entwickelt, die die Prognose in dieser Population zu verbessern versprechen. In den zuletzt publizierten Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wird eine kathetergestützte Intervention empfohlen, wenn trotz Antikoagulation eine Verschlechterung eintritt oder eine Lysetherapie kontraindiziert oder nicht erfolgreich ist (Klasse IIa). 

 

Datenlage interventionelle Therapieverfahren 

 

Ishisaka und Kollegen konnten in einer Metaanalyse von 11 RCTs und 42 observationalen Studien mit insgesamt 157.454 Intermediär- und Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten belegen, dass die kathetergestützten Verfahren mit einer niedrigeren in-hospital Mortalität verbunden sind als die systemische Thrombolyse (OR 0,41 [0,31−0,55]), als die Antikoagulation (OR [95%-KI]: 0,33 [0,20−0,53]) und auch als die chirurgische Embolektomie (OR [95%-KI]: 0,61 [0,39−0,96]).

 

In den einzelnen bisher durchgeführten RCTs konnte eine Reduktion der Mortalität jedoch bislang nicht nachgewiesen werden, auch wenn eine Verbesserung hämodynamischer Parameter in der Akutphase der LAE eine Prognoseverbesserung suggeriert. Für die ultraschallassistierte kathetergestützte lokale Lyse (CDT) liegen neben retrospektiven Kohortenstudien einige RCTs vor. In der Ultima-Studie wurden 59 LE-Patientinnen und -Patienten mit intermediär-hohem Risiko eingeschlossen. Im Vergleich zur alleinigen therapeutischen Antikoagulation (n = 59), zeigte sich eine Verbesserung der hämodynamischen Parameter nach der ultraschallassistierten CDT mit Applikation von 10 mg rt-PA über 15 h pro betroffener Lungenseite mit einer Reduktion der RV/LV-Ratio innerhalb von 24 h um 0,30 vs. 0,03 (p < 0,001), während die alleinige Heparinisierung keinen Effekt auf die RV/LV-Ratio zeigte.

In der einarmigen Flare-Studie konnte nach mechanischer Thrombektomie bei 106 Intermediärrisiko-Patientinnen und -Patienten eine Änderung der RV/LV Ratio um 25,1 % demonstriert werden. In dem mit mehr als 800 Patientinnen und Patienten angelegten FLASH-Register konnte diese Verbesserung der RV/LV Ratio (1,23±0,36 auf 0,98±0,31; p < 0,0001) nach mechanischer Thrombektomie verifiziert werden. Interessanterweise lag die Mortalität nur bei 0,3 % nach 48 Stunden und bei 0,8 % nach 30 Tagen bei einem Kollektiv bestehend aus 76,7 % Intermediär- und 7,9 % Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten. Die Machbarkeit und Effizienz der mechanischen Thrombektomie wurde ferner bei 53 Patientinnen und Patienten mit höchstem Risiko (SCAI Shock Stage B 20,8 %; Stage C 54,7 %) in der FLAME-Studie mit sehr niedriger Moralität (1,9 %; 0,0 %–10,1 %) publiziert. 

 

Die Ergebnisse einer Metaanalyse von 12 Studien mit insgesamt 9.789 Patientinnen und Patienten deuten zunehmend ebenfalls auf eine reduzierte Krankenhausmortalität nach Einsatz einer ultraschallassistierten kathetergestützten lokalen Lyse hin: Die um 59 % reduzierte in-hospital Mortalität (RR 0,41; 95%-KI 0,30-0,56) war auch im kurzfristigen Verlauf von 30 und 90 Tagen noch evident. 

Trotz des gesteigerten Interesses an interventionellen Verfahren fehlen bislang adäquat gepowerte RCTs, die diese endovaskulären Optionen bei LE-Patientinnen und -Patienten mit intermediär-hohem Risiko mit der bisherigen medikamentösen Standardtherapie vergleichen.  

Diese Fragestellung soll in den PEERLESS II- und der HI-PEITHO-Studien beantwortet werden. In PEERLESS II wird bei 1.200 Patientinnen und Patienten mit intermediärem Risiko die alleinige Antikoagulation vs. Antikoagulation mit additiver mechanische Thrombektomie verglichen (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT06055920), während in der HI-PEITHO-Studie die alleinige Antikoagulation vs. Antikoagulation in Kombination mit der ultraschallassistierten kathetergestützten Lyse bei 544 Patientinnen und Patienten untersucht wird (NCT04790370). Die Ergebnisse beider Studien werden bei adäquatem Studiendesign die Evidenz für diese Verfahren erhärten. 

 

Welches Verfahren präferiert werden sollte, wird u.a. in der aktuell noch laufenden PEERLESS-Studie untersucht. Hier wird die mechanische Thrombektomie mit der kathetergestützten Thrombolyse bei 550 Patientinnen und Patienten verglichen. Nach 1:1 Randomisierung hämodynamisch stabiler Patientinnen und Patienten wird das Outcome hinsichtlich klinischer Verbesserung, Blutungsereignissen und Mortalität analysiert (NCT05111613). Die retrospektive REAL PE-Studie zeigte nach Analyse von 1.798 Patientinnen und Patienten gleichwertige Ergebnisse hinsichtlich der 30 Tage Wiederaufnahmerate, der in-hospital Mortalität und der postprozeduralen Zeit bis zur Entlassung. Interessanterweise war in dieser retrospektiven Studie die Blutungsrate in der mechanischen Thrombektomiegruppe sogar höher als in der Gruppe, die mit ultraschallassistierter kathetergestützter Lyse behandelt wurde (ISTH 17,2 % vs 11,0 %; p = 0,0002; BARC 3b MT 15,4 % vs USCDT 10,6 %; p = 0,002), bei jedoch älteren und häufiger an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten in der mit Thrombektomie behandelten Gruppe.   

 

Fazit

 

Zusammenfassend zeigt sich durch die bereits publizierten sowie auch aktuell noch laufenden Studien, dass die interventionelle Therapie der LAE sich extrem schnell entwickelt und eine Sicherheit und Wirksamkeit verspricht. Welches Patientenkollektiv durch welche Optionen den größten Benefit erfährt muss durch Level 1 Evidenz weiter eruiert werden. 


Referenzen

 

Wendelboe AM, Raskob GE; Global burden of thrombosis: epidemiologic aspects. CircRes 2016; 118(9):1340–1347

 

Keller K et al. Trends in thrombolytic treatment and outcomes of acute pulmonaryembolism in Germany. EurHeart J. 2019 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz236

 

Ismayl M et al. Meta-Analysis Comparing Catheter-Directed Thrombolysis Versus Systemic Anticoagulation Alone for Submassive Pulmonary Embolism. The American Journal of Cardiology 2022; 178:154–62. doi: 10.1016/j.amjcard.2022.06.004

 

Linnemann B et al. Diagnostik und Therapie der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie – AWMF-S2k-Leitlinie. Stand: 11.01.2023. Verfügbar unter: https:/register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002

 

Ishisaka Y et al. Comparison of interventions for intermediate to high-risk pulmonary embolism: A network meta-analysis. Catheter Cardiovasc Interv. 2023 Aug; 102(2):249-265. doi: 10.1002/ccd.30745. Epub 2023 Jun 3.

 

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