Autorenschaft
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Das Brugada-Syndrom (BrS) ist eine genetisch bedingte Kanalopathie, die zu einem plötzlichen Herztod führen kann. Die Diagnose kann schwierig sein, da die diagnostischen EKG-Veränderungen oft nur vorübergehend sind. In einer aktuellen Studie untersuchte eine Arbeitsgruppe aus Italien die Rolle von NaV1.5-Autoantikörpern bei BrS-Patient:innen. Diese Antikörper wurden im Plasma bei 90 % der untersuchten BrS-Patient:innen gefunden, im Vergleich zu nur 6 % in der Kontrollgruppe. Diese Befunde waren unabhängig vom Nachweis einer SCN5A-Mutation (bekannte Mutation des Natriumkanals bei BrS-Patient:innen). Nach Injektion des BrS-Plasmas in Mäuse zeigten diese Brugada-typische Veränderungen. Die Entdeckung dieser Antikörper öffnet neue Perspektiven für die Diagnose und das Verständnis der Pathogenese des BrS.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass NaV1.5-Autoantikörper eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Herzrhythmusstörungen im Rahmen des BrS spielen könnten. Die Antikörper binden spezifisch an die NaV1.5-Kanäle und führen zu einer signifikanten Reduktion der Natriumstromdichte in betroffenen Zellen. Diese Reduktion könnte die typischen EKG-Veränderungen auslösen, die bei BrS-Patient:innen beobachtet werden. Besonders interessant ist der Nachweis der pathogenen Wirkung dieser Autoantikörper im Tiermodell. Nach der Injektion von Plasma, das NaV1.5-Autoantikörper enthält, entwickelten die Mäuse EKG-Veränderungen, die denen des BrS beim Menschen ähneln, einschließlich ST-Streckenhebungen und maligner Arrhythmien. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Autoantikörper nicht nur als diagnostischer Marker dienen, sondern möglicherweise auch eine ursächliche Rolle in der Krankheitsentwicklung einnehmen. Sollte sich dies bestätigen, würde dies auch völlig neue therapeutische Ansatzmöglichkeiten ergeben. Mit verschiedenen immunmodulatorischen Therapien besteht bei anderen Autoantikörper-assoziierten Erkrankungen viel Erfahrung, auf die man zurückgreifen könnte, um die möglicherweise (mit-)verursachenden Autoantikörper beim BrS zu adressieren.
Diese neuen Erkenntnisse werfen wichtige Fragen zur Pathogenese des BrS auf. Während genetische Mutationen weiterhin eine Rolle spielen, könnte die immunvermittelte Dysfunktion der Natriumkanäle eine Erklärung für die hohe Variabilität und auch für das fluktuierende Auftreten des Typ-1-Brugada-EKGs liefern. Zudem könnten Autoantikörper dazu beitragen, die Diskrepanz zwischen der genetischen Prädisposition und der tatsächlichen klinischen Manifestation des Syndroms zu erklären.
Die Erkenntnisse der Studie eröffnen auch neue Perspektiven für die therapeutische Behandlung des BrS. Sollten sich die Autoantikörper als ursächlich für die elektrophysiologischen Veränderungen herausstellen, könnten immunmodulierende Therapien ein vielversprechender Ansatz sein. Mit diesen Therapien besteht aus anderen, nicht-kardiologischen Fachrichtungen große Erfahrung, auf die hier zurückgegriffen werden kann. In Anbetracht der Ergebnisse könnten zukünftige Studien darauf abzielen, spezifische immuntherapeutische Strategien zu entwickeln, die darauf abzielen, die Produktion oder Aktivität dieser Autoantikörper möglichst spezifisch zu hemmen.
Darüber hinaus wirft die Studie Fragen zur möglichen Rolle von Autoantikörpern in anderen kardialen Ionenkanalerkrankungen auf. Wenn Autoimmunprozesse eine Rolle beim BrS spielen, könnte dies möglicherweise auch für andere Kanalopathien zutreffen. Die Untersuchung von Autoantikörpern in diesen Kontexten könnte neue Erkenntnisse sowie diagnostische und therapeutische Ansätze hervorbringen.
Tarantino et. al. NaV1.5 autoantibodies in Brugada syndrome: pathogenetic implications, European Heart Journal, 2024;, ehae480, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae480