Eine neue Studie zur korrekten Beurteilung der Mikrozirkulation nach kardiogenem Schock untersucht die prognostische Relevanz der Nebenstrom-Dunkelfeld-Bildgebungstechnologie (engl. „SDF Imaging“) in Kombination mit Künstlicher Intelligenz. 1,2
Eine neue Studie zur korrekten Beurteilung der Mikrozirkulation nach kardiogenem Schock untersucht die prognostische Relevanz der Nebenstrom-Dunkelfeld-Bildgebungstechnologie (engl. „SDF Imaging“) in Kombination mit Künstlicher Intelligenz. 1,2
Von Dr. Annabelle Eckert
03.05.2023
In der Late-Breaking-Session der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) stellte Dr. Raphael Romano Bruno die DAMIS-Studie als lösungsorientiertes Konzept zur korrekten Beurteilung der Mikrozirkulation nach kardiogenem Schock vor. In dieser prospektiven Studie wurde die Auswirkung der Kenntnis über die Mikrozirkulations-Daten nach kardiogenem Schock auf die 30-Tage-Mortalität der betroffenen Patientinnen und Patienten untersucht. Die Mikrozirkulations-Daten wurden mittels Nebenstrom-Dunkelfeld-(SDF)-Bildgebungstechnologie (engl. „sidestream dark field“) gewonnen und durch ein KI-gestütztes Programm anschließend ausgewertet. Bruno diskutierte in seinem Vortrag einen möglichen Einzug dieser Methodik in den klinischen Alltag und trug dem Auditorium die Ergebnisse zur 30-Tage-Mortalität der betroffenen Patientinnen und Patienten vor. 1
Bei der Beurteilung der Organdurchblutung nach kardiogenem Schock ist die Bestimmung des Serumlaktats bis dato Goldstandard. Serumlakat besitzt jedoch einen begrenzten Wert für die zeitkritische Entscheidungsfindung in dieser kritischen Phase. Als unspezifischer Biomarker und später Indikator einer verminderten Organdurchblutung hinkt dieser Marker nicht-invasiv erhobenen Mikrozirkulations-Daten hinterher. Eine effektive Methode zur Bewertung der Mikrozirkulation ist die sublinguale Nebenstrom-Dunkelfeld-(SDF)-Messung. Bisher hat diese Form der Videomikroskopie noch keinen Einzug in den klinischen Alltag nehmen können. Ihr Nutzen im Hinblick auf ihre prognostische Relevanz wurde bereits in verschiedenen Studien auf die Probe gestellt. Neu ist nun die Kombination aus Nebenstrom-Dunkelfeld-(SDF)-Bildgebungstechnologie und Künstlicher Intelligenz, die im Rahmen der DAMIS-Studie untersucht wurde. 1,2
Der kardiogene Schock ist die gefährlichste Störung der Mikrozirkulation. Er weist weiterhin eine äußerst hohe Mortalität auf (20–70 %) und ist damit für kritisch kranke Patientinnen und Patienten einer der gefährlichsten und tödlichsten Zustände. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen intensivmedizinischen Behandlung ist nach wie vor die Aufrechterhaltung der Organdurchblutung. Die Mikrozirkulation bildet hierbei das Kernelement. Sie spiegelt die Organdurchblutung wider und korreliert entscheidend mit dem Behandlungsergebnis. Aktuell gibt es jedoch weiterhin Kontroversen über die korrekte Beurteilung der Mikrozirkulation, die rechtzeitige Ergebnisprognose sowie die Einleitung spezifischer Therapiemodalitäten. 1,2
Das Serumlaktat ist bis dato der bedeutendste und meist verwendete Biomarker bei kritisch kranken Patientinnen und Patienten. Er kann zur Beurteilung der Schwere einer Erkrankung, zur Verlaufskontrolle sowie auch zur Krankheitsprognose eingesetzt werden. Doch auch wenn dieser Biomarker Goldstandard ist, so weist er einige Limitationen in der Beurteilung der Mikrozirkulation auf:
Bruno stellte dem Auditorium eine zuverlässige, nicht-invasive Methode zur Beurteilung der Organdurchblutung im Schockzustand vor. Die sublinguale Nebenstrom-Dunkelfeld-Bildgebungstechnologie ist eine innovative Methode zur Visualisierung von Blutgefäßen. Sie liefert ausschlaggebende visuelle Informationen über vaskuläre Parameter wie Gefäßdichte, Gefäßstruktur sowie Diffusionsqualität. Sie stellt damit ein effektives Tool zur Beurteilung der Mikrozirkulation dar. Ein wichtiger Vorteil dieser Methode ist, dass sie als Bedside-Test durchgeführt werden kann.
