Biomarker zur Prognose der Anthrazyklin-bedingten Kardiotoxizität

 

ASCO 2025: Anthrazykline zählen zu am häufigsten eingesetzten Krebsmedikamenten, sind aber auch mit einem erhöhten Risiko für eine Herzdysfunktion verbunden. In einer retrospektiven Studie, vorgestellt von Dr. Mohammed Al-Jumayli (Tampa, Florida) wurde untersucht, ob sich die DNA-Methylierungsmuster des biologischen Alters und Leukozytenprofile vor Beginn der Chemotherapie als Prädiktoren zur Vorhersage der individuellen Anthrazyklin-bedingten Kardiotoxizität eignen.1

Von:

Dr. Heidi Schörken 

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Prof. Matthias Totzeck

Rubrikleiter Kardio-Onkologie

 

16.06.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Anthrazykline sind wirksame Chemotherapeutika zur Behandlung von Brustkrebs, bergen jedoch ein erhebliches Risiko für eine Chemotherapie-bedingte Herzdysfunktion (CTRCD). Die derzeitigen Prädiktoren für CTRCD, einschließlich demografischer und klinischer Charakteristika, reichen nicht aus, um das Risiko einzuschätzen. Zu den bekannten Risikofaktoren für Kardiotoxizität gehören ein höheres Alter, ein höherer BMI und bestehende chronische Erkrankungen. Kardiales Troponin, BNP und NT-proBNP sind zwar gute Biomarker für die Kardiotoxizität, allerdings werden diese Peptide erst freigesetzt, nachdem eine Schädigung des Herzens eingetreten ist. Prädiktoren zur Vorhersage von CTRCD vor Beginn der Chemotherapie könnten einen besseren Schutz der kardiovaskulären Gesundheit der Betroffenen ermöglichen. 


DNA-Methylierungsmuster im Blut wurden zuvor mit der Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Dabei wurden Assoziationen des kardiovaskulären Risikos sowohl mit den Methylierungsmustern des biologischen Alters (epigenetische Uhr) als auch mit den Profilen der Leukozyten beobachtet. Diese Assoziationen blieben auch nach Adjustierung an bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren bestehen, was darauf hindeutet, dass diese Profile besondere Aspekte des CVD-Risikos abbilden. 


In dieser Studie wurden die Assoziationen des CTRCD-Risikos von Brustkrebspatientinnen mit dem DNA-Methylierungsmuster der epigenetischen Uhr (DNAm) sowie mit dem Profil der zirkulierenden Leukozyten vor Beginn der Chemotherapie untersucht.

Studiendesign und Methodik

 

Eine retrospektive Kohorte von 137 neu diagnostizierten Patientinnen mit Brustkrebs, die eine Anthrazyklin-basierte Chemotherapie erhielten, wurde aus der Kohorte des Moffitt Cancer Centers (Tampa, Florida) ausgewählt. Die DNAm-Profile wurden aus Vollblutproben vor der Behandlung bestimmt. Für die Analysen wurden 6 verschiedene Modelle der epigenetischen Uhr sowie 12 zirkulierende Leukozyten-Subgruppen einbezogen. 
CTRCD-Ereignisse, die innerhalb eines Jahres nach Behandlungsbeginn auftraten, wurden anhand von Krankenakten identifiziert und entweder als LVEF-Reduktion (≥10 %) oder als symptomatische Herzinsuffizienz definiert. Die Odds Ratios (OR) für die Assoziationen wurden anhand logistischer Regressionsmodelle ermittelt, adjustiert nach chronologischem Alter und bekannten Risikofaktoren für Kardiotoxizität (u.a. Bluthochdruck, Diabetes, LVEF und kumulative Anthrazyklin-Dosis). 

Ergebnisse

 

Von 137 Patientinnen (mittleres Alter 54 Jahre) erlitten 33 (24 %) eine CTRCD innerhalb eines Jahres nach Beginn der Chemotherapie. In den Alters-adjustierten Modellen war der prozentuale Anteil der zirkulierenden naiven CD4+ T-Zellen invers und das DNA-Methylierungsmuster der epigenetischen Uhr (Horvath18 AgeAccel) positiv mit dem CTRCD-Risiko assoziiert. Diese Assoziationen erreichten allerdings keine statistische Signifikanz nach zusätzlicher Adjustierung weiterer Risikofaktoren für Kardiotoxizität. In den vollständig adjustierten Modellen war ein höherer Anteil von zirkulierenden Eosinophilen signifikant mit dem CTRCD-Risiko assoziiert (OR 1,49; 95%KI [1,02,2,24], p=0,04).

