Autorenschaft
PD Dr. Laura Rottner, Dr. Feifan Ouyang
Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Hamburg
Abteilung für Kardiologie
Martinistraße 52
20251 Hamburg
Autorenschaft
PD Dr. Laura Rottner, Dr. Feifan Ouyang
Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Hamburg
Abteilung für Kardiologie
Martinistraße 52
20251 Hamburg
Ein 75-jähriger, männlicher Patient stellt sich mit Palpitationen und Präsynkope in der Zentralen Notaufnahme vor. In der Vorgeschichte findet sich eine slow-pathway Ablation 2018, die damaligen Beschwerden seien nicht so stark ausgeprägt gewesen wie aktuell. Der Patient erhielt zudem 2021 bei symptomatischer, hochgradiger Aortenklappenstenose eine TAVI (Transkatheter Aortenklappenimplantation). Außerdem leide er an einer Niereninsuffizienz sowie einem arteriellen Hypertonus. Die Vormedikation bestehe aus Bisoprolol und Ramipril. Im EKG zeigt sich eine regelmäßige Schmalkomplextachykardie (Abbildung 1).
Der Patient zeigt sich hierunter zunächst hämodynamisch stabil. Echokardiographisch ist die linksventrikuläre Ejektionsfraktion intakt.
In der Notaufnahme wird im Verlauf vom diensthabenden Arzt bei zunehmender Symptomatik und ineffektiver Betablocker-Therapie eine elektrische Kardioversion durchgeführt.
Die Durchsicht der EKGs am Folgetag ergibt folgenden Befund: regelmäßige Schmalkomplextachykardie bzw. short-RP Tachykardie. Bei näherer Betrachtung zeigen sich intermittierend abweichende QRS-Komplexe (Abbildung 2, rote Umrahmung), vereinbar mit Extrasystolen oder, da diese Schläge, denen im Sinusrhythmus ähnlich sind, vereinbar mit sogenannten „fusion“-beats. Außerdem ist intermittierend die 1:1 Überleitung aufgehoben oder eine VA-Dissoziation vorzuliegen (Abbildung 2, gelbe Umrahmung). In diesem Fall ist differentialdiagnostisch an eine ventrikuläre Tachykardie (VT) mit schmalen QRS-Komplexen zu denken.
Der Patient wird für eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) aufgeklärt, welche zwei Tage später durchgeführt werden kann. Während der EPU kann die klinische Tachykardie reproduzierbar induziert werden (1:1 short-RP Schmalkomplextachykardie Abbildung 3).
Unter atrialem burst-pacing zeigt sich ein leicht verlängertes HV-Intervall im Vergleich zum HV-Intervall während der Tachykardie. Die His Aktivierung während der Tachykardie verläuft retrograd, d.h. von distal nach proximal (Abbildung 4).
Bei vorliegender Schmalkomplextachykardie mit QRS-Komplexen, welche der Morphologie im Sinusrhythmus sehr ähnlich sind, zusammen mit der verkürzten HV-Zeit während der Tachykardie sowie einer retrograden His-Aktivierung wird die Diagnose einer für „upper septal“ VT gestellt.
Nach komplikationsloser transseptaler Punktion erfolgt daraufhin die Erstellung eines Aktivierungsmaps des basalen Septums. Anschließend erfolgt die Markierung der His-Region. Im Bereich der frühesten Aktivierung zeigt sich das Intervall von Purkinje Potential zu QRS-onset gleich lang wie in der Tachykardie, sowie ein perfektes Entrainment (Abbildung 5 und 6).
Eine Ablation in diesem Bereich führt unmittelbar zur Terminierung der Tachykardie (Abbildung 6). Zum Ende der Prozedur ist keine Tachykardie mehr induzierbar und der Patient seither beschwerdefrei.
Die „upper septal“ VT zählt zu den idiopathischen faszikulären VTs (1 %) und kann gehäuft nach einer Ablation von links-posterioren faszikulären VTs auftreten.
Im Gegensatz zu Patienten mit struktureller Herzerkrankung zeigt die idiopathische faszikuläre VT normalerweise eine QRS-Komplexdauer von weniger als 140-150 ms - in seltenen Fällen auch vollständig normale, schmale QRS-Komplexe – sowie ein kurzes RS-Intervall von nur 60-80 ms. Beide Merkmale können zur Fehldiagnose einer supraventrikulären Tachykardie (SVT) bzw. SVT mit aberranter Leitung führen.
Während einer EPU sind ein verkürztes HV-Intervall sowie eine retrograde His Aktivierung zusammen mit passenden morphologischen Kriterien hochsuggestiv für das Vorliegen einer upper septal VT.
Die upper septal VT ist wie andere faszikuläre VTs Verapamil-sensibel, so dass Verapamil das Medikament der 1. Wahl in der Akuttherapie darstellt, 10 mg intravenös über einen Zeitraum von einer Minute). Eine dauerhafte bzw. kurative Behandlung kann mittels fokaler Ablation im basalen Septum erfolgen.
Inwiefern die interventionelle Aortenklappenimplantation in diesem besonderen Fall in Zusammenhang mit dem Auftreten der Tachykardie steht, bleibt unklar. Es kann spekuliert werden, dass eine Affektion des Reizleitungssytems durch die implantierte Aortenklappe ursächlich für die Entstehung der „upper septal“ VT war.