Orale Antikoagulation: Bringt ein neuer Faktor-XIa-Hemmer noch mehr Sicherheit?

Der orale Gerinnungshemmer Asundexian aus der neuen Wirkstoffgruppe der Faktor-XIa-Hemmer soll thromboembolische Ereignisse bei nur noch minimalem Blutungsrisiko verhindern. Ergebnisse einer Phase-II-Studie scheinen für ein optimiertes Nutzen/Risiko-Profil zu sprechen.

Von Peter Overbeck

 

13.04.2022

Die antithrombotische Therapie ist bekanntlich ein zweischneidiges Schwert: Je stärker die präventive Wirkung auf thrombotische Ereignisse wie Herzinfarkte, desto höher ist in der Regel auch die Gefahr von Blutungen. In der Forschung wird deshalb kräftig daran gearbeitet, die erwünschte Wirkung auf die Thrombusentstehung von der Wirkung auf die physiologische Hämostase zu entkoppeln.

 

Das hat zur Entwicklung von neuen Faktor-XIa-Hemmern geführt. Aktiviertem Gerinnungsfaktor XIa wird eine wesentliche pathogenetische Beteiligung an der Entstehung von Thrombosen (Thrombus-Wachstum), aber nur eine geringe Bedeutung für die physiologische Hämostase beigemessen. Dazu passen Beobachtungen, wonach Menschen mit erblichem Faktor-XI-Mangel ein niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen, ohne vermehrt von spontanen Blutungen oder Hämatomen betroffen zu sein. Mit der Entwicklung von Faktor-XIa-Hemmern verbindet sich deshalb die Hoffnung, damit thrombotische Ereignisse mindestens ebenso wirksam verhindern zu können wie mit derzeit verfügbaren Nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien (NOAK) - und zugleich die Antikoagulation noch sicherer zu machen.

Im direkten Vergleich mit Apixaban geprüft

Aktuell beim ACC-Kongress 2022 vorgestellte Ergebnisse der PACIFIC-AC-Studie geben dieser Hoffnung Nahrung. Mit dem vom Unternehmen Bayer entwickelten Wirkstoff Asundexian stand in dieser randomisierten Phase-II-Studie zur Dosisfindung ein „small molecule“-Faktor-XIa-Inhibitor auf dem Prüfstand. Asundexian ist darin in zwei Dosierungen mit dem Faktor-Xa-Hemmer Apixaban in Standarddosierung verglichen worden.

 

In der in 12 europäischen Ländern sowie in Kanada und Japan durchgeführten Studie waren 755 Probanden (mittleres Alter 73,7 Jahre, 41% weiblich) mit diagnostiziertem Vorhofflimmern per Zufallszuteilung einer Behandlung mit Asundexian 20 mg einmal täglich (n = 249) oder 50 mg einmal täglich (n = 254) oder mit Apixaban 5 mg zweimal täglich (n = 250) zugeordnet worden. Die Dauer der verblindeten Behandlung betrug 12 Wochen. Der mittlere CHA2DS2-VASc-Score der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern als Maß für das Thromboembolie-Risiko bei Vorhofflimmern betrug 3,9.

 

Asundexian bewirkte in der 20-mg-Dosierung bei Talspiegel-Konzentrationen im Blut eine Hemmung der Faktor-XIa-Aktivität um 81% (90% in der 50 mg-Dosierung) und bei Peak-Konzentrationen eine Hemmung um 92% (94 % in der 50 mg-Dosierung).

Weniger Blutungsereignisse mit Asundexian

Primärer Endpunkt waren schwerwiegende bzw. klinisch relevante, weniger schwere Blutungen gemäß ISTH-Klassifikation (International Society on Thrombosis and Haemostasis). Bei zehn Patienten kam es zu klinisch relevanten, weniger schweren Blutungen. Wurden auch nicht unter den primären Endpunkt fallende leichtere Blutungen (ISTH minor bleeding) berücksichtigt, waren insgesamt 48 Blutungsereignisse (all bleeding) zu verzeichnen.

