KHAG-Beschluss vertagt: Wo die Krankenhaus-Reform steht und wie es weitergeht

 

Die Reform der Krankenhausreform verzögert sich: Der geplante Kabinettbeschluss des Krankenhausanpassungsversorgungsgesetzes (KHAG) am 10. September wurde kurzfristig abgesagt, da noch weiterer Beratungsbedarf innerhalb der Regierung besteht. Im Interview blicken Prof. Patrick Diemert und Prof. Bernd Nowak aus Sicht der Kardiologie auf den aktuellen Stand der Krankenhausreform. Die beiden Verfasser der DGK-Stellungnahme (21.08.) zum geplanten KHAG erläutern, wo sie Nachbesserungsbedarf sehen und wie es weitergehen wird.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

18.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): K-i-T / Shutterstock.com

HERZMEDIZIN: Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) wurde eine Krankenhausreform angestoßen, die im Wesentlichen vier Ziele verfolgt: Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, Gewährleistung einer flächendeckenden Patientenversorgung, Steigerung der Effizienz sowie Entbürokratisierung. Sehen Sie die Krankenhausreform aktuell auf dem richtigen Weg?


Diemert: Grundsätzlich halten wir eine Krankenhausreform in der Bundesrepublik Deutschland für sinnvoll und notwendig. Die wirtschaftliche Lage vieler Kliniken ist schwierig; viele Krankenhäuser leiden unter akutem Personalmangel und zahlreiche Krankenhäuser sind von der Insolvenz bedroht. Es gibt in einigen Regionen, insbesondere in den Ballungsräumen, auch zu viel Konkurrenz zwischen Krankenhäusern, auch in der Kardiologie. Das vom Bundesgesundheitsminister der Vorgänger-Regierung häufig angeführte Argument, dass deutsche Krankenhäuser im europäischen Vergleich schlechte Behandlungsqualität bieten, darf man aus unserer Sicht so pauschal nicht stehen lassen.

 

Nowak: Die Versorgung in den deutschen Krankenhäusern liegt im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau, gerade auch was den Zugang zu spezialisierten Leistungen in der Fläche angeht. Im Vergleich mit vielen Nachbarländern haben wir deutlich geringere Wartezeiten für Operationen und Interventionen und einen breiten Zugang zur Hochleistungsmedizin für alle Versicherten. Trotzdem gibt es Regelungsbedarf, eine Konzentration von Leistungen, eine weitere Ambulantisierung und eine Entbürokratisierung sind sinnvoll. Leider ist die Krankenhausreform im Bund in der vergangenen Legislaturperiode in vieler Hinsicht ohne eine adäquate Miteinbeziehung der Organe der Selbstverwaltung und der Bundesländer erfolgt. Das Reformpaket steckt voller handwerklicher Fehler, die jetzt nachgebessert werden müssen. Und das Ziel, welches am allerwenigsten erreicht wurde, ist eine Entbürokratisierung. 

Mehr Spielraum, aber auch offene Fragen

 

HERZMEDIZIN: Können Sie uns eine kurze Einschätzung geben, bevor wir in die Details gehen: Hat der Referentenentwurf vom 5.8. zum Krankenhausanpassungsgesetz (KHAG), welches das KHVVG praxistauglich weiterentwickeln soll, Ihre Erwartungen erfüllt? 

 

Diemert: Wir begrüßen die neuen Regelungen im KHAG, das den Bundesländern wieder mehr Möglichkeiten gibt, die Krankenhausversorgung vor Ort zu regeln und nicht an ein starres Korsett gebunden sind. Das KHAG bietet ja im Hinblick auf Kooperationen mehr Möglichkeiten und lässt auch Ausnahmen von den Leistungsgruppen-Kriterien zur Sicherstellung der regionalen Versorgung zu. Das halten wir für sinnvoll. Leider gibt es im KHAG keine Regelungen zu den Hybrid-DRGs, von denen ja gerade die interventionelle Kardiologie besonders betroffen ist. Hier hätten wir uns Übergangslösungen und genauere Ausdifferenzierungen zu Vergütung und Strukturen der Hybrid-DRGs gewünscht. Viele Expertinnen und Experten haben auch gehofft, dass die Vorhaltefinanzierung durch das KHAG wieder zurückgenommen wird. Die Vorhaltefinanzierung schafft nach Einschätzung vieler Expertinnen und Experten keinen zusätzlichen Mehrwert zum DRG-System, bei extrem hohem Verwaltungsaufwand. 


HERZMEDIZIN: Die Einführung von Leistungsgruppen ist ein zentraler Bestandteil der Krankenhausreform. Wie stehen Sie zur derzeit geplanten Ausgestaltung der kardiologischen Leistungsgruppen und der zugrundeliegenden Kriterien?


Nowak: Leider gibt es bei der Ausgestaltung der Leistungsgruppen nach wie vor viele nicht sinnvolle Punkte, die trotz Interventionen der DGK nicht gestrichen worden sind: Dazu zählt zum Beispiel, dass für die Leistungsgruppe 13 „Minimalinvasive Operationen an Herzklappen“, diese Leistungsgruppe umfasst ja im Wesentlichen die TAVIs, keine Fachärztinnen und Fachärzte für Kardiologie vorgeschrieben werden, sondern lediglich drei Fachärztinnen und Fachärzte für Herzchirurgie. Das geht natürlich an der Behandlungsrealität und den Leitlinien vorbei. Auch ist nicht nachvollziehbar, wieso z. B. das Vorhandensein eines Kardio-MRT, welches keine GKV-Leistung darstellt, oder die Notfallstufe des Krankenhauses Auswahlkriterien für kardiologische Leistungsgruppen sind. Dies haben wir in der Stellungnahme der DGK zum KHAG auch entsprechend thematisiert.

