Orale KCl-Supplementierung reduziert den Natriumüberschuss im Körper und den Blutdruck

 

AHA Congress 2025 | SSTT: Die Studie hat den Effekt einer oralen KCl-Supplementierung auf den Natriumhaushalt und den Blutdruck untersucht. Es fanden sich positive Effekte, das untersuchte Kollektiv – Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Hyperaldosteronismus und für die laborchemische Abklärung umgestellter Medikation – schränkt aber die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Versorgungsalltag erheblich ein. Die Daten wurden präsentiert von Prof. Jens Titze (Duke-NUS Medical School, Singapur).1

 

Prof. Marcel Halbach (Uniklinik Köln) berichtet und kommentiert. 

Von:

Prof. Marcel Halbach

Uniklinik Köln

 

12.11.2025

 

Bildquelle (Bild oben): f11photo / Shutterstock.com

 

Mit Kalium angereichertes Speisesalz senkt den Blutdruck und reduziert die kardiovaskuläre Sterblichkeit.2 Ob diese positiven Effekte durch eine Verringerung der Natriumaufnahme, eine erhöhte Kaliumaufnahme oder eine Kombination beider Faktoren verursacht werden, ist bislang unklar. Die Studie See Sodium to Treat (SSTT), die auf dem AHA-Kongress präsentiert und bislang noch nicht publiziert wurde, überprüfte die Hypothese, dass eine isolierte orale KCl-Supplementierung ohne gleichzeitige Reduktion der NaCl-Zufuhr den Natriumgehalt im Körper und den Blutdruck bei Patientinnen und Patienten mit arterieller Hypertonie senkt (ClinicalTrials.gov: NCT06569589).

Studiendesign

 

SSTT ist eine prospektive Beobachtungsstudie mit standardisierter KCl-Supplementierung bei Patientinnen und Patienten, die zur routinemäßigen Diagnostik eines Hyperaldosteronismus (HA) am Changi General Hospital in Singapur vorgestellt wurden. Untersucht wurden Natrium- und Kaliumwerte sowie Aldosteronspiegel im Blut und im 24-Stunden-Urin, der Natriumgehalt im Muskel mittels 23Na-Magnetresonanztomographie und die Blutdruckwerte bei 40 Personen, jeweils zu Beginn der Studie sowie 6 bis 9 Wochen nach einer an den Blutkaliumspiegel angepassten oralen KCl-Supplementierung (Span-K Tabletten, 600 mg). Die Kaliumspiegel wurden initial und nach 2–3 Wochen kontrolliert, die verschriebene KCl-Dosis wurde entsprechend adaptiert. Ursprünglich war eine höhere Patientenzahl eingeplant, die Studie wurde bei ca. 50 % des Rekrutierungsziels abgebrochen, da die Endpunkte erreicht wurden.

Ergebnisse

 

Es wurden 17 Personen mit essenzieller Hypertonie (EH) und 23 Personen mit Hyperaldosteronismus eingeschlossen. Die verschriebene KCl-Dosis lag bei 3,53±1,44 g/d bei Personen mit EH und bei 4,15±1,80 g/d Personen mit HA. Keiner der Teilnehmenden entwickelten eine Hyperkaliämie >5,5 mmol/l. Die orale KCl-Gabe erhöhte die Kaliumkonzentration im Blut und die 24-Stunden-Kaliumausscheidung im Urin ohne Veränderungen der Natriumausscheidung im Urin. Im Vergleich zu den Personen mit EH hatten diejenigen mit HA einen niedrigeren Kaliumspiegel zu Beginn der Studie und nach KCl-Supplementierung, der absolute Anstieg des Kaliumspiegels war ähnlich. Bei Personen mit HA war das Muskel-Natrium initial signifikant höher als bei denjenigen mit EH. In beiden Gruppen kam es unter KCl-Supplementierung zu einem numerischen Abfall des Muskel-Natriums, der jedoch nur bei Personen mit HA signifikant war. Die orale KCl-Supplementierung senkte den systolischen Blutdruck um -8,33 (95%KI [-14,55; -2,12]) mmHg bei EH- und um -7,35 (95%KI [-12,69; -2,01]) mmHg bei HA-Patientinnen und -Patienten.

Fazit und Kommentar

 

Die orale KCl-Supplementierung korrigierte die gestörte Natrium-Kalium-Verteilung im Körper und senkte den Blutdruck effizient bei Kosten von etwa 100 SG$ pro Jahr (≈ 75 US$).

 

Seit den positiven Resultaten der 2021 publizierten SSaSS-Studie, die in einem chinesischen Kollektiv eine mehr als zehnprozentige Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte und der Gesamtmortalität durch Verwendung eines Blutdruck-Salzes mit 25 % KCl gezeigt hatte2, stellt sich die Frage, ob der Nutzen durch Reduktion der Natriumzufuhr, Steigerung der Kaliumzufuhr oder eine Kombination von beiden hervorgerufen wurde. Die beim AHA-Kongress präsentierte, aber leider noch nicht publizierte SSTT-Studie untersuchte nun den Effekt einer alleinigen Kalium-Supplementierung und fand eine signifikante Reduktion des systolischen Blutdrucks um ca. 8 mmHg. Zudem nahm das mittels MRT gemessene Muskel-Natrium ab, dieser Effekt war umso ausgeprägter, je größer die Veränderung des Kaliumspiegels im Plasma war. Dies deutet auf eine Korrektur der gestörten Natrium-Kalium-Verteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum durch KCl-Supplementierung hin.