 

Die Blutungsraten bei mit Asundexian behandelten Patienten waren allgemein niedriger als in der Apixaban-Gruppe. Die Inzidenzraten-Ratio (ratio of incidence proportions) für den primären Endpunkt in Relation zur Apixaban-Behandlung (sechs Blutungsereignisse) betrug 0,5 für 20 mg Asundexian (drei Ereignisse), 0,16 für 50 mg Asundexian (ein Ereignis) und 0,33 für beide gepoolten Asundexian-Gruppen (vier Ereignisse).

 

Insgesamt traten Blutungsereignisse des primären Endpunktes mit 4/503 (0,8%) versus 6/250 (2,4%) unter Asundexian deutlich seltener auf als unter Apixaban. Bezüglich aller Blutungen lag die Inzidenzraten-Ratio bei 0,42 für die gepoolten Asundexian-Gruppen, bei 0,46 für 20 mg Asundexian 20 mg und bei 0,38 für 50 mg Asundexian.

 

Die Gesamtraten für alle registrierten unerwünschten Effekte bewegten sich mit 47% (20 mg Asundexian), 47% (50 mg Asundexian) sowie 49% (Apixaban) in den drei Gruppen auf nahezu gleichem Niveau.

Wegbereiter für die entscheidende Phase-III-Studie?

Die Studienautoren um Dr. Jonathan P. Piccini vom Duke Clinical Research Institute, Duke University School of Medicine, Durham, betonen, dass PACIFIC-AF die erste Studie sei, in der eine Faktor-XIa-Hemmung direkt mit einer Faktor-Xa-Hemmung durch ein NOAK verglichen worden ist. Bemerkenswert sei, dass im Vergleich zu Apixaban, das selbst bereits mit einem relativ niedrigen Blutungsrisiko einhergehe, Blutungsereignisse durch Asundexian noch einmal um mehr als 50% verringert wurden – bei nahezu kompletter Hemmung der „In vivo“-Faktor-XIa-Aktivität.

 

Da jedoch in der Studie die tatsächliche Rate an Blutungen niedriger als erwartet war, lasse sich das Ausmaß einer möglichen relativen Risikoreduktion durch Asundexian noch nicht exakt bestimmen, schränken Piccini und seine Kollegen ein. Die Ergebnisse der PACIFIC-AF-Studie lieferten allerdings eine „vernünftige Rationale“ dafür, nun in einer Phase-III-Studie definitiv zu klären, ob Asundexian den heute zur Schlaganfall-Prophylaxe bei Vorhofflimmern genutzten Therapien tatsächlich überlegen ist.

 

Außer Asundexian befinden sich derzeit noch diverse andere Faktor-XIa-Hemmer in der klinischen Entwicklung. Darunter sind subkutan applizierte Antisense-Oligonukleotide oder monoklonale Antikörper, aber auch andere oral zu verabreichende Inhibitoren wie Milvexian. Milvexian hat sich in der randomisierten AXIOMATIC-TKR Studie bereits in der Thromboseprophylaxe nach Kniegelenks-OP als sehr effektiv erwiesen – bei im Vergleich zu Enoxaparin niedrigerem Blutungsrisiko.


Literatur

Piccini J: PACIFIC AF: Multicenter, Randomized, Active Comparator-controlled, Double-blind, Double-dummy, Parallel Group, Dose-finding Phase 2 Study Comparing the Safety of the Oral FXIa Inhibitor Asundexian With Apixaban in Patients With Atrial Fibrillation, Featured Clinical Research II, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 3. April in Washington

 

Piccini JP et al.: Safety of the oral factor XIa inhibitor asundexian compared with apixaban in patients with atrial fibrillation (PACIFIC-AF): a multicentre, randomised, double-blind, double-dummy, dose-finding phase 2 study. Lancet 2022, 

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