https://doi.org/10.1007/s00392-024-02526-y
1Universitätsklinikum Münster Interdisziplinäre Sektion Herzinsuffizienz Münster, Deutschland; 2Universitätsklinikum Münster Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie Münster, Deutschland; 3Universitätsklinikum Tübingen Kardiopathologie Tübingen, Deutschland; 4Universitätsklinikum Münster Department für Kardiologie und Angiologie Münster, Deutschland; 5Universitätsklinikum Münster Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie Münster, Deutschland
Fallvorstellung
Berichtet wird über die stationäre Aufnahme eines zuvor gesunden 56-jährigen Patienten auf die Intensivstation eines peripheren Krankenhauses bei perakut auftretender Leistungsminderung mit Luftnot und Beinödemen. Eine stenosierende KHK wurde bei deutlich erhöhtem Troponin invasiv ausgeschlossen. Bereits nach 1,5 Tagen musste der Patient bei kardiogenem Schock (SCAI E) von der dortigen Intensivstation auf unsere internistische Intensivtherapiestation übernommen werden. Noch am Tag der Verlegung wurde bei deutlich eingeschränkter links- und rechtsventikulärer Pumpfunktion trotz differenzierter Mehrfach-Katecholamin-Therapie die Anlage einer VA-ECMO notwendig und der Patient musste nach der Anlage intubiert und beatmet werden. Einen weiteren Tag später war die zusätzliche Implantation einer IMPELLA CP zum Unloading notwendig. Trotz weiter hochdosiertem Dobutamin, Arterenol und Levosimedan hatte der Patient über insg. sechs Tage keine relevante LV-Pulsatilität. Es bestand ein AV-Block III° sowie rezidivierend Kammerflimmern, eine akute Nierenschädigung und schwere Infekte sowie im späteren Verlauf tachykard übergeleitetes Vorhofflimmern. Das vorläufige histologische Ergebnis der leitliniengerecht bei V. a. akute / fulminante Myokarditis entnommenen RV-Biopsien zeigte eine akute myokardiale Entzündung mit dem initialen Verdacht auf eine lymphozytäre, DD virale, DD Lyme-Myokarditis. Die Eosinophilen im Blut waren bei uns nicht signifikant erhöht. Bei fehlendem Hinweis auf virale oder bakterielle Erreger wurde bereits früh eine immunsuppressive Therapie mit Dexamethason und Immunglobulinen eingeleitet, worunter der klinische Zustand des Patienten sich schließlich besserte. Die abschließende histopathologische Begutachtung ergab den Befund einer eosinophilen Myokarditis und die Immunsuppression wurde dementsprechend eskaliert. Der zusätzliche Nachweis von HHV6-DNA in hoher Kopienzahl in den bioptischen Proben gab Anlass zur Untersuchung von Haarwurzeln, welche eine Integration von HHV6-Genom zeigte. Im Verlauf konnten die Impella nach 14 Tagen und die VA-ECMO nach 21 Tagen Therapiezeit erfolgreich explantiert werden. Der weitere Intensiv-medizinische und -pflegerische Verlauf gestaltete sich unter fortgeführter getaperter Prednisolon- Therapie und regelmäßiger Physiotherapie unkompliziert, bei ausgeprägter Critical-Illness-Neuropathie jedoch protrahiert. Mittlerweile wurde der Patient nach ICD-Versorgung in eine neurologische Früh-Reha-Maßnahme verlegt.
Diskussion
Auch wenn die diagnostischen Möglichkeiten bei akuten Myokarditiden immer ausgefeilter werden, kommt der grundsätzlich indizierten myokardialen Biopsie in bestimmten Fällen wie der fulminanten Myokarditis nach wie vor ein besonderer Stellenwert zu. Dies ist insbesondere für die Abwägung einer möglichen immunsuppressiven Therapie von Bedeutung, insbesondere dann, wenn der fulminante Krankheitsverlauf keinen Freiraum für ein abwartendes Procedere bietet. Wird eine eosinophile Myokarditis nicht als solche erkannt und nicht ausreichend lange immunsuppressiv behandelt, sind die Folgen für die Patienten oft letal. Die sicherste Einschätzung kritisch kranker Patienten erfolgt hier sicherlich anhand möglichst vieler unterschiedlicher diagnostischer Mosaiksteine. Durch die korrekte histologische Diagnose einer seltenen, fulminanten eosinophilen Myokarditis konnte in diesem Fall die Therapie angepasst und ein potentiell letaler Ausgang verhindert werden.