HERZMEDIZIN: Herr Professor Stellbrink, seit dem 1.1.2023 gilt der neue Vertrag zum ambulanten Operieren, der AOP-Vertrag. Neben neuen ambulant zu erbringenden Leistungen soll auch die Abrechnung sogenannter „Hybrid-DRG“ ermöglicht werden. Wo bestehen aktuell noch wesentliche Unklarheiten?
Stellbrink: Leider gibt es noch wenig Klarheit zu den Hybrid-DRG nach § 115f SGB V. Die Partner der Selbstverwaltung – DKG, GKV-SV und KBV – sollten sich bis Ende März 2023 einigen, welche Leistungen, die im Jahr 2023 neu in den AOP-Katalog aufgenommen wurden, in die Liste der Hybrid-DRG gehen sollen. Schon das ist nicht gelungen, so dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in die Ersatzvornahme gehen will. Bisher gibt es aber auch dazu noch keine Beschlüsse.
Auch ist immer noch nicht klar, wie die Vergütung der Hybrid-DRG aussehen soll. Zu hoffen ist, dass diese oberhalb der Vergütung laut des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) liegen wird. Es ist auch davon auszugehen, dass schon im Jahr 2024 weitere Leistungen in den AOP-Katalog aufgenommen werden. Erste Verhandlungen dazu beginnen schon demnächst. Umso wichtiger ist es, jetzt endlich Klarheit zu bekommen, welche Leistungen denn bisher in die Hybrid-DRG gehen sollen und wie dies vergütet wird.
HERZMEDIZIN: In einem Positionspapier hat die DGK bereits Stellung genommen, welcher Voraussetzungen es aus fachlicher Sicht für die ambulante Erbringung kardiologischer Leistungen bedarf. Ergänzend bietet die DGK nun eine Hilfestellung zum Umgang mit den sogenannten Kontextfaktoren aus dem AOP-Vertrag. Wie sieht diese Hilfestellung aus und welche Rolle spielt der „Arzt-Vorbehalt“ dabei?
Stellbrink: Die mit dem neuen AOP-Vertrag publizierten "Kontextfaktoren" sollen die bisherigen G-AEP-Kriterien (German Appropriateness Evaluation Protocol) ersetzen. Die Kontextfaktoren sind nicht hinreichend genau zur Identifizierung solcher Hochrisikopatienten und -patientinnen geeignet, die z. B. zu viele Ko-Morbiditäten aufweisen, um einen Eingriff, der ansonsten ambulant durchzuführen ist, dennoch stationär abrechnen zu können. Eine direkte Einflussnahme der DGK als Fachgesellschaft auf die Kontextfaktoren war im bisherigen Verfahren nicht möglich.
Allerdings ist im § 2 des AOP-Vertrags der sogenannte "Arzt-Vorbehalt" enthalten, d. h. die behandelnde Person, die den Eingriff durchführt, muss sich vergewissern, dass Art und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands der zu behandelnden Person die ambulante Durchführung erlauben. Die Ärztin oder der Arzt muss außerdem prüfen, ob die betroffene Person nach dem Eingriff im häuslichen Umfeld angemessen versorgt ist. Genau zu diesen Fragestellungen hat die DGK vor einigen Jahren im Konsens mit dem Medizinischen Dienst (MD) Kriterien entwickelt, die nun aktualisiert den Mitgliedern als "Checklisten" zur Verfügung gestellt werden.
"Es ist schon sehr enttäuschend, dass der Gedanke des 'Shared Decision-Making' im aktuellen AOP-Vertrag keine Rolle spielt."
Prof. Christoph Stellbrink, Universitätsklinikum OWL