Quick Dive: Management von Vorhofflimmern

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Leitlinien der ESC (2024) zum Management von Vorhofflimmern

Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung (DGK)

06.05.2025 | Verfasst von: Schnabel R, Gunawardene M A, Perings C A, Steven D, Busch H, Deisenhofer I, Häusler K G, Sommer P, Birkemeyer R, Eckardt L


Von:

Max Hendriks

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

27.05.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an die Erstautorin

Prof. Renate Schnabel, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Hamburg

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Im Herbst 2024 sind die neuen ESC-Leitlinien zum Management von Vorhofflimmern publiziert worden. Sie legen über die Rhythmusstörung allein großen Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung des Betroffenen mit seinen Komorbiditäten und dynamischer Krankheitsentwicklung. Zentrale Punkte und Neuerungen werden aus der Sicht des Deutschen Gesundheitssystems und täglicher Praxis von Expertinnen und Experten in der DGK aus den verschiedenen Bereichen der Vorhofflimmertherapie eingeordnet und kommentiert.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Das AF-CARE-Prinzip bietet einen strukturierten, zeitlich orientierten Ansatz zur Behandlung von Vorhofflimmern, basierend auf 4 zentralen Säulen: Komorbiditäten erkennen und behandeln, Antikoagulation zur Schlaganfallvermeidung, Rhythmus- und
    Frequenzkontrolle zur Symptomlinderung, sowie Evaluation und Re-Evaluation zur Anpassung der Therapie im Krankheitsverlauf. Der patientenzentrierte AF-CARE-Ansatz betont die individuelle Betreuung und die Notwendigkeit dynamischer Anpassungen über die Zeit
    hinweg.
  2. Zur Prävention von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern sind direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) Vitamin-K-Antagonisten vorzuziehen, außer bei Betroffenen mit mechanischen Herzklappen oder mäßiger bis schwerer Mitralstenose. Eine Dosisreduktion erfolgt nur bei Erfüllung klar definierter Kriterien. Thrombozytenaggregationshemmer sind keine Alternative zur Antikoagulation und sollten nicht kombiniert mit Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention eingesetzt werden.
  3. Bei symptomatischem Vorhofflimmern erfolgt die Wahl zwischen Frequenz- und Rhythmuskontrolle individuell. Ziel der Frequenzkontrolle ist eine Ruhefrequenz <110/min. Zur Rhythmuskontrolle kommen Antiarrhythmika oder die Katheterablation infrage. Letztere ist erste Wahl bei symptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern und bei Versagen der medikamentösen Therapie eines persistierenden Vorhofflimmerns – insbesondere bei reduzierter LVEF.

Abb.: Zentrale Aspekte der neuen Leitlinie. (Schnabel et al. 2025)

 

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Eine schnellstmögliche Umsetzung der auf guter Evidenz beruhenden Leitlinien in die klinische Praxis ist wünschenswert. Dazu wird die Patientenversion der Leitlinien in allgemeinverständlicher Sprache beitragen. Der holistische Ansatz in der Betreuung von Vorhofflimmerpatientinnen und -patienten erfordert sektorenübergreifende Ressourcen, die aufgebracht werden müssen.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Stärker betont werden sollte die Verhinderung der Entstehung von Vorhofflimmern durch Adressierung von bekannten Risikofaktoren. Aus DGK-Sicht sollte die frühe rhythmuserhaltende Therapie, die mittlerweile eine solide Evidenzlage aufweist, klinisch wie prognostisch bei vielen Behandelten zur Reduktion der Symptomatik und zum Verhindern einer Progression des Vorhofflimmerns favorisiert werden.  

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

In fast allen Bereichen der Vorhofflimmertherapie wird es in naher Zukunft aktuelle, randomisierte Studien geben. Diese werden in den Leitlinien aufgeführt und haben das Potential, die tägliche Praxis evidenzbasiert über die 2024er-Leitlinien hinaus zu beeinflussen, beispielsweise Studien zur Vorhofohrokklusion, frühen Ablation bei der häufigen Gruppe von Betroffenen mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion neben neuen Ablationsdevices und Techniken. 

Weiter zur vorgestellten Publikation:

DGK-Kommentar zu den Leitlinien der ESC (2024) zum Management von Vorhofflimmern

Literaturnachweis:

Schnabel R. B.., Gunawardene M. A., Perings C. A., et al.
DGK-Kommentar zu den Leitlinien der ESC (2024) zum Management von Vorhofflimmern
Kardiologie (2025). https://doi.org/10.1007/s12181-025-00749-5


Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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