Vorhofflimmern: Erst abwarten statt gleich kardiovertieren kann von Vorteil sein

Eine Kardioversion muss bei symptomatischem Vorhofflimmern nicht zwingend sofort erfolgen. Denn häufig kehrt der Sinusrhythmus spontan zurück. Wird zunächst abgewartet, kann vielen Patienten die Kardioversion erspart werden, ohne dass Abstriche bei den Behandlungsergebnissen  gemacht werden müssen, zeigt eine neue Studie.

Von Peter Overbeck

 

25.03.2019

Bei hämodynamisch stabilen Patienten, die mit symptomatischem Vorhofflimmern in die Notaufnahme kommen, kann durch sofortige Kardioversion mit hoher Erfolgsquote eine Konversion in Sinusrhythmus herbeigeführt werden. Im klinischen Alltag ist das deshalb gängige Praxis. Aber ist eine routinemäßige akute Arrhythmie-Terminierung in diesen Fällen unbedingt notwendig?

 

Anscheinend nicht. Ergebnisse einer neuen Studie legen jedenfalls nahe, dass eine „Wait-and-See“-Strategie, bei der zunächst abgewartet wird, welche Patienten wegen spontaner Konversion in Sinusrhythmus ohne Kardioversion auskommen und welche nicht, zu ebenso guten Ergebnissen führt wie eine generelle Strategie der sofortigen Kardioversion. Studienleiter Prof. Harry Crijns vom Maastricht University Medical Center in den Niederlanden hat die Ergebnisse der RACE 7 ACWAS (Rate Control versus Electrical Cardioversion Trial 7 – Acute Cardioversion versus Wait and See) benannten Studie beim Kongress der European Heart Rhythm Association (EHRA) 2019 in Lissabon vorgestellt. Sie sind zeitgleich im „New England Journal of Medicine” publiziert worden.

Kardioversion erfolgte primär pharmakologisch

An der randomisierte Multicenter-Studie waren 437 hämodynamisch stabile Patienten beteiligt, die mit seit kurzem (<36 Stunden)  verspürtem Vorhofflimmern in die Notaufnahme an 15 Kliniken in den Niederlanden gekommen waren. Nach erfolgter Randomisierung ist bei der Hälfte der Teilnehmer entsprechend der üblichen Praxis eine sofortige Kardioversion eingeleitet worden, die primär auf pharmakologischem Weg (zumeist mit Flecainid) erfolgte. Erst bei Unwirksamkeit oder Kontraindikationen gegen diese Behandlung kam die Elektrokardioversion zum Einsatz.

 

Bei der anderen Hälfte der Studienteilnehmer wurde eine abwartenden „Wait-and-See"-Vorgehensweise praktiziert. Patienten dieser Gruppe wurden zunächst nur mit Medikamenten zur Frequenzkontrolle behandelt. Im Fall von Sinusrhythmus oder Vorhofflimmern mit nicht zu hoher Kammerfrequenz (weniger als 110 Schläge/Minute)  wurden sie dann unter der Auflage, am nächsten Tag zur EKG-Kontrolle erneut in der Klinik zu erscheinen, nach Hause entlassen. Nur in Fällen, in denen innerhalb von 48 Stunden keine Rückkehr zum normalen Sinusrhythmus feststellbar war, erfolgte dann eine Kardioversion. Bei allen Studienteilnehmern wurde größten Wert auf die Initiierung oder Fortsetzung einer leitliniengerechten antithrombotischen Therapie zur Embolieprophylaxe gelegt.

 

Primärer Endpunkt der Studie war die Rate der Patienten, bei denen das EKG zum Zeitpunkt nach vier Wochen Sinusrhythmus anzeigte. Mit 91% (verzögerte Kardioversion) und 94% (sofortige Kardioversion) unterschieden sich die Raten in beiden Gruppen nur relativ geringfügig. Das Ziel der Studie, die „Nicht-Unterlegenheit“ der „Wait-and-See“-Strategie zu beweisen, konnte damit erreicht  werden (p=0,005 für Nicht-Unterlegenheit).

Spontane Konversion in 69% der Fälle

In der Gruppe, in der zunächst abgewartet worden war, stellte sich bei 69% aller Patienten auch ohne Kardioversion innerhalb von 48 Stunden spontan wieder Sinusrhythmus ein; bei weiteren 28% bedurfte es in dieser Gruppe dagegen zur Terminierung von Vorhofflimmern der verzögert vorgenommenen Kardioversion. In der Gruppe mit früher Kardioversion kehrte der normale Herzrhythmus in 16%  der Fälle schon während der Vorbereitungen spontan zurück. Nach der Kardioversion waren in dieser Gruppe 78% der Patienten frei von Vorhofflimmern. 

 

Von allen Studienteilnehmern (n=335), deren Herzrhythmus mittels telemetrischem Rhythmusmonitoring vier Wochen lang überwacht werden konnte, hatten 30% (verzögerte Kardioversion) und 29% (frühe Kardioversion) in dieser Zeit nachweisbare Vorhofflimmern-Rezidive. Bei jeweils 7% der Patienten in beiden Gruppen führten solche Arrhythmie-Rezidive zu erneuten Klinikaufnahmen.

Auch bei Symptomen und Lebensqualität kein Unterschied

Nach diesen Ergebnissen hat die gängige Strategie einer akut vorgenommenen Kardioversion zwar den Vorteil, dass eine Konversion in Sinusrhythmus früher erreicht wird. Auf die Rate der Patienten, die sich nach vier Wochen eines Sinusrhythmus erfreuen, wirkte sich dies aber augenscheinlich nicht aus. 

 

Zwar liegt die Annahme nahe, dass die frühe Kardioversion einen günstigeren Einfluss auf Symptome und Lebensqualität der Behandelten gehabt haben könnte. In der RACE 7 ACWAS-Studie gab es allerdings auch diesbezüglich keinen Unterschied. Denn schließlich dürfte sich auch die initiale medikamentöse Frequenzkontrolle in der Gruppe mit verzögerter Kardioversion positiv auf die Symptomatik ausgewirkt haben.

 

Die mediane Gesamtdauer des Aufenthalts der Patienten in der Notaufnahme  war im Übrigen in der Gruppe mit verzögerter Kardioversion signifikant um knapp 30 Minuten kürzer als in der Vergleichsgruppe  (120  vs.158 Minuten).


Literatur

Vorgestellt beim Kongress der European Heart Rhythm Association (EHRA) 2019,  17. – 19. März 2019, Lissabon

 

Nikki A.H.A. Pluymaekers et al.: Early or Delayed Cardioversion in Recent-Onset Atrial Fibrillation, N Engl J Med. 2019, online 18. März, DOI: 10.1056/NEJMoa1900353

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