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Aufgrund der alternden Bevölkerung und der breiten Indikationen für die Herzschrittmacher (HSM)- und Defibrillator (ICD)-Therapie gehören diese Implantationen zu den häufigsten Eingriffen in der Kardiologie. Peri-/postoperative Komplikationen (K) treten dabei nicht selten auf. Ganz im Vordergrund stehen die Elektrodenprobleme (Sondendislokation und -dysfunktion). Um die Qualität zu verbessern, werden Untersuchungen zu Risikofaktoren und zur Verbesserung des Outcomes durchgeführt. In Deutschland gibt es eine breite Verteilung von implantierenden Krankenhäusern (KH). Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 230 KH, die mit einer großen Variation in den Fallzahlen (von unter 10 Fällen bis zu 1234 Fällen pro Jahr) HSMs und ICDs implantieren.
Wir untersuchten, ob neben den bekannten Risikofaktoren eine höhere Häufigkeit von Implantationen das K-Risiko signifikant reduzieren könnte, was bisher mit einem so großen Datensatz statistisch nicht eindeutig beantwortet wurde.
Die Analyse basiert auf den Daten aller Erstimplantationen eines HSM oder ICD, inklusive der Systeme zur kardialen Resynchronisation (CRT), die zwischen 01.01.2010 - 31.12.2020 in einem der NRW-KH durchgeführt wurden. Alle im Rahmen der verpflichtenden Qualitätssicherung dokumentierten peri-/postoperativen K wurden analysiert. Nach der Erhebung der Fälle wurden die Daten pro KH aggregiert, Ausschlusskriterien angesetzt und ein Datensatz von fast 250.000 Fällen hergestellt. Die statistische Analyse bestand aus drei Teilen: deskriptive Auswertung, analytische Auswertung und insbesondere Volume-Outcome-Analyse (VOA). Die deskriptive Statistik und ein Teil der analytischen Auswertung wurden mit der SPSS Version 23 durchgeführt. Der potenzielle Zusammenhang zwischen Fallzahl und Outcome wurde mit der statistischen Software R, basierend auf dem IQTIG-Bericht für „Datenauswertung zu Mindestmengen in der Versorgung von Frühgeborenen unter 1.250 g“ [1], berechnet. Für die VOA wurde ein generalisiertes additives gemischtes Regressionsmodell verwendet, was eine Flexibilität bei der Modellierung der Daten erlaubte und eine Risikoadjustierung sowie eine Berücksichtigung der hohen statistischen Unsicherheit bei kleinen Fallzahlen abdeckte. Dadurch konnte die Überschätzung der Bedeutung des Fallzahleffekts vermieden werden.
Insgesamt wurden 249.615 Fälle untersucht, zwei Drittel (73 %) der Patient:innen (Pat) erhielten HSM-Implantationen, ICD-Pat waren statistisch signifikant jünger als HSM-Pat (66 vs.76 Jahre, p < 0,001) und überwiegend männlich (♂ 78 % vs. ♂ 56 %). Die Gesamtanzahl der K lag bei 2,4 % (1,6 % bei ICD-Patienten und 2,6 % bei HSM-Pat, p<0,001). Die häufigsten K waren mit 1,4 % Elektrodenprobleme: 0,7 % bei ICD-Pat und 1,7 % bei HSM-Pat (p<0,001). Pat mit K waren älter (median 78 J vs. 76 J, p<0,001), bei Frauen traten K häufiger auf. Die Forest-Plot Analyse der allgemeinen und spezifischen Risikofaktoren (RF) zeigte im Vergleich zur ASA-Klasse 1 eine statistisch signifikant höhere K-Rate für die höheren ASA-Klassen mit einer Odds Ratio (OR) von 2,2 (ICD) bzw. 1,7 (HSM) für die Klasse 4 und von 6,0 (ICD) bzw. 4,2 (HSM) für die Klasse 5. Eine LVEF<=35 % hatte nur bei ICD-Pat einen Einfluss auf die K-Rate (OR 1,4). Die V. subclavia-Punktion führte im Vergleich zur V. cephalica-Präparation in beiden Gruppen zu einer erhöhten K-Rate von 2 (ICD) und 1,4 (HSM). Im Vergleich zum VVI-System war die Implantation eines DDD-HSM, jedoch nicht die eines CRT-Systems, mit einem schlechteren Ausgang verbunden (OR 1,6). In der ICD-Gruppe war die Implantation eines DDD- (OR 2,2) und eines CRT-Systems (OR 2,0) mit mehr K verknüpft.
Die Volume-Outcome-Analyse erbrachte einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Implantationszahl und dem Auftreten von K (p < 0,001, AUC 0,7) (s. Abb.). Um den Effekt genauer zu untersuchen, wurden die HSM- und die ICD-Patient:innen getrennt. Die Bewertungen zeigten eine deutlich stärkere Korrelation der Herzschrittmacher-Gruppe, was mit einem exponentiellen Anstieg der K-Zahlen bei jährlichen Implantationen von 50 oder weniger bestätigt werden konnte. Aus diesem Grund führten wir weitere Auswertungen in der HSM-Gruppe durch, die zeigten, dass mit einem Cut-off von 50 jährlichen Implantationen ca. 16 % der K vermieden werden könnten und dazu ca. 16 % der Patient:innen in andere KH verlegt werden müssten. Bei einem Cut-off von 25 jährlichen Implantationen könnten ca. 8 % der K vermieden werden und ca. 5 % der Patient:innen müssten in andere KH verlegt werden. Bei den KH wären die Konsequenzen einschneidender. Würde ein Cut-off von 25 Fällen akzeptiert, könnten etwa 23 % der KH keine Implantationen mehr durchführen, bei einem Cut-off von 50 Fällen pro Jahr wären etwa 55 % der KH betroffen.
Abbildung 1: Volume-Outcome-Analyse bei HSM- und ICD-Implantationen in den Jahren 2010-2020
Neben den allgemeinen RF wie Alter, Geschlecht und ASA-Klasse sowie spezifischen RF wie dem Venenzugang und der Systemwahl, kann die Erfahrung des Teams den Verlauf des Eingriffs positiv beeinflussen und die K-Rate senken. Mit einer relevanten Anzahl der möglichen vermeidbaren K lassen sich Mindestmengen begründen und Versorgungskonsequenzen abschätzen.