Zeitzeugen-Interview: Prof. Gunther Arnold

 

Mit Zeitzeugen-Interviews möchte das Historische Archiv der DGK unter Leitung von Dr. Fokko de Haan, spannende historische Entwicklungen aufzeigen und die Lebenswege bedeutender Persönlichkeiten der Kardiologie nachzeichnen. Der Blick in die Vergangenheit hilft, den heutigen Stand und zukünftige Entwicklungen in der Welt der Kardiologie besser zu verstehen.


Im Februar 2021 sprach Dr. Fokko de Haan mit Prof. Gunther Arnold.

Von:

Dr. Fokko de Haan

Historisches Archiv der DGK

 

27.08.2025

 

Bildquelle (Bild oben): kanetmark / Shutterstock.com

 

de Haan: Wie erlebten Sie Ihre Kindheit? 

Arnold: Die Familie Arnold lebte damals in Wiesbaden, wo mein Vater als Kfz-Meister tätig war. 1937 wurde er Betriebsleiter bei einem Automobilkonzern in Düsseldorf. Deswegen zogen wir dorthin um. Zu meinen Eltern und meinem älteren Bruder Michael, der später Professor für Anatomie und Gesundheitsökonomie in Tübingen wurde, hatte ich ein vorbildliches und familiäres Verhältnis. Ich habe rückblickend mein Elternhaus in bester Erinnerung. 

de Haan: Wie fanden Sie den Weg in die Physiologie, respektive die Kreislaufphysiologie? 

Arnold: Als Kind war ich, wie auch heute noch, ein Flugzeugnarr. Ursprünglich wollte ich Flugzeugbau studieren, aber schnell merkte ich, dass meine naturwissenschaftlichen Fähigkeiten, insbesondere in Mathematik und Physik, nicht ausreichend waren. Mein Bruder lenkte mein Interesse auf die Medizin, und so entstand meine Beschäftigung mit der damals aufkommenden Luftfahrtmedizin. Insbesondere Fragen zur Höhen- und Kreislaufphysiologie fand ich sehr interessant. 

de Haan: Koronarperfusion, Ventrikelfunktion und Tierexperimente waren Ihre Themen. Später die Entwicklung der pulsatilen Pumpe und Hundeversuche mit dem Ziel eines Linksherzunterstützungssystems. War das notwendig für die heutigen eher molekularen und zellulären Forschungsschwerpunkte? 

Arnold: Zur damaligen Zeit wurden in den meisten Universitätsinstituten Großtierexperimente durchgeführt, da Interesse und die Möglichkeiten für molekulare und zelluläre Forschung noch in den Anfängen steckten. Wenngleich auf den beiden letztgenannten Gebieten enorme Fortschritte zu beobachten sind, so bin ich der Ansicht, dass man an einigen Stellen zur Beurteilung von molekularen und zellulären Forschungsergebnissen vor der klinischen Einführung nicht auf Großtierexperimente verzichten kann.

Zur Person

Prof. Gunther Arnold

Prof. Gunther Arnold (*21. Februar 1934 in Wiesbaden) war u. a. von 1975 bis 1999 Lehrstuhlinhaber des Instituts für Experimentelle Chirurgie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und von 1989 bis 2007 Geschäftsführer der DGK. Zudem war er als Dekan der Medizinischen Fakultät und als Ärztlicher Direktor an der Universität Düsseldorf tätig sowie als Sekretär für verschiedene Sonderforschungsbereiche verantwortlich.

Prof. Gunther Arnold

Anfänge als Physiologe und Engagement für Sonderforschungsbereiche

 

de Haan: In Ihrer Zeit als Physiologe in Düsseldorf (1963 bis 1975) bauten Sie ein gutes Netzwerk auf: Helmholtz-Institut in Aachen, Physiologie in Göttingen und Gerinnungsphysiologie. Waren die Bedingungen günstiger als heute? 

 

Arnold: Von den Ingenieuren (Verfahrenstechnikern, Aerodynamikern) in Aachen habe ich viel gelernt. Nicht nur von der Göttinger Physiologie, sondern auch von der klinischen Kardiologie in Heidelberg (Prof. Kübler) und der Herzchirurgie in Düsseldorf (Prof. Bircks) habe ich profitiert und sehr viel Unterstützung erfahren. Ich bin der festen Meinung, dass Kooperationen heute wichtiger denn je sind. Entscheidend sind aber der Wille zur Zusammenarbeit und die persönliche Bereitschaft der Beteiligten. 

 

de Haan: Großen Wert legten Sie in der Wissenschaft immer auf den Bezug zur klinischen Relevanz. Außerdem waren Sie ein enthusiastischer Lehrer und Ausbilder für Studierende und Assistierende. Kommt das heute zu kurz? 

