PCI bei hohem Blutungsrisiko: Ein Monat DAPT reicht

Die Ergebnisse der MASTER DAPT-Studie erhöhen die Sicherheit, bei PCI-Patienten mit hohem Blutungsrisiko die Dauer der duale Plättchenhemmung kurz zu halten. Es bleibt aber die Frage, ob dies für alle modernen Stents gilt.

Von Dirk Einecke

 

03.09.2021

Deeskalations-Strategien bei der dualen Thrombozytenhemmung (DAPT) post-PCI sind ein aktueller Trend. Doch bei Patienten mit hohen Blutungsrisiken mangelte es bislang an randomisierten Studien. Leitlinien empfehlen hier zwar bereits eine verkürzte DAPT, allerdings mit dem Evidenz-Niveau C (Expertenmeinung).

 

Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der auf dem ESC-Kongress 2021 und zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlichten MASTER DAPT-Studie willkommen. Sie sind „wichtig und bringen uns voran auf dem Weg zu kürzeren und einfacherer antithrombotischen Strategien nach PCI. Vor allem sind sie gute Nachrichten für Patienten mit hohen Blutungsrisiken nach Stent-Implantation“, schreibt der Kardiologe Prof. Erik Magnus Ohman von der Duke University in Durham in einem begleitenden NEJM-Editorial.

Keine Erhöhung für thrombotische Komplikationen

Die DAPT auf einen Monat zu begrenzen ist einer längeren dualen Plättchenhemmung von drei und mehr Monaten bezüglich thrombotischer Komplikationen nicht unterlegen und reduziert die Rate schwerer und klinisch relevanter Blutungen, berichtete Studienautor Prof. Marco Valgimigli vom Cardiocentro Ticino Institute in Lugano/Schweiz.

 

In der pragmatischen, weil offenen Studie erhielten alle 4.579 Patienten, die bei einer PCI alle mit dem biologisch abbaubaren und mit Sirolimus beschichteten Ultimaster-Koronarstent der Firma Terumo versorgt worden waren, einen Monat lang zwei Thrombozytenhemmer. Dann wurde randomisiert, sofern es im ersten Monat weder zu thrombotischen noch zu Blutungskomplikationen gekommen war. Bei der einen Hälfte setzte man einen Thrombozytenhemmer sofort ab. Bei der anderen Hälfte wurde entweder mindestens weitere zwei bzw. weitere fünf Monate lang dual weiterbehandelt – je nachdem, ob zusätzlich ein orales Antikoagulans (OAC) mit an Bord sein musste, was bei 36% der Fall war, etwa wegen bestehendem Vorhofflimmern. Verglichen wurden letztlich eine DAPT über median 34 Tage mit einer DAPT über 193 Tage. 

All-Comer-Studie bei Patienten mit Blutungsrisiken

Die Patienten der MASTER DAPT-Studie wiesen alle ein hohes Blutungsrisiko auf. Definiert war dies etwa durch gleichzeitige OAC-Therapie seit über einem Jahr, behandlungsbedürftige Blutungsepisoden im Vorjahr, Alter über 75 Jahren, maligne oder andere Grundkrankheiten mit erhöhtem Blutungsrisiko, Langzeittherapie mit Steroiden oder NSAR, Anämie oder Transfusion, oder Schlaganfall bzw. TIA im letzten Halbjahr.

 

Bei den Patienten, die nach einem Monat nur noch einen Plättchenhemmer erhielten, entschieden sich die Ärzte zu 56% für Clopidogrel, zu 31% für ASS, zu 14% für Ticagrelor. Offenbar griff man angesichts der hohen Blutungsgefahr selten zu den potenten P2Y12-Antagonisten. Bei je der Hälfte der Patienten war ein akutes bzw. ein chronisches Koronarsyndrom Anlass für die PCI.

