Die aktuellen ESC-Leitlinien zu Herzerkrankungen in der Schwangerschaft setzen neue Maßstäbe für das interdisziplinäre Management und die Prävention kardiovaskulärer Komplikationen. Zu den bedeutendsten Innovationen zählt die Implementierung eines Schwangerschaft-Herz-Teams (Pregnancy Heart Team), das eine risikoadaptierte, multiprofessionelle Betreuung von Patientinnen mit Herzerkrankungen sicherstellt. Das Spektrum der Aufgaben des Schwangerschaft-Herz-Teams umfasst die präkonzeptionelle Beratung, eine stratifizierte Risikoeinschätzung sowie die bedarfsgerechte postpartale Betreuung. Für die kardiale Risikoklassifizierung kommt insbesondere das neu entwickelte mWHO 2.0-Modell zum Einsatz, das eine stratifizierte Behandlungsplanung ermöglicht.
Besonders hervorzuheben ist, dass Frauen mit schweren kardiovaskulären Erkrankungen (WHO 2.0 IV) nicht mehr pauschal von einer Schwangerschaft abgeraten wird. Stattdessen wird eine individualisierte Beratung und sorgfältige Risikoabwägung durch ein Expertenteam gefordert, wobei der Patientenwunsch, genetische Prädispositionen, Vorerkrankungen und familiäre Risiken gezielt berücksichtigt werden. Im Rahmen dieses gemeinsamen Entscheidungsprozesses kann auch zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten werden, der idealerweise psychologisch begleitet und je nach vorliegender Grunderkrankung in entsprechenden Zentren durchgeführt werde sollte.
Praxisrelevant sind insbesondere die differenzierten Leitlinienempfehlungen zur medikamentösen Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen während der Schwangerschaft, zur Kontrazeption sowie zur assistierten Reproduktion. Darüber hinaus bieten die Leitlinien strukturierte Empfehlungen für das Management spezifischer Herzerkrankungen wie angeborene Herzfehler, Kardiomyopathien, Rhythmusstörungen, Klappenerkrankungen, pulmonale Hypertonie und viele mehr. Auch für erworbene kardiovaskuläre Erkrankungen wie das akute Koronarsyndrom oder venöse Thrombembolien liegen evidenzbasierte Handlungsempfehlungen vor. Für das Monitoring und die Geburt werden klar definierte Überwachungsstufen je nach Risiko vorgeschlagen. Besonders betont wird die Bedeutung der individuellen Therapieplanung vor allem bei komplexen kardiologischen Befunden, um eine sichere Schwangerschaft und Entbindung zu ermöglichen.
Insgesamt markieren die aktuellen Leitlinien einen bedeutenden Fortschritt für die ganzheitlich sichere Versorgung von Frauen mit Herzerkrankungen im reproduktiven Lebensabschnitt. Sie fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie den gezielten Fachaustausch und stärken die Evidenzbasis für praxisrelevante Entscheidungen im klinischen Alltag. Damit bieten sie eine wertvolle Grundlage für alle Ärztinnen und Ärzte, die in die Betreuung schwangerer Patientinnen mit Herzerkrankungen involviert sind.