In der kardiovaskulären Primärprävention werden Patientinnen und Patienten in der Regel anhand von Risiko-Scores aufgeklärt, was für viele Betroffene abstrakt sein kann. In einer Meta-Analyse1 (6 Studien, 7083 Teilnehmende) wurde untersucht, wie effektiv eine visuelle Aufklärung ist: mittels CT-Screening auf Koronarkalk bzw. Carotis-Sonographie zur Darstellung von Plaques und der Intima-Media-Dicke. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, wo die Befunde nicht gezeigt oder erhoben wurden, verbesserte sich der Framingham-Risiko-Score (FRS) im Follow-up (1–4 Jahre) um rund 1 %. Auch bei LDL-Cholesterin, Gesamtcholesterin und systolischem Blutdruck kam es zu signifikanten Verbesserungen (p < 0,05).
In einer weiteren aktuellen Studie2 (449 Teilnehmende mit subklinischer koronarer Atherosklerose) sah die Interventionsgruppe im Rahmen eines pflegegeleiteten Präventionsprogramms wiederholt ihre Koronarkalkbilder und erhielt Statine, während die Kontrollgruppe ohne Vorlegen von CT-Befunden standardmäßig aufgeklärt und hausärztlich versorgt wurde. Nach 3 Jahren zeigte sich im Vergleich zur Kontrolle eine signifikant größere Reduktion des FRS (Difference in differences, DID: -3,4 %). Wem die CT-Bilder nach 2 Jahren noch in Erinnerung waren, hatte im Schnitt einen geringeren systolischen Blutdruck (DID -4.3 mmHg) und Taillenumfang (DID -2,0 cm) als Personen, die sich nicht erinnern konnten.
HERZMEDIZIN: Herr Prof. Laufs, wie bewerten Sie die Studienergebnisse? Inwiefern bieten bildgebende Verfahren einen Mehrwert, um Betroffene langfristig für Präventionsmaßnahmen zu motivieren?
Laufs: Die Therapietreue bezüglich Lebensstilfaktoren und Medikamenten stellt eine zentrale Herausforderung und Chance bei chronischen Erkrankungen dar. Bis zu einem Drittel der Tabletten zur Kontrolle von Hypertonus, Diabetes oder Hypercholesterinämie werden nicht regelmäßig eingenommen. Die Demonstration von Bildern, welche die Atherosklerose der Patientinnen und Patienten zeigen, stellt daher eine sehr gute Möglichkeit dar, um die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen zu verbessern. Dies ist sehr effektiv und spart nach meiner persönlichen Erfahrung in aller Regel sogar Zeit.
HERZMEDIZIN: In den Studien wurde die Wirkung von visueller Aufklärung anhand des Framingham-Risiko-Scores (FRS) gemessen, der zur Einschätzung des 10-Jahres-Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen dient. Gibt es bereits Erkenntnisse, ob durch Visualisierungen nicht nur die Risikobewertung, sondern tatsächlich auch langfristig die Prognose der Betroffenen verbessert werden kann?
Laufs: Endpunkt-Studien sind immer wünschenswert, aber in diesem Kontext absehbar nicht zu erwarten. Allerdings sind die bereits gut dokumentierten Effekte der Visualisierung auf Blutdruck und LDL-Cholesterin sehr überzeugend.
HERZMEDIZIN: Wie stehen Sie zu einer breiteren Anwendung bildgebender Verfahren in der kardiovaskulären Prävention? Worin bestehen mögliche Herausforderungen, beispielsweise hinsichtlich Kosten und Zugänglichkeit?
Laufs: Die kardiovaskuläre Bildgebung verbessert die Beurteilung des individuellen Risikos. Im Hinblick auf die Einnahmetreue ist der erste Schritt eine Demonstration und gezielte Besprechung von Befunden, die sowieso erhoben werden. Die Sonographie erlaubt eine Visualisierung der Gefäßwand ohne Risiko für die Patientinnen und Patienten, das Verfahren steht breit zur Verfügung. Die sonographische Vermessung eines „Index-Plaque“, zum Beispiel in der Carotis-Bifurkation oder der A. femoralis kann auch dazu dienen im Langzeit-Verlauf zusammen mit den Patientinnen und Patienten den Erfolg der präventiven Massnahmen zu visualisieren.
HERZMEDIZIN: Sehen Sie Risiken wie Überdiagnostik, Überinterpretation oder psychische Belastung der Betroffenen durch einen breiteren Einsatz?
Laufs: In der aktuellen Diskussion ist hier die Computer-Tomographie (CT). Die technischen Entwicklungen sind beeindruckend. Dennoch ist die CT trotz geringer Strahlendosis nur bei klarer Therapiekonsequenz indiziert. Die Bestimmung des Kalk-Scores ist nicht für Verlaufsuntersuchungen geeignet, da dieser durch Lipid-Senkung oder Sport zunimmt, dies korreliert mit einer Stabilisierung von Plaques. Generell sollte die Interpretation einer kardiovaskulären Bildgebung aus meiner Sicht durch Kardiologinnen und Kardiologen erfolgen, um daraus eine individualisierte Beratung und eine konkrete Therapie abzuleiten. Dies beinhaltet als zentralen Bestandteil die adäquate persönliche Kommunikation und Einordnung in die Lebenssituation der Patientinnen und Patienten.
HERZMEDIZIN: Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von zukünftigen Studien zur Rolle der Bildgebung in der kardiovaskulären Prävention?
Laufs: Spannende Themen laufender Studien sind beispielsweise die frühere Erkennung von myokardialen Pathologien und die weitere Verbesserung der Risiko-Stratifizierung, zum Beispiel im Hinblick auf Vorhofflimmern oder ventrikuläre Arrhythmien. In der vaskulären Bildgebung stellt die Beurteilung der hämodynamischen Relevanz von Stenosen ein wichtiges Thema dar. Gegenstand der Forschung sind auch die Möglichkeiten KI-gestützter Analysen.
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