Adrenalin-Gabe bei Herzstillstand erweist sich als zweischneidiges Schwert

Eine große randomisierte Studie zur Klärung des strittigen Stellenwerts einer Adrenalin-Gabe bei Herzstillstand endete mit einem ambivalenten Ergebnis: Zwar wurde die Überlebensrate moderat verbessert – aber auf Kosten eines höheren Anteils an Patienten mit schweren neurologischen Beeinträchtigungen.

Von Peter Overbeck

 

20.07.2018

Durch intravenöse Gabe von Adrenalin bei Herzstillstand wurde in der bislang größten randomisierten Studie zum Nutzen dieser Maßnahme zwar der Anteil der Patienten, die nach 30 Tagen noch am Leben waren, leicht erhöht. Bei der Rate der Patienten, die mit günstigem neurologischen Ergebnis aus der Klinik entlassen werden konnten, unterschied sich das Ergebnis hingegen nicht von dem in der Placebo-Gruppe, da in der Adrenalin-Gruppe signifikant mehr Patienten schwere neurologische Funktionsstörungen aufwiesen.

Konsortium forderte placebokontrollierte Studie

Adrenalin erhöht als alpha-adrenerger Vasokonstriktor den aortalen diastolischen Druck und verstärkt so den  koronaren Blutfluss. Die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zur normalen Herztätigkeit wird auf diese Weise erhöht. Allerdings steigt zugleich die Gefahr, dass durch die alpha-adrenerge Stimulation der mikrovaskuläre Blutfluss im Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wird und es zu zerebralen Ischämien mit schweren neurologischen Schäden während der Reanimation und nach Rückkehr zum normalen Kreislauf kommt.

 

In Beobachtungsstudien hat sich gezeigt, dass Adrenalin die Chancen auf Rückkehr der spontanen Zirkulation erhöhte,  zugleich aber mit niedrigeren Raten für einen guten neurologischen Status damit behandelter Patienten assoziiert war. Das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR), ein Konsortium aus sieben Fachorganisationen für kardiopulmonale Reanimation,  bewertete die bisherige Datenlage zum Nutzen einer Adrenalin-Gabe jedenfalls als nicht eindeutig und forderte eine randomisierte placebokontrollierte Studie zur Klärung der Frage, wie sicher und  effektiv diese Maßnahme bei Herzstillstand ist.

Test bei 8.000 Personen mit Herzstillstand

Dieser Forderung ist eine britische Untersuchergruppe um Dr. Gavin Perkins von der Warwick Clinical Trials Unit in  Coventry in der aktuell publizierten Studie PARAMEDIC2 (Prehospital Assessment of the Role of Adrenaline: Measuring the Effectiveness of Drug Administration in Cardiac Arrest) nachgekommen.

 

Im Rahmen diese Studie wurde 8014 Personen mit Herzstillstand additiv zur Standardversorgung prähospital von Rettungssanitätern entweder Adrenalin oder Kochsalzlösung (Placebo) parenteral  injiziert. Kurzfristig zeigte diese Maßnahme eine – wenngleich nur relativ geringe – positive klinische Wirkung. Zwar wurde mit  Adrenalin in deutlich mehr Fällen eine Rückkehr zum normalen Kreislauf  erreicht (36,3% vs. 11,7%) – auch wenn dadurch in den meisten Fällen der Tod nicht verhindert werden konnte.

Höhere Überlebensrate nach 30 Tagen …

Dennoch ergab sich für Adrenalin beim primären Endpunkt – Überlebensrate nach 30 Tagen – ein Vorteil:  Während zu diesem Zeitpunkt in der Adrenalin-Gruppe noch 3,2% aller Patienten lebten, war der Anteil mit 2,4% in der Placebo-Gruppe signifikant geringer (nicht adjustierte Odds Ratio 1,39; 95% Konfidenzintervall [CI], 1,06 – 1,82; p=0,02). Der absolute Unterschied um 0,8 Prozentpunkte bedeutet rechnerisch, dass 112 Patienten Adrenalin erhalten müssen, damit ein Patienten zusätzlich die ersten 30 Tage überlebt (Number needed to treat: 112).

… aber auch mehr schwere Hirnschäden

Dieser sehr moderate Überlebensvorteil relativiert sich allerdings bei Betrachtung der neurologischen Ergebnisse der Studie: Zum Zeitpunkt der Klinikentlassung war der Anteil der Patienten, die entsprechend der modifizierten Rankin-Punkteskala schwere neurologische Beeinträchtigungen aufwiesen, in der Adrenalin-Gruppe nahezu doppelt zu hoch wie in der Placebo-Gruppe (39 von 126 Patienten [31.0%] vs. 16 von 90 Patienten [17.8%]). Dementsprechend bestand hinsichtlich des Anteils an Patienten, die bis zur Klinikentlassung in gutem neurologischem Zustand überlebt hatten (sekundärer Endpunkt), kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen (87 von 4007 Patienten [2.2%] vs. 74 von 3994 Patienten [1,9%]; naOR, 1,18; 95% CI 0,86 – 1,61).

 

Es bleibt abzuwarten, wie die Ergebnisse der PARAMEDIC2-Studie bewertet werden – nicht zuletzt durch das ILCOR. Die für die Bewertung maßgebliche Evidenz zum Nutzen/Risiko-Profil der Adrenalin-Gabe  bei Herzstillstand wird durch diese große randomisierte Studie nun vorgegeben. Ihre Ergebnisse belegen, dass diese Behandlung die Überlebenschancen der Betroffenen leicht verbessert, ohne dass dies zu neurologischen Verbesserungen führt. Im Fall des Überlebens verdoppelt sich aber das Risiko für schwere und mit dauerhafter Abhängigkeit einhergehende Hirnschäden.


Literatur

Perkins C. D. et al.: A Randomized Trial of Epinephrine in Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med. 2018, online 18. Juli.

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