„Sofort ins Katheterlabor?“ – Strategie bei Älteren nach Reanimation auf dem Prüfstand

 

DGK Herztage 2025 | TOMAHAWK: In einer Post-hoc-Analyse der randomisierten TOMAHAWK-Studie wurden 529 Patientinnen und Patienten nach außerklinischem Herzkreislaufstillstand ohne ST-Hebungen untersucht, um den Einfluss des Zeitpunkts der Koronarangiographie bei älteren (>75 Jahre) und jüngeren Patientinnen und Patienten zu vergleichen. Dr. Tharusan Thevathasan (Charité Berlin, Campus Benjamin Franklin) stellte die Daten vor.1


Dr. Tharusan Thevathasan (Deutsches Herzzentrum der Charité, Campus Benjamin Franklin) und Prof. Steffen Desch (Herzzentrum Leipzig) berichten und kommentieren.

Von:

Dr. Tharusan Thevathasan

Charité Berlin, Campus Benjamin Franklin

 

Prof. Steffen Desch

Herzzentrum Leipzig

 

25.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Sina Ettmer Photography / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt einer Koronarangiographie nach außerklinischem Herzkreislaufstillstand ohne ST-Hebungen im EKG nach Wiedererlangung eines Spontankreislaufs wird seit Jahren intensiv diskutiert. Unklar war bislang insbesondere, ob ältere Patientinnen und Patienten über 75 Jahre, die häufig komplexere Koronarbefunde und eine erhöhte Komorbiditätslast aufweisen, von einer sofortigen Herzkatheteruntersuchung profitieren.2,3 Während die randomisierten klinischen Studien TOMAHAWK und COACT in der Gesamtpopulation keinen Überlebensvorteil durch eine routinemäßige unmittelbare Koronarangiographie zeigen konnten, blieb offen, ob in dieser besonders vulnerablen Altersgruppe ein differenzierter Effekt besteht.

Methodik

 

Eine Substudie der TOMAHAWK-Studie analysierte 529 Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher Reanimation eines außerklinischen Herzkreislaufstillstands ohne ST-Hebungen. Sie wurden einer sofortigen oder einer verzögerten/selektiven Koronarangiographie randomisiert zugeteilt, die frühestens nach 24 Stunden erfolgen durfte. Für die Subanalyse wurden die Teilnehmenden nach Alter stratifiziert: über 75 Jahre (n=181) und 75 Jahre oder jünger (n=348). Der primäre Endpunkt war die 30-Tages-Mortalität, ergänzt durch sekundäre Endpunkte wie schwerer hypoxischer Hirnschaden.

Ergebnisse

 

Ältere Patientinnen und Patienten wiesen erwartungsgemäß eine höhere Komorbiditätslast sowie komplexere Koronarbefunde auf und unterschieden sich auch hinsichtlich wichtiger Reanimationsparameter von den Jüngeren (signifikant weniger Laienreanimationen und schockbare Rhythmen). Die Sterblichkeit war in der älteren Gruppe deutlich erhöht: Nach 30 Tagen betrug sie 69 % gegenüber 43 % in der jüngeren Kohorte, nach einem Jahr 75 % gegenüber 52 % (jeweils p<0,001). Der Zeitpunkt der Koronarangiographie hatte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf das Überleben bei älteren und bei jüngeren Patientinnen und Patienten. Hypoxische Hirnschäden stellten eine wesentliche Todesursache dar und wurden durch den Zeitpunkt der Katheterstrategie nicht beeinflusst.

Fazit

 

Die Ergebnisse zeigen, dass ältere Patientinnen und Patienten nach außerklinischem Herzkreislaufstillstand ohne ST-Hebungen zwar eine deutlich schlechtere Prognose aufweisen, dass jedoch der Zeitpunkt der Koronarangiographie in beiden Altersgruppen nicht mit einem Unterschied in der Mortalität assoziiert ist. Ein routinemäßiges Vorgehen mit sofortiger Herzkatheteruntersuchung ist daher weder bei Jüngeren noch bei Älteren durch die Daten gestützt. Stattdessen ist eine individualisierte Entscheidungsfindung erforderlich, die Komorbiditäten, Reanimationsparameter, neurologische Prognose und potenzielle nicht-koronare Ursachen des Herzkreislaufstillstands einbezieht.

Kommentar

 

Diese TOMAHAWK-Substudie verdeutlicht, dass die unmittelbare Überführung älterer Überlebender nach außerklinischem Herzkreislaufstillstand ins Herzkatheterlabor keine prognostische Bedeutung hat. Für die klinische Praxis bedeutet dies, dass die Katheterstrategie sorgfältig abgewogen werden und nicht schematisch erfolgen sollte. Geriatrische Aspekte, körperlicher Funktionsstatus und die Wahrscheinlichkeit einer relevanten koronaren Ursache müssen stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Zugleich müssen die Limitationen der Untersuchung berücksichtigt werden: Es handelt sich um eine Post-hoc-Analyse der ursprünglichen TOMAHAWK-Studie. Die Zahl älterer Patientinnen und Patienten war vergleichsweise klein, sodass die statistische Aussagekraft begrenzt bleibt. Zudem fehlten Informationen zu körperlichem Funktionsstatus, „Frailty“ oder kognitiver Leistungsfähigkeit; Faktoren, die bei älteren Patientinnen und Patienten den Verlauf entscheidend prägen können.


Trotz dieser Einschränkungen unterstreichen die Ergebnisse die Notwendigkeit einer altersgerechten, individualisierten Postreanimationsmedizin anstelle einer uniformen koronar-invasiven Routine.

Zum Autor

Dr. Tharusan Thevathasan

Dr. Tharusan Thevathasan ist Arzt an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin des Deutsches Herzzentrum der Charité. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen insbesondere das akute Koronarsyndrom, den Herzkreislaufstillstand und den kardiogenen Schock.

 

Zum Autor

Prof. Steffen Desch

Prof. Steffen Desch ist Kardiologe und stellvertretender Klinikdirektor in der Klinik für Innere Medizin/Kardiologie am Herzzentrum Leipzig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen insbesondere das akute Koronarsyndrom, den Herzkreislaufstillstand und den kardiogenen Schock. Er fungierte als „Principal Investigator“ der TOMAHAWK-Studie.

 


Referenzen

 

  1. Thevathasan T. Effect of Timing of Coronary Angiography on Mortality After Out-of-hospital Cardiac Arrest in Elderly Patients - A Substudy of the TOMAHAWK Trial. Herztage 2025, Akut-Kardiologie, 25.09.2025
  2. Desch S et al. Angiography after Out-of-Hospital Cardiac Arrest without ST-Segment Elevation. N Engl J Med. 2021 Dec 30;385(27):2544-2553. 
  3. Desch S et al. Coronary Angiography After Out-of-Hospital Cardiac Arrest Without ST-Segment Elevation: One-Year Outcomes of a Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. 2023 Sep 1;8(9):827-834. doi: 10.1001/jamacardio.2023.2264. 

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