HERZMEDIZIN: Auch die Joint Session mit der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) haben Sie mitgeleitet. Der Titel lautete: „Augmented reality, telerobotics and 5G for surgical approaches“. Was tut sich auf diesem Gebiet?
Beyersdorf: Die robotergestützte oder roboterassistierte Herzchirurgie wird technisch immer ausgereifter und steht vor der flächendeckenden Einführung, wie auch die Vorträge der Kongresssitzung zeigten. Bisher wurde die robotergestützte Herzchirurgie allerdings in Europa zum größten Teil aus regulatorischen Gründen gebremst. So sind in den USA intrakardiale Eingriffe mit Robotern seit vielen Jahren verbreitet. In Europa hat das die MDR (Medical Device Regulation) bisher verhindert. Eine regulatorische Anpassung ist nun absehbar und für Ende 2026 erwartet; Hersteller investieren bereits in neue, deutlich weiterentwickelte herzchirurgische Robotersysteme für die EU.
Inzwischen gibt es Robotersysteme mit taktilen Fähigkeiten, sodass Widerstände für die Operierenden spürbar werden. KI unterstützt dabei, verdeckte Strukturen, wie z. B. Koronararterien unter Fett, besser zu erkennen. Immer feinere Visualisierungen und Instrumente ermöglichen „Supermicrosurgery“, wobei die Robotersysteme jeglichen Tremor unterdrücken können. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das ein geringeres chirurgisches Trauma, weniger Schmerzen und Komplikationen und damit eine schnellere Erholung. Dadurch wird sich auf Dauer auch Geld einsparen lassen. Also die Roboterchirurgie wird sich weiter durchsetzen.
Bei der 5G-Telerobotik oder „Remote Surgery“ sehe ich noch viele Fragezeichen. Bereits 2001 wurde transatlantisch erstmals ein solches Tele-Verfahren eingesetzt. 2019 folgte China. Aber es tut sich insgesamt nicht viel auf dem Gebiet. Ich bin da auch etwas skeptisch, was den Nutzen angeht. Mir würde es schlaflose Nächte bereiten, wenn ich beispielsweise von Freiburg aus in New York eine Person operiere und dann kommt es zu Nachblutungen oder Ähnlichem. Es birgt das Potenzial, das gewisse Spezialistinnen und Spezialisten irgendwo zentral sitzen können, aber Stand heute ist das im wahrsten Sinne erst mal sehr weit weg.
Ein anderes Thema der Session war noch Extended Reality bzw. Augmented Reality in der herzmedizinischen Ausbildung. Das ist schon beeindruckend, was damit alles virtuell geübt werden kann: Priming der extrakorporalen Zirkulation, Wiederbelebung (CPR), TAVI, koronare Bypass-OP (CABG). Dabei wird die Teamsituation virtuell nachgestellt und jede Person kann unterschiedliche Rollen üben. Aber auch da kommen wir zur Kostenfrage: Lohnt sich ein kostspieliges Simulationssystem oder reicht z. B. auch eine Trainingspuppe? Also da müssen wir hinkommen: Mit KI und digitalen Systemen die Kosten im Gesundheitswesen tatsächlich senken. Aber da waren sich auch alle einig, dass die Kostenreduktion auf Dauer gelingen wird.