Pulsatil-dynamische, humane Vitalgewebskulturen der Aortenklappe im mikrophysiologischen System

Claudia Dittfeld (Dresden)1, M. Winkelkotte (Dresden)1, E. Voigt (Dresden)1, A. Scheer (Dresden)1, F. Schmieder (Dresden)2, S. Behrens (Dresden)2, A. Jannasch (Dresden)1, K. Matschke (Dresden)1, F. Sonntag (Dresden)2, S. M. Tugtekin (Dresden)1

1Carl Gustav Carus Faculty of Medicine, Technische Universität Dresden, Heart Centre Dresden Department of Cardiac Surgery Dresden, Deutschland; 2Fraunhofer Institute of Materials and Beam Technology, IWS Dresden, Deutschland

 

Einleitung: Die kalzifizierende Aortenklappenstenose (CAVD) ist die häufigste Herzklappenerkrankung und führt ohne Intervention zum Tod. Epidemiologische Veränderungen bedingen den signifikanten Anstieg der Anzahl betroffener Personen in einer Gesellschaft mit stetig steigender Lebenserwartung.

Bisher gibt es keine konservative Therapieform, womit die CAVD lediglich durch die Implantation einer Prothese therapiert werden kann. In translationalen Ansätzen wird versucht, pathophysiologische Signalkaskaden zu verstehen und neue Therapieformen zu entwickeln. In vitro Modelle sind nicht in der Lage, das komplexe Mikromilieu der Aortenklappe abzubilden und in vivo Modelle weisen ein limitiertes Kalzifikationspotenzial und eine aberrante Anatomie auf. Die Einführung eines mikrophysiologischen Systems (MPS) zur dynamischen Kultur von viablem Aortenklappengewebe erlaubt eine heterogene Zellkultur in physiologischer Extrazellularmatrix (EZM) bei gleichzeitiger Simulation biomechanischer Einflüsse.

Hypothese: Basierend auf der ex vivo MPS-Kultur von porcinem Aortenklappengewebe (pAV) und der etablierten Untersuchung der Gewebeviabilität bzw. der EZM-Komposition kann eine Erweiterung zur Kultur von pathologisch verändertem humanem Aortenklappengewebe (hAV) erfolgen, die der Analyse einer pharmakologischen Einflussnahme dienen soll. 

Material und Methoden: Zur Untersuchung von humanem Gewebe wurden makroskopisch nicht kalzifizierte 3 x 5 mm² Proben aus explantierten hAV zugeschnitten und auf 10 ± 0,5 mg normiert (n=3). Analog zu den pAV-Vorversuchen wurden die Zuschnitte in die tissue incubation chamber (TIC) des MPS eingenäht und über einen Zeitraum von 26 Tagen bei maximalen Scherkräften von 0,26 dyn/cm² dynamisch-pulsatil inkubiert. Zur Untersuchung von Viabilität und EZM wurden LDH sowie DAPI, MOVAT Pentachrome, Pikrosiriusrot und Alizarinrot Färbungen an hAV‑Gefrierschnitten durchgeführt.

Resultate: Die LDH-Viabilitätsfärbung nach pulsatil-dynamischer Gewebskultur ergab eine 1,9-mal höhere Gewebeviabilität im Vergleich zu statischen Kontrollen. Aufgrund der hohen Heterogenität der Proben, ließ sich jedoch keine statistische Signifikanz ableiten (n=3). Im Gegensatz zu den pAV-Proben zeigten die 26 Tage inkubierten hAV‑Zuschnitte keine Reduktion der Gewebequerschnittsoberfläche. Die humanen Proben wiesen in der DAPI-Kernfärbung mit 548,9 ± 323,1 Zellen/ mm² eine dreimal geringere Zelldichte als pAV-Proben auf. Während der Kollagenanteil von pAV-Proben durch die Inkubation signifikant anstieg, war bei hAV-Zuschnitten in der Pentachrome und Pikrosiriusrot Färbung keine Veränderung detektierbar. Die Alizarinrot Färbung unterstrich die starke Heterogenität der humanen Proben mit einer positiv gefärbten kalzifizierten Gewebequerschnittsoberfläche von 0 – 30 %, die vermutlich auf den unterschiedlichen Gewebsumstrukturierungsprogress zurückzuführen ist.

Schlussfolgerung: Das etablierte MPS ermöglicht erstmals eine dynamisch inkubierte Vitalgewebskultur von hAV-Zuschnitten bei gleichzeitiger Kontrolle von Viabilität und EZM‑Komposition. Der Viabilitätsvorteil der dynamischen gegenüber der statischen Kultur muss aufgrund der ausgeprägten Heterogenität der hAV‑Proben weiterführend untersucht zu werden. Pathologisch veränderte hAV-Zuschnitte können für die Testung pharmazeutischer Substanzen in einem ex vivo Modellsystem genutzt werden, das eine Abbildung des in vivo Gewebeverbundes mit biomechanischen Einflussfaktoren erlaubt.
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