 

Arnold: Da habe ich viel von meinem Lehrer und Mentor, Prof. Lochner, gelernt. Aber auch die Professoren Kramer, Grosse-Brockhoff und Bretschneider haben mich mit ihrer Art beeindruckt und begeistert. Die Lehre habe ich stets sehr ernst genommen. Ich habe mich immer bemüht, den Unterricht der Studierenden und auch die Fortbildung der Assistierenden akribisch vorzubereiten. Bis zuletzt hatte ich Herzklopfen vor jeder Vorlesung. Leider ist heute zu beobachten, dass viele Ärztinnen und Ärzte ihren Lehrverpflichtungen ohne die nötige Empathie nachkommen. Allerdings sind heute die Lehrbücher und sonstigen verfügbaren Medien didaktisch deutlich besser als früher. 

 

de Haan: Fast 30 Jahre (1968 bis 1997) engagierten Sie sich als Sekretär in verschiedenen Sonderforschungsbereichen. Dabei gelang es, namhafte Kreislaufforschende zu koordinieren, Sie waren maßgeblich an der nationalen und internationalen Kreislaufphysiologie beteiligt. Waren diese Jahre der Grund für das heutige DHKZ? 

 

Arnold: Im Laufe der Zeit bekam ich eine große organisatorische Erfahrung und konnte wegen der Kontinuität viele Beteiligte an den SFBs beraten. Mir war wichtig, dass diese zum Teil mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgestatteten Grundlagen- und klinischen Forschungsbereiche ernst genommen wurden und die nötige Tiefe erreichten. Das DHKZ wurde erst nach meiner Zeit als DGK-Geschäftsführer gegründet. Vielleicht hat mein stetes Engagement für die Verbindung von Grundlagen- und klinischer Forschung ein wenig dazu beigetragen. 

Zeit als DGK-Geschäftsführer und Zukunftsausblick

 

de Haan: In Ihrer Zeit als Geschäftsführer der DGK (1989 bis 2007) öffnete sich die Gesellschaft von einer eher wissenschaftlichen zu einer klinisch und politisch breit aufgestellten Organisation. Kam Ihnen dabei Ihre Erfahrung als Sekretär der SFBs zugute? Was waren die Knackpunkte?

 

Arnold: Prof. Bretschneider aus Göttingen kannte mich von Gutachtersitzungen der DFG-geförderten Sonderforschungsbereiche und schätzte mich wohl auch. Womöglich hat er mich deshalb damals auch dem Vorstand der DGK als Nachfolger von Prof. Schaper vorgeschlagen. In der Tat war die damalige DGHKF Ende der 80er Jahre stark von Theoretikerinnen und Theoretikern dominiert. Das führte dann zur Gründung der wichtigen Kommission für Klinische Kardiologie, um ein Gleichgewicht zwischen Klinik und Theorie herzustellen. So fand 1974 die erste, rein klinische Herbsttagung der DKG statt (Leitung: Prof. Kaltenbach, Prof. Loogen).

 

1995 wurde vom Vorstand eine Kommission gegründet und damit beauftragt, eine neue Satzung für die Gesellschaft zu erstellen, die den Gruppierungen klinische und theoretische Ordinarien, Kardiologinnen und Kardiologen großer kommunaler Krankenhäuser (ALKK) und niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen (BNK) mehr Einfluss gewähren sollte. Meine Erfahrungen aus den früheren SFBs haben mir sehr geholfen, hier einen wichtigen Beitrag zu leisten. 

 

de Haan: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wohin sollte sich die DGK entwickeln? Was sind die Ziele? 

 

Arnold: Ich sehe die Entwicklung der DGK auf einem sehr guten Weg! Nicht zu vernachlässigen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, aber auch die Kooperationen mit anderen Fächern – abgesehen von der Kinderkardiologie und Herzchirurgie – z. B. der Neurologie, Nephrologie und Diabetologie. Wachsende Bedeutung haben heute eine vermehrte Öffentlichkeitsarbeit und Mitsprache bei politischen Entscheidungen. Dazu engagiert sich die Gesellschaft aus meiner Sicht sehr intensiv und erfolgreich.

Prof. Gunther Arnold 1995 in Bielefeld Prof. Gunther Arnold 1995 in Bielefeld

Entwicklung des Historischen Archivs der DGK

 

de Haan: Mehr als 10 Jahre (2008 bis 2018) entwickelten Sie gemeinsam mit Prof. Lüderitz das Historische Archiv der DGK. Highlights waren das 25-jährige Jubiläum 2002 und die Aufarbeitung der Rolle der Kardiologie im Nationalsozialismus. Sehen Sie das auch so? 

 

Arnold: Ja, das war zunächst Neuland und sicher ein Thema, das Prof. Lüderitz und ich hervorragend gemeistert haben. Der Archivaufbau mit Prof. Lüderitz war geprägt von gegenseitiger Unterstützung und Freundschaft. Hervorzuheben ist, dass der gesamte Fundus des Archivs (Bücher, Sonderdrucke, Bilder und Gerätschaften) ausschließlich durch freiwillige Spenden der Mitglieder zusammenkam. Nur ein EKG-Gerät haben wir für 300 € gekauft. Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang auch die neutrale und sachliche Aufarbeitung der Rolle der DGHKF zur Zeit des Nationalsozialismus. 

 

de Haan: Dank Ihrer Unterstützung gibt es bereits eine erfolgreiche Kooperation des Historischen Archivs der DGK mit der französischen Kardiologengesellschaft. Sollte eine Erweiterung auf europäischer Ebene angestrebt werden? 

 

Arnold: Prof. Jean Jaques Monsuez hat uns als ehrenamtlicher Vertreter der französischen Kardiologengesellschaft öfter in Mannheim besucht und war sehr angetan von unserer Arbeit. Stark unterstützt hat uns auch Frau Isabell Bardinet von der European Society of Cardiology (ESC). Ich bin sehr dafür, die Archivarbeit auf weitere europäische kardiologische Fachgesellschaften auszudehnen. Frühere Bestrebungen, mit England und Polen zu kooperieren, waren bisher nicht erfolgreich. 

 

de Haan: Was halten Sie von einer Vernetzung des Historischen Archivs der DGK mit den benachbarten kinderkardiologischen und herzchirurgischen Gesellschaften? 

 

Arnold: Ja, ich wäre sehr dafür, dass wir uns mit bisher so eng assoziierten Fachgebieten zusammenschließen. Wir haben schon viele Objekte aus der Kinderkardiologie und der Herzchirurgie, und es wäre nur logisch, dies weiter auszubauen. 

Persönliches und Rückblick auf besondere Erfolge

 

de Haan: Mit Fug und Recht könnte man Sie als typischen Rheinländer charakterisieren: offen, aber nicht oberflächlich, im Detail genau, aber nicht kleinkariert, wenig „professorales Gehabe“, dafür mehr gesunder Menschenverstand und stets bemüht, nicht zu polarisieren. Sind das Qualitätsmerkmale, die für Ihren Lebensweg entscheidend waren? 

 

Arnold: Uneingeschränkt: Ja! Ich empfinde mich vielleicht manchmal als etwas zu direkt und kumpelhaft. Dennoch bemühe ich mich, stets fair und neutral zu bleiben. 

 

de Haan: Gibt es Parallelen zwischen Ihrer Leidenschaft als Tierexperimentator und Modellflugzeugbauer? 

 

Arnold: Das kann man vielleicht so sehen, denn beides erfordert technische und handwerkliche Feinarbeit. 

 

de Haan: Welches sind Ihre drei größten Erfolge? 

 

Arnold: Erstens: Der Aufbau der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) – 1989 gestartet mit einer einzigen Sekretärin, in Bad Nauheim. Mit Unterstützung des Rektors der Universität Düsseldorf, Prof. Kaiser, konnte ich der DGK Räumlichkeiten meines Instituts für Experimentelle Chirurgie und sogar zeitweise Mitarbeitende zur Verfügung stellen, sodass die DGK-Geschäftsstelle nach Düsseldorf umziehen konnte. Besonders wichtig war damals die Entscheidung, die Stelle des Schatzmeisters der DGK durch einen Nicht-Mediziner, nämlich mit dem erfahrenen Wirtschaftsprüfer Herrn Dipl.-Kfm. W. Böttcher zu besetzen. Dabei ging es nicht alleine um die Kassenprüfung: Externer Sachverstand, Personalentscheidungen, Vertragsgestaltung mit Industrie und Kongressorganisationen spielten auch eine wichtige Rolle. Beim Ausbau der Geschäftsstelle habe ich als Geschäftsführer immer dafür gesorgt, dass ehrenamtliche Funktionsträgerinnen und Funktionsträger von organisatorischen Aufgaben weitgehend befreit wurden.

 

Zweitens: Ein großer Erfolg ist aus meiner Sicht die Gründung der Weiterbildungsakademie. Einen entscheidenden Anstoß gab mir Dr. Lewerich, den ich durch meine Zusammenarbeit mit dem Steinkopff-Verlag gut kannte und der später Geschäftsführer der Radiologinnen und Radiologen war, bei denen Weiterbildung Pflicht ist (Strahlenschutzverordnung). 2002 gab der Vorstand grünes Licht und mit Unterstützung durch Prof. Most, Weiterbildungsbeauftragter der Ärztekammer Westfahlen-Lippe, konnten wir beginnen. Organisation und Thematik der Weiterbildungsveranstaltungen oblag dann Prof. Katus, damals Vorsitzender der Kommission für Aus-, Fort- und Weiterbildung.

 

Und drittens: Ein weiterer wichtiger Erfolg war, dass ich Dr. Papoutsis, der zuvor in meinem damaligen Universitätsinstitut als Mathematiker und IT-Experte arbeitete, für die DGK gewinnen konnte. Mit Intelligenz, schneller Auffassungsgabe und organisatorischem Talent trug er zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit bei, und ich bin stolz darauf, dass ich ihn dem Vorstand als meinen Nachfolger für die Geschäftsführung vorgeschlagen habe. Wie sich die heutige DGK darstellt, zeigt, dass meine Empfehlung richtig war.

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