Neue Erkenntnisse zur DAPT-Dauer bei ACS

 

ESC Congress 2025 | DUAL ACS/TARGET FIRST/NEOMINDSET: 3 randomisierte Studien widmeten sich der Frage nach der optimalen DAPT-Dauer nach akutem Koronarsyndrom. Die Studien DUAL-ACS, NEO-MINDSET und TARGET-FIRST wurden jeweils von Prof. David Newby (Edinburgh, UK), Prof. Pedro Lemos (Sao Paulo, Brasilien) und Prof. Giuseppe Tarantini (Padua, Italien) präsentiert.1,2,3

 

PD Dr. Luise Gaede (Universitätsklinikum Erlangen) berichtet und kommentiert.

Von:

PD Dr. Luise Gaede

Rubrikleiterin Vaskuläre Herzerkrankungen

 

01.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Songquan Deng / Shutterstock.com

 

Bei Patientinnen und Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) scheint insbesondere in den ersten 3 Monaten ein erhöhtes Risiko für Rezidive zu bestehen. Neuere Evidenz auf Basis von Meta-Analysen deutet darauf hin, dass eine kürzere duale Antiplättchentherapie (DAPT) als die in den Leitlinien noch empfohlenen 12 Monate ausreichen könnte, um ischämische Ereignisse zu vermeiden und gleichzeitig das Risiko für Blutungskomplikationen zu reduzieren.4,5

DUAL ACS

 

Insgesamt wurden in diese randomisierte Studie 5.052 Patientinnen und Patienten mit einem ACS eingeschlossen, was etwa 30 % der ursprünglich geplanten Kohorte entspricht. Das mediane Alter der Teilnehmenden betrug 63 Jahre, 27 % waren weiblich. Nach der initialen Hospitalisierung wurden 23 % der Patientinnen und Patienten konservativ behandelt, 70 % mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) versorgt und 6 % einer aortokoronaren Bypass-Operation unterzogen. Die Patientinnen und Patienten wurden randomisiert einer Gruppe mit 3-monatiger DAPT oder einer Gruppe mit 12-monatiger DAPT zugewiesen. 


Nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 15 Monaten zeigte sich im primären Endpunkt der Gesamtmortalität kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (3 Monate: 2,7 % vs. 12 Monate: 3,4 %; HR 0,78; 95%KI [0,57; 1,07]; p=0,12). Auch hinsichtlich des kombinierten Endpunkts aus kardiovaskulärer Mortalität und erneutem Myokardinfarkt ergab sich kein signifikanter Unterschied (3 Monate: 9,3 % vs. 12 Monate: 8,9 %; HR 1,04; 95% KI [0,87; 1,26]; p=0,61). Gleiches galt für den Endpunkt nicht-fataler Blutungen (3 Monate: 3,2 % vs. 12 Monate: 4,0 %; HR 0,78; 95%KI [0,58; 1,06]; p=0,10). Auch in Bezug auf Stentthrombosen wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt.

TARGET FIRST

 

In der multizentrischen, offen randomisierten Studie wurden 1.942 Patientinnen und Patienten mit STEMI oder NSTEMI eingeschlossen, die nach vollständiger Revaskularisation mittels moderner Drug-Eluting Stents eine einmonatige DAPT ohne Komplikationen erhalten hatten. Die Randomisierung erfolgte 1:1 in eine Gruppe mit anschließender P2Y12-Monotherapie (Prasugrel oder Ticagrelor) und eine Gruppe mit fortgesetzter DAPT. 


Das mittlere Alter betrug 61 Jahre, 21,6 % waren weiblich. Die Therapieadhärenz lag bei über 86 % in beiden Gruppen. Nach 11 Monaten war der primäre Endpunkt – ein Komposit aus Tod, Myokardinfarkt, Stentthrombose, ischämischem Schlaganfall oder BARC 3/5-Blutungen – in beiden Gruppen vergleichbar (2,10 % vs. 2,18 %; Differenz -0,09 Prozentpunkte; 95%KI [-1,39; 1,20]; p=0,021 für Nichtunterlegenheit).


Ein signifikanter Vorteil zeigte sich im sekundären Endpunkt moderater bis schwerer Blutungen (BARC 2/3/5), die in der P2Y12-Monotherapiegruppe seltener auftraten (2,65 % vs. 5,57 %; HR 0,46; 95%KI [0,29; 0,75]; p=0,002). Auch der patientenorientierte kombinierte Endpunkt war signifikant reduziert (4,5 % vs. 7,2 %; HR 0,61; 95%KI [0,42; 0,89]).

