HERZMEDIZIN: Was hat zu der Gründung der Task Force geführt?
Maack: Die DGK wurde eingeladen, sich an der Arbeitsgruppe (AG) Planetary Health der Ständigen Leitlinienkommission der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu beteiligen. Der Vorstand der DGK befand, dass das Thema der Planetaren Gesundheit, welches auch einen Schwerpunkt im Programm des Tagungspräsidenten bei der Jahrestagung darstellte, ein wichtiges und zeitiges Thema sei, für welches die DGK eine eigene Task Force einrichten sollte. Es ist auch möglich, dass aus dieser Task Force im weiteren Verlauf eine neue AG der DGK hervorgehen könnte.
HERZMEDIZIN: Setzt sich die Task Force nur aus Kardiologinnen und Kardiologen zusammen oder werden auch andere Fachbereiche einbezogen?
Maack: Sie setzt sich nicht nur aus Kardiologen in Klinik (Prof. Christoph Maack, Prof. Thomas Münzel) und einer Kardiologin in Niederlassung (Dr. Sabine Hübner) zusammen, sondern auch aus Umweltepidemiologinnen (Dr. Alexandra Schneider, PD Dr. Barbara Hoffmann), einem Atmosphärenchemiker (Prof. Johannes Lelieveld) und einem kardiovaskulären Grundlagenforscher (Prof. Andreas Daiber) sowie einem Vertreter der Young Cardiologists (Dr. Fabian Kerwagen).
HERZMEDIZIN: Die Task Force strebt eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Gesellschaften an. Welche genau sind das?
Maack: Es werden Kooperationen mit der AWMF, aber auch der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) angestrebt. Auch soll eine enge Zusammenarbeit mit der European Society of Cardiology (ESC) erfolgen, die sich zuletzt auch vermehrt für Umweltaspekte in der Kardiologie einsetzt. Darüber hinaus wird angestrebt, eine enge Zusammenarbeit auch mit der International Society for Environmental Epidemiology (ISEE), der Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DG EPI) und der European Respiratory Society (ERS) zu etablieren.
Ein höheres Bewusstsein zu Umweltaspekten schaffen
HERZMEDIZIN: Welche konkreten Ziele hat die neue Task Force bisher formuliert?
Maack: Es geht uns darum, ein höheres Bewusstsein zu Umweltaspekten bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Kardiologie sowie der Grundlagenforschung zu schaffen. Umwelteinflüsse sollen als kardiovaskuläre Risikofaktoren mit Berücksichtigung in den relevanten Leitlinien etabliert werden. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Maßnahmen zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten vor Umweltrisiken wie Hitze, Lärm und Feinstaub zu implementieren, sowie die Wahrnehmung für die CO2-Bilanz von medizinischen Produkten und Maßnahmen zu steigern. In diesem Zusammenhang werden die 3R (reduce, reuse, recycle) in der klinischen Praxis eine große Rolle spielen.
HERZMEDIZIN: Wie möchten Sie diese Ziele umsetzen? Gibt es bereits konkrete Pläne?
Maack: Ja, die gibt es! Wir beteiligen uns am bundesweiten Hitzeaktionstag (05.06.2024) und an der AWMF-Leitlinie zu Planetarer Gesundheit. Außerdem wird es eine Webinar-Reihe über „Umweltrisiken und kardiovaskuläre Gesundheit“ geben. Die Task Force wird auch in den sozialen Netzwerken aktiv sein, um die Awareness für unsere Themen zu steigern. Wir freuen uns außerdem sehr, auch Artikel in der Cardio News und auf Herzmedizin.de beitragen zu dürfen. Zusätzlich arbeiten wir daran, Inhalte der Planetaren Gesundheit in Patienteninformationsveranstaltungen und Fortbildungen unter DGK-Schirmherrschaft zu integrieren. Natürlich werden wir auch wissenschaftliche Arbeiten über Planetare Gesundheit publizieren und eigene Stellungnahmen zum Thema Umwelt und Gesundheit herausgeben. Eine Beteiligung an Stellungnahmen der ESC, ISEE und ERS würden wir begrüßen. Wir sind auch schon im Austausch mit der AG Umwelt der DGIM. Es wurden also schon viele Maßnahmen angestoßen. Weitere befinden sich noch in der Entwicklung.
Ungünstige CO2-Bilanz medizinischer Maßnahmen
HERZMEDIZIN: Was sind die größten Herausforderungen, denen sich die Kardiologie in Bezug auf Umweltfaktoren stellen muss und warum?
Maack: Insbesondere Hitze, Lärm und Feinstaub sind wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren, die wesentlich zu Übersterblichkeit, vor allem in urbanen Räumen, beitragen können. Daher müssen präventive Maßnahmen ergriffen werden, diese Risiken zu erkennen und zu minimieren.
HERZMEDIZIN: Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit im Klinikalltag aus? Welche Herausforderungen gibt es?
Maack: Das Gesundheitssystem trägt wesentlich zum CO2-Fußabdruck in Deutschland und weltweit bei. Viele medizinische Maßnahmen haben eine sehr ungünstige CO2-Bilanz. Insbesondere das Abwägen von medizinischer Notwendigkeit und Hygiene-Regeln gegenüber CO2- und Umweltbelastung ist oft schwierig; hier sollte (u. a. in den Leitlinien) genau evaluiert werden, auf welchen Evidenzen bestimmte häufig praktizierte Maßnahmen im Bereich von Hygiene, Medikamentenverordnung und Eingriffen beruhen. Es gibt an der Stelle Einsparpotenzial, sodass es sinnvoll ist, Empfehlungen herauszugeben, wie diese Aspekte im ärztlichen Alltag umgesetzt werden sollten.
HERZMEDIZIN: Das Steigern der Awareness ist eines Ihrer Hauptziele. Wie bewerten Sie das Bewusstsein für die „planetare Gesundheit“ innerhalb der Kardiologie derzeit?
Maack: Bisher noch gering, allerdings habe ich auch während der Jahrestagung und auch im Rahmen von Vorträgen zu diesem Thema ein wachsendes Interesse und teils auch Begeisterungsfähigkeit wahrgenommen. Ich habe das Gefühl, dass dies ein Thema ist, welches viele Ärztinnen und Ärzte beruflich, persönlich und ethisch gleichermaßen bewegt und sie darin eine Gelegenheit erkennen, mit eigener Überzeugung einen Beitrag zu leisten.