 

Eine Blutdruckreduktion um 8 mmHg, die mit der Reduktion durch ein einzelnes Antihypertensivum vergleichbar ist, ist klinisch relevant. Der blutdrucksenkende Effekt war ca. 4–5 mmHg ausgeprägter als in der SSaSS-Studie. Die KCl-Supplementierung erscheint damit effizient hinsichtlich der Reduktion des systolischen Blutdrucks. Kardiovaskuläre Endpunkt wurden nicht berichtet und können angesichts der geringen Patientenzahl und der kurzen Nachbeobachtung auch nicht sinnvoll beurteilt werden. Neben dem kleinen Kollektiv von nur 40 Patientinnen und Patienten ist eine wesentliche Limitation der Studie, dass die untersuchte Population nicht repräsentativ für Hypertoniker im Versorgungsalltag war. Alle Patientinnen und Patienten wurden wegen Verdacht auf HA abgeklärt, bei etwas mehr als der Hälfte wurde ein solcher auch diagnostiziert. Für die Abklärung war eine Pausierung mehrerer Substanzgruppen empfohlen (MRA, ACE-Hemmer/Sartane, Betablocker, Diuretika), Kalziumkanalblocker und Alphablocker wurden bevorzugt eingesetzt. Damit beantwortet die Studie nicht die klinisch entscheidende Frage, ob Hypertoniker ohne Verdacht auf HA, die Erstlinien-Antihypertensiva erhalten, die in irgendeiner Form ins Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen, ebenfalls von einer KCl-Supplementierung profitieren.

 

Die KCl-Supplementierung war unter regelmäßigen Kontrollen des Kaliumspiegels sicher, relevante Hyperkaliämien wurden nicht beobachtet. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der initiale Kaliumspiegel meist niedrig normal (bei EH) oder sogar hypokaliäm (bei HA) war, die Daten zur Sicherheit können sicherlich nicht auf Patientinnen und Patienten mit höheren Ausgangswerten extrapoliert werden.

 

Die Bedeutung der SSTT-Studie für die alltägliche Versorgung ist damit gering, und sie trägt nicht wesentlich zur Klärung der eingangs von den Studienautoren gestellten Frage bei, ob die erhöhte KCl-Zufuhr der führende Grund für den Nutzen des „Blutdruck-Salzes“ in der SSaSS-Studie war. Angesichts mehrerer Studien, die in der Vergangenheit einen Blutdruck-senkenden Effekt sowohl einer NaCl-Restriktion als auch einer erhöhten KCl-Zufuhr gezeigt haben, ist davon auszugehen, dass beide Maßnahmen von Vorteil sind und idealerweise durch eine gesunde, Kalium-reiche und Natrium-arme Ernährung, ergänzt durch Verwendung eines Blutdruck-Salzes, umgesetzt werden sollten. Dies steht auch im Einklang mit aktuellen Leitlinien.

Zur Person

Prof. Marcel Halbach

Prof. Marcel Halbach ist Oberarzt der Klinik III für Innere Medizin an der Uniklinik Köln und Leiter der Hypertonieambulanz und des Herzkatheterlabors. Darüber hinaus ist er Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Arterielle Hypertonie (AG 43).
privat

Key Facts der Studie

Überprüfung der Hypothese, ob eine isolierte KCl-Supplementierung ohne gleichzeitige Reduktion der NaCl-Zufuhr den Natriumgehalt im Körper und den Blutdruck bei arterieller Hypertonie senkt.

Die orale KCl-Supplementierung senkte den systolischen Blutdruck um jeweils -8,33 bzw. um -7,35 mmHg bei Personen mit essenzieller Hypertonie bzw. Hyperaldosteronismus.

Die KCl-Supplementierung senkte zwar den Blutdruck, allerdings in einem kleinen Kollektiv, das nicht repräsentativ für den Versorgungsalltag ist. Im Einklang zu den aktuellen Leitlinien gilt weiterhin die Empfehlung einer gesunden, Kalium-reichen und Natrium-armen Ernährung ergänzt durch Verwendung eines Blutdruck-Salzes.


Referenzen

 

  1. Titze J. Oral KCl Supplementation Safely Reduces Body Na+ Surplus and Blood Pressure in Patients with Arterial Hypertension. 09.11.2025, New Orleans, AHA 2025
  2. Neal B et al. Effect of Salt Substitution on Cardiovascular Events and Death. N Engl J Med. 2021 Sep 16;385(12):1067-1077. doi: 10.1056/NEJMoa2105675. Epub 2021 Aug 29. PMID: 34459569.

Zur Übersichtsseite AHA Congress 2025

Das könnte Sie auch interessieren

Interview with the Summit's Programme Co-Chair

ESC Digital & AI Summit 2025 | Assoc. Prof N. Bruining introduces the first edition of the summit and highlights key points of the programme.

Win-Win: Bessere Adhärenz durch Lotterie?

AHA Congress 2025 | BETTER-BP: Kann die Teilnahme an einer Lotterie Adhärenz und Blutdruckkontrolle verbessern? Kommentiert von Prof. M. Schulz.

Neue Schirmherrschaften der Nationalen Herz-Allianz

Mit neuen Schirmherrschaften unterstützt die NHA kardiologische Forschungsprojekte der Früherkennung und Primärprävention.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen