Determinanten bei der Nutzung von digitalen Gesundheitstechnologien in der Hypertonieversorgung – Querschnittserhebung von AOK Nordost Versicherten

Frances Seifert und Prof. Dr. Sebastian Spethmann, Berlin

Hintergrund

In Deutschland sind rund 20-30 Mio. Personen von arterieller Hypertonie betroffen (vgl. Neuhauser/Kuhnert/Born 2017). Männer leiden häufiger an Bluthochdruck als Frauen, wobei die Geschlechtsunterschiede mit zunehmenden Alter geringer werden (vgl. Janhsen/Strube/Starker 2008). Zudem ist die absolute Hypertonieprävalenz in Flächenländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg höher als in Städten wie Berlin (vgl. Holstiege et al. 2020). Digitale Gesundheitstechnologien und -angebote können zu einer verbesserten Versorgung von Hypertoniepatient:innen beitragen, beispielsweise durch die Überprüfung des Blutdrucks, Nachverfolgen von Lebensstilveränderungen und Festlegung von Gesundheitszielen (vgl. Mikulski et al. 2022, Mühlensiepen et al. 2024). Trotz der vorhandenen technologischen Potenziale sind digitale Gesundheitstechnologien noch nicht in die reguläre Hypertonieversorgung eingebunden. Eine Untersuchung des Nutzungsverhaltens aus Sicht der Hypertoniepatient:innen könnte Aufschluss über den Einfluss spezifischer Determinanten liefern.

 

Ziel

Hauptziel des Innovationsfondprojekts „Digitale Prävention von arterieller Hypertonie (DiPaH)“ ist die Identifikation der strukturellen und individuellen Faktoren, die den Einsatz und Erfolg digitaler Präventionsmaßnahmen im Bereich Hypertonie erschweren oder fördern. Ziel der vorliegenden Analyse ist zu erfassen, in welchem Umfang Versicherte mit einer Hypertonie digitale Gesundheitstechnologien nutzen. Darüber hinaus soll der Einfluss des Geschlechts, der Wohnortgröße und der Internetgeschwindigkeit auf die Nutzung von digitalen Gesundheitstechnologien beleuchtet werden.

 

Methoden

Mittels geschichteter Zufallsstichprobe nach Geschlecht, Alter und Wohnortgröße wurden von Oktober 2023 bis April 2024 insgesamt 21.024 Versicherte (≥ 18 Jahre) der AOK Nordost mit einer diagnostizierten Hypertonie zu einer paper-pencil basierten Befragung eingeladen. Im vorliegenden Abstract wird sich auf die folgenden digitalen Gesundheitstechnologien und -angebote fokussiert: allgemeine Gesundheits-Apps, krankheitsspezifische Apps, die elektronische Patientenakte, Wearables und Gesundheitsinformationen im Internet lesen. Die Variablen Geschlecht, Wohnortgröße und Internetgeschwindigkeit wurden wie folgt codiert: Geschlecht (weiblich, männlich), Wohnortgröße (ländlich/kleinstädtisch, mittel-/großstädtisch), Internetgeschwindigkeit (oft lange Ladezeiten oder häufige Abbrüche der Verbindung, teilweise längere Ladezeiten oder Abbruch der Verbindung, keine Probleme). Die Auswertung erfolgt deskriptiv und mittels Chi-Quadrat-Test. Die Studie ist Teil des Innovationsfondsprojekts DiPaH (01VSF21042) (vgl. Bruch et al. 2023).

 