Fazit 

 

Ein höherer Prozentanteil an zirkulierenden Eosinophilen könnte als neuer Prädiktor für CTRCD bei Brustkrebspatientinnen in Betracht kommen. Eosinophile könnten zur CTRCD-Vulnerabilität beitragen durch die Förderung einer proinflammatorischen Umgebung im Herzgewebe. Weitere Studien sind erforderlich, um die Bedeutung der Eosinophilen zu klären und diese Ergebnisse zu bestätigen. Bisher ist bekannt, dass die Signalwege, die durch Monozyten oder Makrophagen vermittelt werden (einschließlich IL-6 und anderer Zytokine) eine zentrale Rolle bei der Anthrazyklin-bedingten Kardiotoxizität spielen. Die Effekte von Eosinophilen könnten einen alternativen Signalweg darstellen. Möglicherweise könnte die Kombination von DNA-Methylierungmustern und Leukozytenprofilen die Stratifizierung des CTRCD-Risikos von neu diagnostizierten Brustkrebs-Patientinnen und -Patienten in Zukunft verbessern. 

Expertenkommentar


Die frühe Identifikation von Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für Anthrazyklin-induzierte Kardiotoxizität bleibt eine wesentliche Herausforderung in der kardio-onkologischen Praxis. Die aktuellen Daten aus der retrospektiven Kohorte des Moffitt Cancer Centers bieten hier einen innovativen Ansatz, indem erstmals epigenetische Alterungsmarker und Leukozytenprofile vor Therapiebeginn als mögliche Prädiktoren für die Entwicklung einer Chemotherapie-bedingten Herzdysfunktion (CTRCD) evaluiert wurden.

Besonders interessant erscheint der Befund, dass erhöhte Anteile zirkulierender Eosinophiler mit einem signifikant gesteigerten Risiko für Kardiotoxizität assoziiert waren. Dieser Zusammenhang weist auf die potenzielle Rolle inflammatorischer Signalwege in der Pathophysiologie der Anthrazyklin-Schädigung hin, möglicherweise unabhängig von den bislang stärker diskutierten Monozyten- und Makrophagen-vermittelten Mechanismen. Auch wenn die Assoziationen der epigenetischen Alterungsmarker in den multivariaten Modellen keine statistische Signifikanz erreichten, liefern die Ergebnisse dennoch einen wertvollen Hinweis auf den möglichen Beitrag epigenetischer Veränderungen zur individuellen Vulnerabilität.

Insgesamt unterstreicht diese Arbeit die Bedeutung, zukünftig über klassische Risikofaktoren hinauszugehen und molekulare sowie zelluläre Biomarker verstärkt in die Risikostratifizierung einzubeziehen. Besonders in einem klinischen Setting, in dem die therapeutische Balance zwischen onkologischer Effektivität und kardiovaskulärer Sicherheit oftmals sehr eng ist, könnten solche Biomarker-Profile künftig helfen, Patientinnen frühzeitig gezielt zu überwachen oder kardioprotektive Maßnahmen einzuleiten. Prospektive, größere Kohortenstudien werden jedoch erforderlich sein, um diese ersten Assoziationen zu bestätigen und in die klinische Routine überführen zu können.

Zur Person

Prof. Markus Totzeck

Prof. Matthias Totzeck ist als Stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie mit Leitung des Bereichs Allgemeine- und Akutkardiologe am Universitätsklinikum Essen tätig. Innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Kardiologe engagiert er sich als stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe AG 40 Onkologische Kardiologie. Zudem ist er Mitglied der European Society of Cardiology und der Heart Failure Association. 
Bildquelle: UDE/Frank Preuß

Referenzen

  1. Al-Jumayli M et al. DNA methylation biomarkers of cardiotoxicity risk in breast cancer patients treated with anthracyclines. Symptom Science and Palliative Care; Abstract 12021 Poster Bd 41; ASCO 2025, Chicago

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