de Haan: Heute sind die niedergelassenen Kardiologen (mehr als 90 % sind im BNK zusammengeschlossen!) eine wesentliche Mitgliedsgruppe in der DGK und als Partner der Kliniken für die Patientenversorgung in Deutschland anerkannt und erforderlich. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung? Brauchen wir mehr niedergelassene Kardiologen?
Kersten: Ja, ich glaube, dass wir auch in den nächsten Jahren weitere niedergelassene Kardiologen in Deutschland brauchen, insbesondere außerhalb der Großstädte auch in mittelgroßen Städten und ländlichen Regionen.
Die Entwicklung hin zu Gemeinschaftspraxen ist absolut positiv zu bewerten, eine weitere, auch fachliche Differenzierung der einzelnen Praxen sollte angestrebt werden. Die heutigen Möglichkeiten für niedergelassene Kardiologen sind viel besser als früher. Eigentlich gibt es keine kardiologische Disziplin, die nicht ggfs. im Verbund mit den klinischen Kollegen geleistet werden kann.
Gerade die Möglichkeit von Zweigpraxen in mehr ländlichen Regionen und die schwerpunktmäßige Aufstellung der Kollegen ist heute nahezu unbegrenzt möglich. Man denke nur an die Bildgebung und an die Möglichkeit, auch ambulant interventionell tätig zu sein.
de Haan: Stärker als in der klinischen Kardiologie müssen die in der Praxis niedergelassenen Kardiologen für eine stabile wirtschaftliche Grundlage sorgen. Ist der Spagat zwischen diagnostischem / therapeutischem Armamentarium und den Vergütungsmöglichkeiten bei Kassenpatienten zu schaffen?
Kersten: Natürlich muss gerade der niedergelassene Kardiologe auch in der Gemeinschaftspraxis lernen, für eine gute wirtschaftliche Grundlage zu sorgen. Dazu gibt es Unterstützung seitens des Verbandes BNK, aber auch abweichende Abrechnungsmöglichkeiten neben dem EBM-Katalog.
de Haan: Hedgefonds bemächtigen sich aufgrund der medizinischen/kardiologischen Möglichkeiten zunehmend der Kliniken und Großpraxen. Bleibt der einzelne Kardiologe auf der Strecke?
Kersten: Diese Entwicklung kann man nur mit Sorge verfolgen, und die niedergelassenen Kardiologen sollten unbedingt versuchen, selbstständig zu bleiben und als unabhängige Berufsgruppe tätig zu sein. Gerade das ist das Reizvolle an der ambulanten beruflichen Tätigkeit, die die Kliniker nicht haben. Statt der kardiologischen Einzelpraxis ist heute die Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft zu bevorzugen.
de Haan: Die Versorgung kardiologischer Patienten bedeutet oft die Anwendung kostspieliger diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. Dabei sind selektionistische Tendenzen oft nicht zu übersehen. Wohin führt das? Müssen wir verstärkt Aktivitäten in die Prävention stecken?
Kersten: Eine zunehmende Differenzierung unter den einzelnen kardiologischen Praxen ist wünschenswert und sinnvoll, insbesondere für die Zukunft. Dies setzt natürlich eine Kooperation unter den kardiologischen Praxen voraus. Sie sollten auf eine gute Vernetzung achten, auch wenn aus dem Freundeskreis von früher aufgrund der großen Zahl ein Konkurrenzdenken und ein Wettbewerbsbestreben logischerweise erkennbar ist.
Leider ist Nachsorge (Rehabilitation) und Vorsorge (Prävention) ökonomisch nur schwierig zu leisten, gehört aber als Basis zu unserem Fachgebiet dazu. Zukünftig könnte ich mir vorstellen, dass nicht-ärztliche Mitarbeitende mehr und mehr in diese Aufgaben eingebunden werden.