Die Funktionsweise der SDF-Messung veranschaulichte Bruno anhand eines Videos, in dem der Erythrozytenfluss innerhalb der Kapillaren deutlich erkennbar war. Bruno erklärte dem Auditorium, dass die mittels SDF gewonnenen Mikrozirkulations-Videos der jeweiligen Patientinnen und Patienten anschließend digital aufgearbeitet werden könnten. Dieser Prozess wäre durch Verwendung einer bestimmten Software automatisiert sowie benutzerunabhängig möglich. Auf diese Weise könnten objektivierbare Mikrozirkulations-Parameter erstellt werden. Die Berechnung dieser Parameter würde unter Zuhilfenahme eines Algorithmus erfolgen. 1,2
Aus einer vordefinierten Unterstudie der randomisierten Studie Intraaortic Balloon Pump in Cardiogenic Shock II (IABP-SHOCK II) ist bereits bekannt, dass Parameter der Mikrozirkulation bei der Identifizierung von Hochrisikopatienten und -patientinnen eine wichtige Rolle spielen. Die sublinguale Mikrozirkulation wurde in der von Bruno zitierten Studie mittels Nebenstrom-Dunkelfeld-Intravitalmikroskopie gemessen. Die Messungen erfolgten 1, 2 und 4 Tage nach Einsetzen des Schocks. Die Forschungsgruppe konnte eine inverse Korrelation der mikrovaskulären Perfusion mit den nachfolgenden Serumlaktatwerten beobachten. Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie war, dass die mikrozirkulatorischen Parameter eine signifikante Diskriminierung der Vorhersage für die Zeit bis zum Tod erlaubten. 3 Aus dieser Studie gehen Bruno zufolge zwei diagnostisch relevante Kernaussagen hervor:
Bruno merkte an, dass bisher keine Studie diese prognostisch relevanten Daten der Mikrozirkulation zur Therapieoptimierung angewandt hat. 2
Bruno und sein Forschungsteam haben in ihrer Studie untersucht, ob die Kombination aus Künstlicher Intelligenz und SDF-Messung der Mikrozirkulation eines Tages Einzug in den klinischen Alltag nehmen könnte. Ziel ihrer Studie war es zu prüfen, ob die Anwendung dieses innovativen diagnostischen Konzepts die 30-Tage-Mortalität von Patientinnen und Patienten nach kardiogenen Schock reduzieren kann. Insgesamt nahmen 141 Personen an der Studie teil, die in jeweils zwei Gruppen unterteilt wurden. Einschlusskriterium war das Vorliegen eines Schockzustands (Serumlaktat > 2 mmol/L; Vasopressor-Bedarf trotz adäquater Flüssigkeitszufuhr). Die SDF-Messung erfolgte bereits 24 Stunden nach Einsetzen des kardiogenen Schocks. Das intensivmedizinische Behandlungsteam besaß lediglich im Interventionsarm Kenntnis über die Mikrozirkulation der jeweiligen Patientinnen und Patienten. In der Kontrollgruppe erfolgte zwar die SDF-Messung, das Behandlungsteam erfuhr diese Mikrozirkulations-Daten jedoch nicht. 2
Das Behandlungsteam machte sich in der Interventionsgruppe seine Kenntnis über die reduzierte Mikrozirkulation der Patientinnen und Patienten zunutze. Im Interventionsarm kam es – verglichen mit der Kontrollgruppe – signifikant häufiger zu einer Anpassung des Volumens und der Katecholamin-Therapie. Trotz dieser Therapieoptimierung anhand der Mikrozirkulations-Daten kam es zu keinem signifikanten Unterschied hinsichtlich der 30-Tage-Mortalität der Patientinnen und Patienten. 2 Der Kardiologe Dr. Benedikt Schrage lobte die Umsetzung der randomisierten Studie von Bruno et al. Dennoch wies er auf Limitationen der Studie hin, die in einer Folgestudie angegangen werden könnten. So sei die Wahl der 30-Tage-Mortalität als primären Endpunkt suboptimal. Auch wäre eine an Subgruppen angepasste Therapieoptimierung sinnvoll gewesen, so Schrage. 4