 

Es gab drei Endpunkte, die in hierarchischer Reihenfolge nach 335 Tagen ausgewertet wurden. Zum einen nachteilige klinische Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, schwere Blutung), zum zweiten schwere thrombotische Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall), zum dritten schwere und klinisch relevante Blutungen.

 

Die ersten beiden Endpunkte wurden auf Nichtunterlegenheit in der Per-Protokoll-Analyse ausgewertet. Dies traf in beiden Fälle zu: Bei verkürzter DAPT kam es in 7,5% der Fälle zu ungünstigen klinischen Ereignisse vs. 7,7% bei längerer DAPT, die Raten für thrombotische Komplikationen lagen bei entsprechend 6,1% vs. 5,9%.

Weniger klinisch relevante Blutungen

Dadurch konnte der dritte Endpunkt in einer Intention-to-Treat-Analyse hinsichtlich einer Überlegenheit der verkürzten DAPT ausgewertet werden – und diese Überlegenheit zeigte sich tatsächlich: bei Raten schwerer oder klinisch relevanter Blutungen von 6,5% (verkürzte DAPT) vs. 9,4% (Standard-DAPT) mit einem p-Wert von unter 0,001. Allerdings waren für den Unterschied vor allem Blutungen der minder schweren BARC-2-Klasse verantwortlich.

 

Valgimiglis Fazit lautete, dass die einmonatige DAPT nach einer PCI bei Patienten mit hohen Blutungsrisiken das Blutungsrisiko reduziert, ohne dass dadurch die antithrombotische Schutzwirkung nachlässt. Da es bezüglich Anzahl, Lokalisation und Komplexität der Koronarläsionen sowie dem klinischen Erscheinungsbild keine Limitationen gab, seien die Ergebnisse für eine große Patientengruppe relevant. Ob sie allerdings auch für andere Stents extrapoliert werden können, wurde beim ESC-Kongress kontrovers diskutiert.  

Auswertung der Patienten mit Indikation für Antikoagulanzien

Kurze Zeit nach der Präsentation der MASTER DAPT-Studienergebnisse wurden auch jene der Subgruppe von 1.669 Patienten publiziert, die zusätzlich mit oralen Antikoagulanzien behandelt wurden. Das wesentliche Ergebnis: Auch bei diesen Patienten kann die DAPT-Dauer gefahrlos auf einen Monat verkürzt werden. Die Raten thrombotischer Komplikationen waren vergleichbar. Blutungskomplikationen waren im Trend seltener.

 

Dass letzteres Ergebnis nicht signifikant war, mag an der Scheu von nicht wenigen Patienten (17%) gelegen haben, Clopidogrel nach sechs Monaten auch wirklich abzusetzen. Eine Analyse nur der Patienten, die Clopidogrel protokoll-gemäß absetzten, zeigte ein signifikant geringeres Blutungsrisiko.

 

Das Protokoll für die OAC-Patienten hatte vorgesehen, die DAPT entweder auf einen Monat zu beschränken und anschließend für fünf weitere Monate nur Clopidogrel zu geben, oder aber wenigstens drei Monate lang dual zu behandeln und anschließend Clopidogrel bis ein Jahr nach der PCI zu geben. Damit wurde die Triple-Therapie in der Studie allerdings länger gegeben, als es heute die Leitlinien empfehlen.


Literatur

Valgimigli M: dual antiplatelet therapy after coronary stenting in high bleeding risk patients, Hot Line - MASTER DAPT, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021

 

Valgimigli, M. et al. Dual Antiplatelet Therapy after PCI in Patients at High Bleeding Risk. N Engl J Med 2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2108749

 

Ohman EM, The Evolving Post-PCI Antithrombotic Therapies; N Engl J Med 2021, DOI: 10.1056/NEJMe2112747

 

Smith PC., et al.; Abbreviated antiplatelet therapy in patients at high bleeding risk with or without oral anticoagulant therapy after coronary stenting: an open-label, randomized, controlled trial. Circulation 2021, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056680

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