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Ischämische Schlaganfälle zählen weltweit zu den führenden Ursachen von Morbidität und Mortalität. Neben klassischen vaskulären Risikofaktoren rückt Prädiabetes zunehmend als eigenständiger Risikofaktor in den Fokus. Bereits moderat erhöhte Blutzuckerwerte unterhalb der diabetischen Schwelle sind mit mikro- und makrovaskulären Veränderungen und einem erhöhten Risiko zerebrovaskulärer Ereignisse assoziiert.
Die Studie untersucht die Bedeutung von Prädiabetes bei ischämischen Schlaganfällen, einschließlich der Verteilung von Subtypen, deren Charakteristika, sowie alters- und geschlechtsspezifischer Unterschiede. Erfasst wurden auch kardiovaskuläre Komorbiditäten und Risikoprofile, um die epidemiologische Relevanz von Prädiabetes zu bewerten und den Bedarf an früher Diagnostik und Prävention aufzuzeigen.
In einer sechsmonatigen prospektiven Kohortenstudie an einem der größten deutschen Schlaganfallzentren wurden alle Patient:innen mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke umfassend untersucht. Neben klinischen Parametern und Schlaganfallsubtypen wurde auch der Glukosestoffwechselstatus erfasst. Prädiabetes war definiert als Nüchternglukose 100-125 mg/dL oder HbA1c 5,7-6,4 %; Diabetes mellitus als Nüchternglukose ≥126 mg/dL oder HbA1c ≥6,5 %.
Bei 62 % der Patient:innen mit ischämischem Schlaganfall bestand bereits bei Aufnahme eine gestörte Glukoseregulation – 33 % mit Prädiabetes, 29 % mit Diabetes mellitus.
Die höchste Prävalenz zeigte sich bei lakunären (> 80 %) und atherosklerotischen (> 70 %) Infarkten. Unter den Schlaganfällen unklarer Ursache (30 %) lag bei 40 % ein Prädiabetes vor. Von den Prädiabetiker:innen wiesen 72 % mindestens eine kardiovaskuläre Vorerkrankung (KHK, Schlaganfall, pAVK) auf; über 50 % zeigten im EKG-Monitoring Phasen von Vorhofflimmern.
Die Prädiabetes-Prävalenz nahm mit dem Alter zu. Männer ab 85 Jahren waren mit 52 % doppelt so häufig wie Frauen betroffen. Jüngere Frauen < 65 Jahren zeigten höhere Prävalenzraten (>40 %) als Männer gleichen Alters. In der prädiabetischen Kohorte zeigte sich eine hochsignifikante positive Korrelation zwischen HbA1c und Schweregrad des Schlaganfalls gemessen am NIH Stroke Scale (NIHSS), welche am stärksten bei den kardioembolischen Schlaganfällen ausgeprägt war.
Die vorliegenden Ergebnisse belegen die klinische Relevanz von Prädiabetes als eigenständigem und häufig unterschätztem Risikofaktor für ischämische Schlaganfälle. Prädiabetes sollte daher nicht nur als Vorstufe eines manifesten Diabetes mellitus, sondern als äquivalenter pathophysiologischer Zustand mit therapeutischer Bedeutung verstanden werden. Bei Patient:innen mit kardiovaskulärer Vorgeschichte und zusätzlichen Risikofaktoren sollte – ergänzend zur strukturierten Lebensstilmodifikation – frühzeitig eine medikamentöse Intervention erwogen werden (2). Der Einsatz antidiabetischer Therapien kann in diesen Fällen zur effektiven Sekundärprävention beitragen. Die American Association of Clinical Endocrinology empfiehlt bereits eine gleichwertig intensive Therapie von Prädiabetes bei Patient:innen mit kardiovaskulären Ereignissen (1). Bei gleichzeitig bestehender (Prä-)Adipositas könnten GLP-1-Rezeptoragonisten eine therapeutisch relevante Option darstellen (3). Darüber hinaus unterstreichen die Daten die Notwendigkeit eines erweiterten präventivmedizinischen Ansatzes, der auch frühe metabolische Veränderungen wie Präadipositas, hochnormalen Blutdruck und gestörte Glukosetoleranz einbezieht. Ihre gezielte therapeutische Ansprache könnte einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion zerebrovaskulärer Ereignisse leisten und die kardiovaskuläre Prävention substanziell erweitern.
Abbildung 1: Prädiabetes als unterschätzter Risikofaktor für Schlaganfälle - 5 Kernaussagen