Antikoagulation nach intrazerebraler Blutung – die Wahl zwischen Pest und Cholera

 

International Stroke Conference 2025 | PRESTIGE-AF: In der Phase-3-Studie mit 319 Patientinnen und Patienten mit intrazerebralen Blutungen (ICB) und VHF wurde der Nutzen der Antikoagulation mit NOAK untersucht. Die Studie wurde am 07.02.2025 auf der International Stroke Conference (ISC) in Los Angeles von Prof. Roland Veltkamp vorgestellt.

 

Von:

 

Rubrikleiter Herz und Hirn

Prof. Rolf Wachter

Universitätsklinikum Leipzig

 

17.02.2025

Hintergrund und Zielsetzung

 

Aus Meta-Analysen war bereits bekannt, dass eine Antikoagulation bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern das Schlaganfallrisiko reduziert. Ob bei Z. n. intrazerebraler Blutung auch das Risiko einer erneuten Blutung unter einer Antikoagulation ansteigt, war bisher nicht gut untersucht. Die Studie PRESTIGE-AF hatte 2 primäre Studienziele: a) Die Überlegenheit einer Antikoagulation im Vergleich zu keiner Antikoagulation in Bezug auf das Risiko ischämischer Schlaganfälle und b) Die Nicht-Unterlegenheit einer Antikoagulation in Bezug auf das Risiko einer erneuten intrazerebralen Blutung zu zeigen.

Studiendesign

 

PRESTIGE-AF war eine prospektive randomisierte offene Studie mit verblindeter Endpunktbewertung. Im Interventionsarm konnten alle in Deutschland zugelassenen direkten Antikoagulanzien eingesetzt werden (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban). Im Kontrollarm war es den Studienzentren freigestellt, ob ein Thrombozytenaggregationshemmer gegeben wurde oder nicht.

Ergebnisse

 

319 Patientinnen und Patienten wurden innerhalb von 4,5 Jahren an 63 Studienzentren in Europa randomisiert. 158 Patientinnen und Patienten wurden einer Antikoagulation zugelost, 161 wurden ohne Antikoagulation behandelt. Das mittlere Alter betrug 79 Jahre und 35 % waren weiblich. Die intrazerebralen Hämatome waren mit 3,7 ml im Mittel relativ klein. Während einer mittleren Nachverfolgungszeit von 1,4 Jahren traten im Antikoagulationsarm bei 0,8 %/Jahr der Patientinnen und Patienten ischämische Schlaganfälle auf, im Kontrollarmarm bei 8,6 %/Jahr. Die Number Needed to Treat (NNT) lag bei 13 behandelten Patienten/Jahr, um einen Schlaganfall zu verhindern. Eine erneute intrazerebrale Blutung trat bei 5,0 %/Jahr der Patientinnen und Patienten im Antikoagulationsarm auf und bei 0,8 %/Jahr im Kontrollarm. Die Number Needed to Harm lag damit bei 24 behandelten Patienten/Jahr, die eine zusätzliche intrazerebrale Blutung erlitten. Die Nicht-Unterlegenheit einer Antikoagulationstherapie für erneute intrazerebrale Blutungen konnte damit nicht gezeigt werden.

Limitationen

 

Aus kardiologischer Sicht fehlt die vermutlich sinnvollste Strategie für diese Patientengruppe, die Implantation eines Vorhofohrverschlusses anstelle einer Antikoagulation. 11 Patientinnen und Patienten (n=7 Kontrollarm, n=4 Antikoagulationsarm) erhielten einen Vorhofohrverschluss, bei dieser kleinen Patientenzahl ist zum Vorhofohrverschluss keine solide Aussage möglich.

Fazit

 

Die klinische Situation bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern, die eine intrazerebrale Blutung erlitten haben, aber auch eine Indikation zur Antikoagulation aufweisen, bleibt unbefriedigend. Ohne Antikoagulation ist das Risiko eines ischämischen Schlaganfalles mit 8 %/Jahr nicht akzeptierbar hoch, mit Antikoagulation muss ein Preis von 5 %/Jahr intrazerebralen Blutungen bezahlt werden. 

Kommentar

 

Bei Patientinnen und Patienten nach intrazerebraler Blutung mit Indikation zur Antikoagulation hat der behandelnde Arzt und die Betroffenen die Wahl zwischen Pest (ischämischer Schlaganfall) und Cholera (erneute intrazerebrale Blutung). Vor diesem Hintergrund erscheint der interventionelle Vorhofohrverschluss eine sinnvolle Therapie für diese Patientengruppe. Aktuell läuft zu dieser Fragestellung die aus Jena kommende CLEARANCE-Studie (NCT04298723), die bei Patientinnen und Patienten nach intrazerebraler Blutung den Vorhofohrverschluss mit einer oralen Antikoagulation vergleicht.

Zum Autor

Prof. Rolf Wachter

Prof. Rolf Wachter ist stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Seine klinische Tätigkeit umfasst die gesamte Kardiologie mit Schwerpunkten in der interventionellen Kardiologie und der Herzinsuffizienz. Zusätzlich nimmt er diverse Funktionen in wissenschaftlichen Fachgesellschaften wahr. (Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig)

Referenz

Veltkamp R et al. Late breaking Clinical Trials International Stroke Conference Feb 7th, 2025. The manuscript has been accepted for publication in a major medical journal. 

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