Ergebnisse

Die Rücklaufquote beträgt insgesamt 8 % (1.771 Fragebögen), davon wurden 1.751 Fragebögen in die Analyse eingeschlossen. 52 % der Teilnehmenden sind männlich und 48 % weiblich. 42 % der Befragten haben angegeben in einer ländlichen Region zu leben, 28 % in einer Kleinstadt, 12 % in einer Mittelstadt und 18 % in einer Großstadt. Die Internetgeschwindigkeit im häuslichen Umfeld wurde wie folgt eingeschätzt: 44 % keine Probleme, 14 % teilweise längere Ladezeiten oder Abbruch der Verbindung, 6 % oft lange Ladezeiten oder häufige Abbrüche der Verbindung. Darüber hinaus haben 27 % angegeben, zuhause keinen Internetzugang zu haben, 10 % haben die Weiß-nicht-Angabe gewählt. 34 % der AOK-Nordost Versicherten-Stichprobe nutzen allgemeine Gesundheits-Apps, 10 % krankheitsspezifische Apps, 10 % die elektronische Patientenakte, 26 % Wearables und 43 % lesen Gesundheitsinformationen im Internet. In Hinblick auf das Geschlecht zeigten sich bei den untersuchten Altersgruppen gegensätzliche Tendenzen: Während die unter 50-jährigen Frauen bestimmte digitale Gesundheitstechnologien (allgemeine Gesundheits-Apps, Wearables) eher in Anspruch nehmen als Männer, ist es bei den ab 50-jährigen umgekehrt. Personen, die eine bessere Intergeschwindigkeit haben nutzen Wearables (p<0,001), allgemeine Gesundheits-Apps (p<0,001), krankheitsspezifische Apps (p=0,011) und die elektronische Patientenakte (p=0,003) häufiger und lesen eher Gesundheitsinformationen im Internet (p<0,001), als Personen, die eine schlechtere Internetverbindung oder kein Internet haben. Versicherte in einer Mittel- oder Großstadt lesen eher Gesundheitsinformationen im Internet als Versicherte auf dem Land/in einer Kleinstadt (p<0,001).

 

Schlussfolgerung/Fazit

Bei der AOK Nordost Versicherten-Stichprobe mit Hypertonie spielt das Geschlecht, die Internetgeschwindigkeit zuhause und der Wohnort bei bestimmten digitalen Gesundheitstechnologien eine Rolle. Bei einigen digitalen Gesundheitstechnologien zeigten sich altersgruppenspezifische Zusammenhänge, die in Hinblick auf das Geschlecht sogar gegensätzlich waren. Es bedarf weiterer Forschung (bspw. zu anderen Determinanten), um eine zielgruppenspezifische Informationsvermittlung bestmöglich gestalten zu können. Dabei spielt insbesondere die Perspektive der Versorgenden eine essenzielle Rolle, da diese im Versorgungsalltag die bedeutenden Ansprechpartner sind (vgl. May et al. 2025).

 

Referenzen

  1. Bruch, Dunja, Mühlensiepen, Felix, May, Susann, Wengemuth, Eileen, Johannsen, Olen, Reber, Katrin Christiane, Blankenstein, Eva-Lotta, Fleige, Gerrit, Middeke, Martin, Albes, Johannes, Heinze Martin, Lehnen, Marc, Spethmann, Sebastian (2023): Digital preventive measures for arterial hypertension (DiPaH) – a mixed-methods study protocol for health services research, in: Frontiers Cardiovasc. Med, 9:1089968, DOI: 10.3389/fcvm.2022.1089968.
  2. Holstiege, Jakob, Akmatov, Manas K., Steffen, Annika, Bätzing, Jörg (2020): Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung - aktuelle deutsch-landweite Kennzahlen, in: Versorgungsatlas-Bericht, 20/01, DOI: 10.20364/VA-20.01.
  3. Janhsen, Katrin, Strube, Helga, Starker, Anne (2008): Themenheft 43 Hypertonie, in: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut, Editor, DOI: 10.25646/3121.
  4. May, Susann, Mühlensiepen, Felix, Wengemuth, Eileen, Seifert, Frances, Heinze, Martin, Bruch, Dunja, Spethmann, Sebastian (2025): Benefits and Barriers to mHealth in Hypertension Care: Qualitative Study With German Health Care Professionals, in: JMIR Hum Factors 2025, 12:e52544, DOI: 10.2196/52544.
  5. Mikulski, Bruna Spiller, Bellei, Ericles Andrei, Biduski, Daiana, De Marchi, Ana Carolina Bertoletti (2022): Mobile Health Applications and Medication Adherence of Patients With Hypertension: A Systematic Review and Meta- Analysis, in: Am J Prev Med., 62(4), S. 626-634, DOI: 10.1016/j.amepre.2021.11.003.
  6. Mühlensiepen, Felix, Bruch, Dunja, Seifert, Frances, Wengemuth, Eileen, Heinze, Martin, Spethmann, Sebastian, May, Susann (2024): mHealth Apps for Hypertension Self-Management: Interview Study Among Patient-Users, in: JMIR Form Res., 8:e56162, DOI: 10.2196/56162.
  7. Neuhauser, Hannelore, Kuhnert, Ronny, Born, Sabine (2017): 12-Month prevalence of hypertension in Germany, in: J Health Monit., 2(1), S. 51-57, DOI: 10.17886/RKI-GBE-2017-016. 
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