HERZMEDIZIN: Was empfiehlst du Young Cardiologists, die sich parallel zur Facharztausbildung im Bereich Digitalisierung engagieren möchten? Gibt es konkrete Weiterbildungsformate oder Netzwerke, die du empfehlen kannst?
Hadrossek: Am besten ist es, einfach anzufangen und nicht zu lange darüber nachzudenken. Wenn man sich informieren bzw. orientieren will, z. B. im Bereich KI, einfach mal Sachen ausprobieren, die gar nichts Fachliches sein müssen. Ein bisschen bei ChatGPT prompten. Es gibt dort einen eigenen Academy-Bereich. Mit Bildsoftware herumspielen. Dazu ist unheimlich viel kostenloses Wissen auf YouTube oder in Podcasts jederzeit abrufbar.
Über den Verband haben wir z. B. den Podcast „Digitalversorgt mit KI“ gestartet, bei dem Gäste zu Wort kommen, die aktuell KI in der Medizin in Deutschland mitgestalten. Dazu bieten wir verschiedene kostenlose Webinare an. Wer sich parallel zur Facharztausbildung im Bereich Digitalisierung engagieren möchte, dem kann ich auch sehr die Deutsche Gesellschaft für Digitale Medizin empfehlen.
HERZMEDIZIN: Du hast 2017 das telemedizinische Start-up kinderheldin mitgegründet. Was war die Idee dahinter – und welche Erfahrungen hast du beim Aufbau gemacht?
Hadrossek: Ich habe mich zu der Zeit intensiv mit digitalen Lösungen auseinandergesetzt, für Investoren umfassend Marktrecherche betrieben, nach potentiellen Start-ups gesucht und viele potentielle Investments angeschaut. Telemedizin ist ein Thema, das in anderen europäischen Ländern zu der Zeit schon lange Versorgungslücken geschlossen oder für Entlastung gesorgt hat, siehe Schweiz oder Schweden. Bei uns war Telemedizin noch nicht möglich, da es von ärztlicher Seite noch nicht erlaubt war. Für mich war aber klar, dass es zeitnah möglich sein wird. Und trotzdem wollte ich nicht darauf warten, bis die Regulatorik ausdiskutiert, was möglich ist. Dann ist man als Start-up-Gründer zu spät dran. Mit dem Bereich Schwangerschaft und frühe Elternzeit hatte ich einen Bereich gefunden, wo Menschen mit viel gefährlichem Halbwissen konfrontiert werden. Dabei geht es häufig um Orientierung. Also eigentlich ein perfektes Umfeld, um einfache Probleme telemedizinisch zu lösen und erste Erfahrungen zu sammeln, wie Menschen solche Angebote nutzen. Dazu kam die Tatsache, dass es mit angestellten Hebammen möglich war, so einen Service aufzubauen. Und so sind wir damals gestartet. Meine wichtigsten Erfahrungen waren, dass man einfach nichts im Vorfeld planen kann, wenn man etwas Neues macht. Man lernt nur in der Realität, was funktioniert und wo auch Möglichkeiten entstehen, über die man vorher nicht nachdenkt.
Es war auch schnell klar, dass die Selbstzahlerbereitschaft in Deutschland nicht gegeben ist. Der Wert einer medizinischen Leistung für den Versicherten ist nicht greifbar. Deshalb wird für einen schnelleren oder verlässlichen Service kein Geld bezahlt. Wir haben es zum Glück geschafft, relativ schnell Partner auf Versicherungsseite zu finden, die den Service für die Versicherten anbieten wollten und uns dafür vergütet haben. So konnten wir den Service auch stetig weiterentwickeln, konnten Erfahrungen sammeln mit synchroner (Video) und asynchroner (Chat) Telemedizin, bis hin zu einer Plattform mit Live- und On-demand-Videokursen, z. B. zur Geburtsvorbereitung oder als Babynotfallkurs.