NEOMINDSET

 

Die NEOMINDSET-Studie war eine multizentrische, randomisierte, offene Studie mit verblindeter Endpunktbewertung, die den frühzeitigen Verzicht auf Acetylsalicylsäure (ASS) nach PCI bei Patientinnen und Patienten mit ACS untersuchte. Eingeschlossen wurden rund 3.400 Patientinnen und Patienten mit STEMI oder NSTEMI, die innerhalb von 96 Stunden nach Krankenhausaufnahme eine erfolgreiche Revaskularisation mit Drug-Eluting Stents (DES) erhalten hatten.


Nach der PCI erfolgte eine 1:1-Randomisierung in eine Gruppe mit sofortiger ASS-Beendigung und Monotherapie mit einem potenten P2Y₁₂-Inhibitor (Prasugrel oder Ticagrelor) bzw. eine Gruppe mit 12-monatiger Standard-DAPT.


Das mittlere Alter lag bei 59,6 Jahren, 29,3 % waren Frauen. Nach 12 Monaten trat der primäre ischämische Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder dringliche Revaskularisation) bei 7,0 % in der Monotherapiegruppe und 5,5 % unter DAPT auf (absolute Differenz: +1,47 Prozentpunkte; 95%KI [–0,16; 3,10]; p=0,11 für Nichtunterlegenheit).


Schwere oder klinisch relevante Blutungen (BARC 2, 3 oder 5) traten bei 2,0 % unter Monotherapie vs. 4,9 % unter DAPT auf (absolute Differenz: -2,97 Prozentpunkte; 95%KI [-4,20; -1,73]).


In einer Landmark-Analyse zeigte sich der ischämische Vorteil der DAPT in den ersten 30 Tagen (+1,5 %), danach kein Unterschied. Umgekehrt war der blutungsbezogene Vorteil der Monotherapie insbesondere nach Tag 30 bis Monat 12 ausgeprägt (-2,2 %).

Fazit für die Praxis

 

Mit den 3 aktuellen Studien ist deutlich mehr Klarheit über die optimale Dauer der DAPT nach moderner interventioneller Revaskularisation bei ACS geschaffen worden. Eine Verkürzung auf 3 Monate zeigte weder Vorteile bei Blutungen noch Nachteile bei ischämischen Ereignissen. Wird die DAPT bereits nach einem Monat beendet, bleiben ischämische Ereignisse auf gleichem Niveau, während die Blutungsraten signifikant sinken. Eine noch kürzere DAPT-Dauer von maximal 4 Tagen führte hingegen zu einem Anstieg ischämischer Komplikationen – bei gleichzeitig reduziertem Blutungsrisiko.


Insgesamt legen die Daten somit nahe, dass eine DAPT-Dauer von einem Monat nach ACS ein guter Kompromiss zwischen ischämischem Schutz und Blutungsrisiko darstellt. Eine individuelle Entscheidung hinsichtlich einer Verlängerung der DAPT-Dauer je nach Risikoprofil sollte sicherlich weiterhin erfolgen. Klar ist aber: Eine Verkürzung auf unter 30 Tage kann aus ischämischer Sicht nachteilig sein.

Zur Person

PD Dr. Luise Gaede

PD Dr. Luise Gaede ist als Oberärztin des Herzkatheterlabors der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Erlangen tätig. Ihre fachlichen Zusatzqualifikationen (DGK) erwarb sie in den Bereichen der Interventionellen Kardiologie, Herzinsuffizienz sowie Intensiv- & Notfallmedizin. Bei Herzmedizin.de ist sie Leiterin der Rubrik Vaskuläre Herzerkrankungen.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

  1. Newby D. The DUAL-ACS trial: Duration of DAPT in ACS. Hot Line 6, 31.08.2025, Madrid, ESC 2025
  2. Lemos P. NEO-MINDSET: Early withdrawal of aspirin after percutaneous coronary intervention for acute coronary syndrome
  3. Tarantini G. TARGET-FIRST: Early aspirin discontinuation after PCI in acute MI patients
  4. Palmerini T et al. Mortality in patients treated with extended duration dual antiplatelet therapy after drug-eluting stent implantation: a pairwise and Bayesian network meta-analysis of randomised trials. Lancet. 2015;385(9985):2371-82.
  5. Navarese EP et al. Optimal duration of dual antiplatelet therapy after percutaneous coronary intervention with drug eluting stents: meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ. 2015 Apr 16;350:h1618. doi: 10.1136/bmj.h1618. Erratum in: BMJ. 2016 Oct 17;355:i5600. doi: 10.1136/bmj.i5600. PMID: 25883067; 

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