Eine erste Version eines oral applizierbaren PCSK9-Hemmers ist in einer Phase-I-Studie bei mit Statinen vorbehandelten Patienten auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet worden. Die damit erzielte LDL-Cholesterin-Senkung kann sich sehen lassen.
Eine erste Version eines oral applizierbaren PCSK9-Hemmers ist in einer Phase-I-Studie bei mit Statinen vorbehandelten Patienten auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet worden. Die damit erzielte LDL-Cholesterin-Senkung kann sich sehen lassen.
Von: Peter Overbeck
24.11.2021
Die Protease Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) ist bekanntlich ein zentraler Regulator des Plasma-LDL-Cholesterins (LDL-C) und damit auch eine wichtige Zielstruktur („target“) für medikamentöse Therapien zur Cholesterinsenkung. Zur LDL-C-Senkung via PCSK9-Hemmung stehen heute mit Alirocumab und Evolocumab zwei monoklonale Anti-PCSK9-Antikörper zu Verfügung, die beide in regelmäßigen Abständen subkutan injiziert werden müssen.
Die Entwicklung oraler PCSK9-Hemmer galt lange Zeit als nicht realisierbar. Diese Einschätzung ist wohl mittlerweile widerlegt worden. In den Forschungslaboren des US-Unternehmens Merck (in Deutschland: MSD) scheint man jedenfalls Mittel und Wege gefunden zu haben, um auch mit einem oral zugeführten Wirkstoff zu einer wirksamen PCSK9-Hemmung zu gelangen.
Der neue und bislang als MK-0616 bezeichnete Wirkstoff entstammt einer Zusammenarbeit zwischen Merck und dem US-Unternehmen RA-Pharmaceuticals, das mit der Produktion makrozyklischer Peptide befasst ist. Merck-Forschern ist es offenbar gelungen, entsprechende Peptide so zu optimieren, dass daraus ein Medikament mit Anti-PCSK9-Wirkung synthetisiert werden konnte, das über eine ausreichende Stabilität und Bioverfügbarkeit für die orale Anwendung verfügt.
Erste Einblicke in die klinische Entwicklung von MK-0616 geben zwei randomisierte placebokontrollierte Phase-1-Studien, die Dr. Douglas Johns, Direktor für Translationale Forschung/Klinische Pharmakologie am Merck-Forschungslabor in Kenilworth, New Jersey, beim AHA-Kongress 2021 vorgestellt hat.
In der ersten, im „Cross-over“-Design angelegten Studie waren 60 gesunde männliche Probanden im Alter von 18 bis 50 Jahren mit MK-0616 in unterschiedlichen Dosierungen (10 mg bis 300 mg einmal täglich) oder Placebo behandelt worden. Alle MK-0616-Einzeldosen einschließlich der niedrigsten (10 mg) senkten die PCSK9-Spiegel im Blut um mehr als 90% in Relation zum Ausgangswert, berichtete Johns.
Teilnehmer an der zweiten Studie waren 40 Männer und Frauen (mittleres Alter: 57,7 Jahre), die zuvor für die Dauer von mindestens drei Monaten eine Statin-Behandlung erhalten hatten. Additiv zum Statin nahmen sie für die Dauer von 14 Tagen entweder MK-0616 (10 mg und 20 mg) oder Placebo ein. Nach zwei Wochen hatte die Behandlung mit MK-0616 die LDL-Cholesterin-Spiegel um 65% in Relation zum Ausgangswert gesenkt, so Johns.
Die Verträglichkeit von MK-0616 war gut: Schwerwiegende Nebenwirkung oder gar Todesfälle mit Zusammenhang mit der MK-0616-Behandlung wurden nicht beobachtet. Zu verzeichnen waren nur relativ leichte Beschwerden wie Unwohlsein, Dyspepsie oder Kopfschmerzen.
Nach Ansicht von Johns sind die Studienergebnisse „vielversprechend“, sprächen sie doch für eine „robuste LDL-C-senkende Wirkung additiv zu Statinen“. MK-0616 habe das Potenzial für einen sehr effektiven Cholesterinsenker, der dabei helfen könnte, bestehende Schranken in der Lipidtherapie zu überwinden und bei mehr Menschen die LDL-C-Spiegel auf die empfohlenen Zielwerte zu senken.
Zu diesen Schranken zählen allerdings auch die mit den derzeit verfügbaren PCSK9-Hemmern verbundenen hohen Therapiekosten. Bei der Frage, ob aus der klinischen Entwicklung von MK-0616 am Ende vielleicht eine preisgünstigere PCSK9-Hemmer-Variante resultieren könnte, musste Johns allerdings passen: Das lasse sich derzeit einfach nicht voraussagen.
The Clinical Safety, Pharmacokinetics, and LDL-Cholesterol Lowering Efficacy of MK-0616, an Oral PCSK9 Inhibitor. Vorgestellt in der Sitzung „Late Breaking Science Session 6. Fish Oil and Cholesterol: Recipes for CVD Prevention?” beim Kongress der American Heart Association (AHA 2021), 13. – 15. November 2021