Am 24. Juni 2023 hat die Europäische Gesellschaft für Hypertonie (ESH) ihre neuen Leitlinien zum Management arterieller Hypertonie vorgestellt und im Journal of Hypertension publiziert. Auch deutsche Expertinnen und Experten waren beteiligt.
Am 24. Juni 2023 hat die Europäische Gesellschaft für Hypertonie (ESH) ihre neuen Leitlinien zum Management arterieller Hypertonie vorgestellt und im Journal of Hypertension publiziert. Auch deutsche Expertinnen und Experten waren beteiligt.
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Von Prof. Felix Mahfoud und Prof. Ulrich Kintscher
05.07.2023
„Bluthochdruck betrifft mehr als 1 Milliarde Patientinnen und Patienten weltweit. Etwa 30 % aller Deutschen leiden an Hypertonie, bei über 60-jährigen sind es sogar fast 50 %. Blutdruckhochdruck ist die häufigste zum Tod führende Erkrankung und begünstigt das Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen wie Schlaganfall, Nierenschwäche, Herzinfarkte und Demenz“, sagt Prof. Ulrich Kintscher, Direktor des Instituts für Pharmakologie der Charité Berlin und Sprecher der AG 43 (Arterielle Hypertonie) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Mit einer konsequenten Blutdruckeinstellung lässt sich das kardiovaskuläre Risiko von Betroffenen signifikant reduzieren.
„Der Grenzwert zur Behandlung der Hypertonie hat sich nicht geändert und liegt bei >140/>90 mm Hg bei unter 80-Jährigen und bei >160/>90 mm Hg bei über 80-Jährigen“, sagt Prof. Felix Mahfoud, Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes, der als einer der Experten an der Erstellung der Leitlinie mitgewirkt hat.
„Hinsichtlich der Messung des Blutdruckes zur Diagnostik oder Therapiekontrolle wird zusätzlich zur Praxisblutdruckmessung auch die Selbstmessung stärker empfohlen als in den Leitlinien von 2018. Sie stellt eine wichtige Informationsquelle für Ärztinnen und Ärzte sowie für die zu behandelnden Personen dar“, betont Kintscher.
„Die Zielblutdruckwerte liegen nach wie vor bei >120–<130/>70–<80 mm Hg bei den meisten Patientinnen und Patienten. Nur bei über 80-Jährigen ist man etwas zurückhaltender und sollte systolische Werte von 140–150 mm Hg anstreben, bei guter Verträglichkeit auch niedrigere“, sagt Mahfoud. Neben der Lebensstilmodifikation – Sport, Gewichtsreduktion, kochsalzarme Kost, Stressmanagement – kommen bei vielen Behandelten antihypertensive Substanzen zum Einsatz. „Zu den 5 Erstlinienmedikamenten zur Blutdrucksenkung gehören: ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker, Diuretika, Kalziumkanalblocker und Betablocker. Diese Substanzen sollte als duale Fixkombination zum Einsatz kommen, da hierdurch die Tablettenlast reduziert und die Adhärenz zur Therapie verbessert werden kann. Die Betablocker haben für die Initialtherapie eine Aufwertung erfahren, da auch für diese Substanzklasse eine Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte gezeigt werden konnte (mit Ausnahme des Risikos für Schlaganfall) und mittlerweile entsprechende Fixkombinationen zu Verfügung stehen“, so Mahfoud. Es ist gut belegt, dass bis zu 50 % aller Patientinnen und Patienten mit arterieller Hypertonie ihre antihypertensive Medikation nur unregelmäßig einnehmen. Nicht-Adhärenz ist assoziiert mit der Anzahl an Tabletten, weshalb diese möglichst gering gehalten werden.
„Uns stehen sehr effektive Behandlungsmethoden zur Verfügung, mit denen wir theoretisch 90–95 % aller Betroffenen einstellen können; leider gelingt uns dies im Alltag lediglich bei 15–20 % aller Patientinnen und Patienten. Die neuen Leitlinien zur Behandlung des Bluthochdrucks haben das Ziel, dies zu verbessern und die Kontrollraten in Europa drastisch zu erhöhen. Die in den Leitlinien vorgeschlagenen Behandlungsstrategien sind einfach und können in der Regel problemlos im klinischen Alltag umgesetzt werden“, erläutert Prof. Michael Böhm, Pressesprecher der DGK.
„Sollte es unter optimierter medikamentöser Therapie nicht gelingen, den Blutdruck einzustellen, kann eine renale Denervation in Erwägung gezogen werden“, sagt Kintscher. In Anbetracht der neuen, konsistenten Evidenzlage zur Effektivität und Sicherheit wird die renale Denervation als sichere, additive Therapieoption bei ausgewählten Patientinnen und Patienten mit schwer einstellbarer arterieller Hypertonie empfohlen, die neben Lebensstilmodifikationen und medikamentöser Therapie eingesetzt werden kann. Die Therapie sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die DGK ermöglicht seit diesem Jahr die Zertifizierung als Renales Denervationszentrum.
Eine Besonderheit in diesem Jahr sei noch erwähnt: Die letzten Versionen der europäischen Leitlinien waren bislang gemeinsam von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) sowie der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH) verfasst worden. In diesem Jahr wird es erstmals seit einigen Jahren separate europäische Leitlinien geben. Die DGK hat sich daher entschieden, die Vorstellung der ESC-Leitlinien im Jahr 2024 abzuwarten und dann einen gemeinsamen nationalen Kommentar für beide Leitlinien zu verfassen.