Zur Person

Prof. Patrick Diemert

Prof. Patrick Diemert ist 1. Vorsitzender der ALKK (Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte e.V.). Er ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Westküstenklinikum in Heide.

Zur Person

Prof. Bernd Nowak

Prof. Bernd Nowak ist Partner im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt sowie Teil der Geschäftsführung von CCB Herzwerk und CCB Reha. Seit vielen Jahren ist er für die DGK, für die Deutsche Herzstiftung und in der medizinischen Qualitätssicherung auf Landes- und Bundesebene tätig. Für die Cardio News leitet er die Rubrik Gesundheitspolitik.

Ambulantisierung: „Nicht mit der Brechstange“

 

HERZMEDIZIN: Die sektorengleiche Vergütung über Hybrid-DRGs ist im KHAG-Referentenentwurf nicht geregelt. Die DGK plädiert in ihrer Stellungnahme vom 21.08. für eine solche Regelung innerhalb des KHAG. Warum ist das wichtig und wie könnte eine sinnvolle Regelung aussehen?


Diemert: Um es noch mal ganz klar zu sagen: Wir haben nichts gegen eine Ambulantisierung, aber diese sollte nicht mit der Brechstange erfolgen. Es gab eine politische Vorgabe im KHVVG, dass ab 2026 eine Million Fälle als Hybrid-DRG erbracht werden sollen. Diese Zahl war arbiträr und rein politisch motiviert. Die Kardiologie wurde von den politischen Akteuren im erweiterten Bewertungsausschuss als großes Fach mit Ambulantisierungspotential identifiziert und soll nun die fehlenden ambulanten Fälle im kommenden Jahr bringen. Dabei wurden z. B. die PCI oder die Vorhofflimmerablation sozusagen „en bloc“ in den Hybrid-DRG-Katalog transferiert – dass sich hierunter ein ganz breites Spektrum von sehr unterschiedlich komplexen Eingriffen und heterogenen Patientinnen und Patienten verbirgt, wurde nicht berücksichtigt. Für sehr viele Patientinnen und Patienten funktioniert wahrscheinlich die ambulante PCI und PVI, es wird jedoch bei diesen Prozeduren immer einen bestimmten Patientenanteil geben, der sehr komplex und aufwändig ist und der in diesem System zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend abgebildet wird, da z. B. die Sachkosten und Personalkosten der Prozedur sehr hoch sind oder die ambulante Erbringung wegen hoher Komplexität und Ko-Morbidität nicht in Frage kommt.


HERZMEDIZIN: Können Sie in dem Zuge auch auf die Bedeutung der Mindestvorhaltezahlen für eine flächendeckende kardiologische Versorgung eingehen?

 
Nowak: Die Mindestvorhaltezahlen sind im KHVVG vorgesehen, aber zum jetzigen Zeitpunkt weiß noch niemand, wie diese ausfallen werden und woran sich der Gesetzgeber orientieren wird. Leider ist zu vermuten, dass es sich hierbei um ein politisch vorgegebenes, arbiträres Steuerungsinstrument handeln wird, um kleine Krankenhäuser von der Versorgung auszuschließen. Die Mindestvorhaltezahlen im KHVVG funktionieren ja anders als z. B. wissenschaftlich ermittelte Volume-Outcome-Korrelationen. Besser als Mindestvorhaltezahlen sind aus unserer Sicht Qualitätskriterien geeignet.

Ausblick

 

HERZMEDIZIN: Welche weiteren positiven und negativen Weichenstellungen enthält der Referentenentwurf aus Ihrer Sicht und wo sehen Sie noch offene Punkte?


Diemert: Positiv sehen wir z. B. das nach dem KHAG nun auch Belegärztinnen und -ärzte für die Facharzt-Vorgaben der Leistungsgruppen mitangerechnet werden. Wir hoffen, dass zu den Punkten Hybrid-DRGs und Vorhaltefinanzierung im laufenden parlamentarischen Verfahren noch Veränderungen eingebracht werden können.


HERZMEDIZIN: Wie wird es nun weitergehen und wie wird sich die DGK weiter einbringen?


Nowak: Die Verabschiedung des KHAG im Kabinett wurde am 10.9. erneut verschoben, was darauf hindeutet das noch intensive Verhandlungen stattfinden. Hier versucht die DGK in enger Abstimmung mit dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) und der Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Krankenhausärzte (ALKK), aber auch mit übergeordneten Verbänden wie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und dem Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) auf Entscheidungsträger einzuwirken. Wir sind an Verbandsanhörungen und den Stellungnameverfahren beteiligt und versuchen, uns so viel wie möglich durch Präsenz z. B. bei Veranstaltungen und Hearings in Berlin für die Interessen der Herz-Kreislauf-Medizin einzusetzen.


Diemert: Auch darüber hinaus wird es in diesem Jahr spannend bleiben: Noch vor Ende des Jahres wird es einen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung geben, der uns als Kardiologinnen und Kardiologen natürlich auch stark betreffen wird. Generell ist der Reformdruck im Gesundheitswesen in Moment enorm – die großen Treiber dahinter sind natürlich die Kostenentwicklung, der Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung. Wir werden also sehr flexibel reagieren müssen, wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass wir innerhalb der Kardiologie uns zusammenfinden, um gegenüber der Politik geschlossen aufzutreten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind zwar die häufigste Todesursache in Deutschland, aber in der öffentlichen Wahrnehmung und auch hinsichtlich der Interessenvertretung stand die Herz-Kreislauf-Medizin in den vergangenen Jahren oft im Schatten von anderen Bereichen.


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