Interview: Deutschlands erste universitäre Frauenherzambulanz

 

Dr. Lena Seegers leitet am Universitätsklinikum Frankfurt die Spezialambulanz für geschlechtsspezifische Herz- bzw. Kreislauferkrankungen, das sogenannte „Women Heart Health Center Frankfurt“ (WHHC). Im Interview erläutert sie, warum das erste Zentrum dieser Art in Deutschland einen wirklichen Mehrwert für die kardiovaskuläre Versorgung von Frauen allen Alters bietet und blickt auf weitere Themen der geschlechterspezifischen Risikobetrachtung und Prävention.

Von: 

Victoria Johnson

Rubrikleiterin Women in Cardiology

 

17.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): PeopleImages.com / Yuri A / Shutterstock.com

Notwendigkeit für spezifische Herzambulanzen für Frauen

 

HERZMEDIZIN: Frau Dr. Seegers, Sie leiten am universitären Herzzentrum in Frankfurt Deutschlands erste universitäre „Frauenherzambulanz“, das WHHC. Brauchen wir Spezialambulanzen für Frauenherzen?

 

Seegers: Offensichtlich schon. Denn Frauen haben im Falle eines Myokardinfarkts in Deutschland trotz flächendeckender Maximalversorgung auch im Jahr 2025 eine größere Wahrscheinlichkeit daran zu versterben als Männer – und das liegt nicht daran, dass diese Frauen einfach bereits schon älter waren. Leider erhalten sie immer noch weniger leitliniengerechte, pharmakologische oder invasive Therapie. Gerade der Herzinfarkt unterscheidet sich dabei interessanterweise deutlich bei der Frau. Unterschiede gibt es aber auch im Bereich der Herzrhythmusstörungen, der Kardiomyopathien und der Herzklappenerkrankungen. Geschlechtsspezifische Risikofaktoren bei Frauen, während der Schwangerschaft und der Menopause, spielen für das Herz eine nicht unerhebliche Rolle, werden aber in der Routine bisher nicht berücksichtigt. Der Pathomechanismus, über den Geschlechtshormone auf das Herz wirken, ist bisher nur unzureichend verstanden. All dies kann in einem Frauenherzzentrum abgedeckt werden und die Lücke in der Patientinnenversorgung, der Lehre und der Forschung schließen, um langfristig das Outcome bei Frauen zu verbessern. 

Zur Person

Dr. Lena Seegers

Dr. Lena Seegers ist Assistenzärztin für Kardiologie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum des Universitätsklinikums Frankfurt. Dort ist sie Leiterin der Spezialambulanz für geschlechtsspezifische Herz- und Kreislauferkrankungen, dem „Women Heart Health Center Frankfurt“.

 

HERZMEDIZIN: Haben Frauen denn andere Risikofaktoren als Männer?

 

Seegers: Man kann zunächst zwischen den traditionellen und den geschlechtsspezifischen Risikofaktoren zu unterscheiden. So haben z. B. das Rauchen und der Diabetes mellitus eine größere kardiovaskuläre Risikopotenz für Frauen, während Frauen bis zur Menopause hingegen dafür eher niedrige Cholesterinwerte haben. Andererseits können frauenspezifische Risikofaktoren das kardiovaskuläre Risiko der Frau beeinflussen, wie z. B. hypertensive Erkrankungen während der Schwangerschaft oder eine frühe Menopause mit <40 Jahren, aber auch Brustkrebs oder Hormontherapien.

Blick auf die ESC-Guidelines zu kardiovaskulären Erkrankungen in der Schwangerschaft

 

HERZMEDIZIN: Im Rahmen des eben stattgefundenen europäischen Kardiologen-Kongresses ist die Leitlinie zu kardiovaskulären Erkrankungen in der Schwangerschaft vorgestellt worden. Ändern diese unsere Risikobetrachtung?

 

Seegers: Die Leitlinie ist nur in einigen Teilen von 2018 angepasst worden. Am Wichtigsten ist, und das wurde in Madrid mehrfach betont, dass im Falle eines Myokardinfarkts schwangere Frauen genauso behandelt werden müssen wie nicht-Schwangere. Noch immer wird schwangeren Frauen aus Angst vor Strahlung, Diagnostik und Therapie eines Herzkatheters zu selten angeboten, wodurch sie elementar schlechter versorgt sind. Gleiches gilt für das Management einer Thrombozytenaggregationshemmung nach Myokardinfarkt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die langfristige Anbindung von Frauen, das sogenannte „long term care“ dieser Frauen, die während der Schwangerschaft beispielsweise hypertensive Erkrankungen (z. B. eine Präeklampsie) hatten. Hier soll das Pregnancy Heart Team weiterhin eine Akut-Hilfe bieten – wie schon 2018 etabliert, in Deutschland aber bisher noch wenig umgesetzt. Langfristig kommen wir aber um „Women’s Heart Kliniken“ für diese Frauen nicht herum und das hat die neue Leitlinie auch so festgehalten. Denn eine routinemäßige dauerhafte Anbindung für diese betroffenen Frauen fehlt bisher, schwerwiegende Erkrankungen in der Schwangerschaft können lebenslange Auswirkungen auf den weiblichen Körper und das Herz haben.

Tipps zur kardiovaskulären Prävention

 

HERZMEDIZIN: Welchen Ratschlag können Sie uns mitgeben, wenn wir unsere Patientinnen bezüglich kardiovaskulärer Prävention beraten wollen?

 

Seegers: Insbesondere Frauen mit schon bestehenden Risikofaktoren, z. B. eine positive Familienanamnese für Myokardinfarkt oder Diabetes, sollten frühzeitig einen Check-up machen, dass man auf modifizierbare Risikofaktoren rechtzeitig reagieren kann. Nach der Menopause sollte häufiger Blutdruck gemessen werden: Jahrelang unerkannter und unbehandelter Arterieller Hypertonus führt oft zu Mikrorissen in der Gefäßwand der Herzkranzgefäße, wo sich dann gerne überschüssige Cholesterinkristalle – die Blutfette steigen nämlich nach der Menopause ebenfalls leider erheblich an – anlagern und eine atherosklerotische Plaque bilden, die zu einem Myokardinfarkt führen kann. Rechtzeitige, gezielte Prävention kann kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren oder im besten Fall ganz verhindern.


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