Telemedizin in der Elektrophysiologie

Was vor über 100 Jahren mit der Fernübertragung von einfachen Herzsignalen über eine Telegrafenleitung durch Willem Einthoven begann, legte den Grundstein für die Herausbildung einer zukunftsträchtigen neuen Disziplin innerhalb der Kardiologie – der Telekardiologie.

Diese, in ihrem Potenzial bislang unterschätzte, Möglichkeit der Patientennachsorge birgt aktuell ihren größten Nutzen in der Nachsorge von Patienten mit Herzinsuffizienz und/oder Herzrhythmusstörungen. Eine telemedizinsiche Fernüberwachung verbessert nicht nur das klinische Management von VHF-Patienten vor und ggf. auch nach Pulmonalvenenisolation (1), sondern etabliert sich aktuell auch in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit ungeklärten Synkopen oder nach kryptogenem Schlaganfall, welche nicht selten therapeutische Konsequenzen, wie die rechtzeitige Einstellung auf eine orale Antikoagulation, die regelrechte Indikationsstellung zur HSM-Implantation oder eine erfolgreiche Ablation einer hoch-symptomatischen AVNRT nach sich zieht.

 

Nahezu alle großen Anbieter kardiologischer Implantate bieten derzeit bereits drahtlose Übertragungsmöglichkeiten mit weltweiter Datenübermittlung per Funknetz an. Die Abfrage der implantierten Eventrekorder, HSM, ICD und CRT Geräte erfolgt vollautomatisch und kann anschließend jederzeit, in einem entsprechend geschützten Portal durch den Arzt, ähnlich einer Abfrage mittels Programmiergerät eingesehen werden. Eine in der Nacht terminierte Implantat-abfrage lässt dem Patienten gleichzeitig den größtmöglichen Freiraum und verhilft der Telemedizin zu der nötigen Akzeptanz seitens der Patienten. Neben der periodischen Datenübermittlung zu festgesetzten Terminen erfolgen bei entsprechender Voreinstellung auch Ereignis-getriggerte Übertragungen bei Auftreten kritischer Parameter wie z. B. dem Abfall des biventrikulären Stimulationsanteiles bei CRT-Patienten unter ansteigender VHF- oder VES-Last. Alle Anbieter liefern zusätzlich auch immer ein intrakardiales EKG zum Zeitpunkt der Datenübermittlung.

 

Stand anfangs die Erhöhung der Implantatsicherheit zum frühzeitigen Erkennen von Fehlfunktionen und Materialdefekten der Implantate im Vordergrund, so findet aktuell ein rasanter Ausbau des Telemonitorings statt und ermöglicht schon heute eine umfangreiche und klinisch sinnvolle Nachsorge kardiologischer Patienten, welche einer ambulanten Routinekontrolle ebenbürtig ist. Längst trägt die Telemedizin somit zur Prozessoptimierung im Krankenhaus oder der Praxis bei und reduziert Behandlungskosten eines stetig wachsenden Patientenklientels. Eine telemedizinische Nachsorge verkürzt nicht nur die Zeit zwischen Wahrnehmung eines Ereignisses und klinischer Konsequenz um 27 Tage (2), sondern reduziert auch die Rate nötiger Implantatabfragen. Metaanalysen großer telemedizinischer Studien ergeben darüber hinaus einen positiven Effekt auf die Hospitalisierungsrate (Reduktion um 55%), die Verweildauer auf Intensivstationen (Reduktion um 70%) und das Re-Hospitalisierungsintervall (Steigerung um 33%). (3)

 

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nur eine kontinuierliche Datenübermittlung zum vollständigen Nutzen der Telemedizin und zur Nutzensteigerung der Implantate führt. So lässt sich bei täglicher kardiologischer Datenkontrolle und strukturierter Reaktion auf Warnsignale eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit um bis zu 35% erzielen (4).

 

Moderne telemedizinische Überwachung ist bereits heute nicht nur für technische Geräteparameter, möglich, sondern umfasst neben einem Rhythmusmonitoring jeglicher Art auch Parameter, wie die Bestimmung der Patientenaktivität, sowie der Thoraximpedanz, einen Wert, der bei Erhöhung eine drohende kardiale Dekompensation voranzeigen kann. Die neuesten Innovationen auf dem Gebiet der Telekardiologie konzentrieren sich nun auf den Ausbau der Messung hämodynamischer Parameter, die Entwicklung von Sensoren zur Messung von Blutdruck und Körpertemperatur, Herzinsuffizienzmarkern wie dem BNP sowie von zuverlässigen Übertragungs- und Monitoralgorithmen. Durch den Einsatz zusätzlicher Messgeräte wie Waagen, können auch schwerer zugängliche Daten wie das aktuelle Patientengewicht ermittelt werden. Bereits in naher Zukunft werden uns weitere Innovationen auf dem Gebiet der Telemedizin ein auf den individuellen Patienten und die klinische Situation abgestimmtes Home-Monitoring ermöglichen, sodass wir unseren Patienten einen nachhaltigen Einsatz der Telekardiologie anbieten können.

 

Literatur

 

  1. Ricci R et al., Remote control of implanted devices through Home Monitoring ™ technology improves detection and clinical management of atrial fibrillation. Europace 2009; 11: 54-61
  2. Parthiban N et al., Remote Monitoring of Implantable Cardioverter-Defibrillators: A Systematic Review and Meta-Analysis of Clinical Outcomes. J Am Coll Cardiol. 2015;65(24):2591-2600
  3. Schultz, Carsten, Hans Georg Gemünden und Sören Salomo: Akzeptanz der Telemedizin, Darmstadt, Minerva KG 2005
  4. Hindricks G et al., Implant-based multiparameter telemonitoring of patients with heart failure (IN-TIME): a randomised controlled trial. The Lancet. 2014; 3849(9943): 583-590
Diese Seite teilen