Karrierekompass Kardiologie: Die kardio-logische Praxis - Perspektiven und Möglich-keiten der kardiologischen Weiterbildung im ambulanten Bereich

 

Die Reihe Karrierekompass Kardiologie gibt eine Orientierungshilfe bei der Karriereplanung in der Kardiologie für junge Kardiolog:innen und kardiologieinteressierte Studierende. In diesem Interview spricht Lukas Müller mit Dr. Annette Schätzl über die Möglichkeiten der kardiologischen Weiterbildung im ambulanten Bereich.

Von:

Lukas Müller

Mannheim

 

Dr. Annette Schätzl

Frankfurt am Main

 

14.07.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Brian A. Jackson / Shutterstock.com

Weiterbildung in der kardiologischen Praxis: Chancen, Herausforderungen und Perspektiven

 

Die kardiologische Niederlassung bietet Ärzt:innen eine spannende Alternative zur Kliniktätigkeit. Wenige wissen jedoch, dass bereits ein Teil der Weiterbildung in der kardiologischen Praxis absolviert werden kann. Dr. Annette Schätzl, Ärztin in Weiterbildung für Innere Medizin und Kardiologie, absolviert aktuell ihr 5. Weiterbildungsjahr in der ambulanten Patientenversorgung in einer großen kardiologischen Praxis in Frankfurt am Main und gibt spannende Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Sie beleuchtet dabei die Vorteile und Herausforderungen, einen Teil der Weiterbildung im ambulanten Bereich in den eigenen Karriereweg zu integrieren und spricht über Themen wie Bezahlung, Voraussetzungen und Bürokratie.

 

Der Weg in die kardiologische Praxis

 

Dr. Annette Schätzl begann ihre medizinische Laufbahn in Regensburg, wo sie nach Abschluss ihres Medizinstudiums mehrere Jahre bei einem Maximalversorger klinisch tätig war. Während dieser Zeit sammelte sie umfassende Erfahrungen in der Kardiologie sowie in internistischen Abteilungen wie der Gastroenterologie, der Notaufnahme, der Intensivmedizin und in der Psychiatrie / Psychotherapie, was ihr eine solide Grundlage für die eigenverantwortliche Arbeit in der Praxis verschaffte. Nach etwas mehr als dreieinhalb Jahren entschied sie sich bewusst für einen Wechsel in eine große kardiologische Praxis in Frankfurt. „Die Entscheidung einen Teil meiner Facharztweiterbildung in der Niederlassung zu absolvieren war für mich keine Entscheidung gegen die Klinik, sondern eine bewusste vorübergehende Ergänzung meiner Weiterbildung zum Ausbau bestimmter Fertigkeiten“, erklärt sie. Ihr Ziel war es, ihre Fähigkeiten insbesondere im Bereich der kardialen Bildgebung – wie Echokardiographie und Kardio-CT / -MRT – sowie in der Prävention weiterzuentwickeln, aber auch praktische Einblicke in das Herzkatheterlabor zu erhalten.

 

Facharztweiterbildung im ambulanten Bereich

 

Abhängig vom jeweiligen Bundesland, in dem die Facharztprüfung absolviert wird, werden 12 bis 36 Monate ambulante Weiterbildung (in Vollzeit) anerkannt. Im Zuge der avisierten Ambulantisierung, speziell auch in der Kardiologie, wird die Weiterbildung im ambulanten Setting in der Zukunft vermutlich noch deutlich an Relevanz hinzugewinnen. Bereits jetzt werden einige Weiterbildungsinhalte wegen größerer Fallzahlen ambulant erbracht, bspw. Stressechokardiografien.

 

Die Facharztweiterbildung in einer Praxis unterscheidet sich von der klinischen Ausbildung und hängt stark von der ausgewählten Praxis ab. Dr. Annette Schätzl hat sich hierbei bewusst für eine große Praxis entschieden, die aktuell aus ca. 20 kardiologisch tätigen Ärzt:innen an insgesamt 4 Standorten besteht. Der Hauptstandort, an dem sie aktuell hauptsächlich tätig ist, ist sektorenübergreifend mit einer Klinik verbunden und versorgt dort ca. 4500 Patient:innen im Jahr.

 

Neben der transthorakalen Echokardiografie werden auch Stressechos (physikalisch sowie pharmakologisch), Kontrastmittel-Echos, transösophageale Echos (TEE), Elektrokardioversionen und Schrittmacher-Kontrollen durchgeführt. Es gibt ein telemedizinisches Zentrum, an dem Herzinsuffizienzpatient:innen angebunden sind. In Zusammenarbeit mit der Radiologie werden vor Ort ambulant Kardio-CTs durchgeführt. Des Weiteren gehören zu der Hauptpraxis zwei Herzkatheterlabore sowie ein EP-Labor, in denen neben Koronarangiografien und -interventionen auch AV-Klappeninterventionen, Rechtsherzkatheter, Schrittmacher-/ICD-/CRT-Eingriffe und elektrophysiologische Untersuchungen sowie Ablationen durchgeführt werden können.

 

„In der ambulanten Weiterbildung trägt man viel Eigenverantwortung und trifft viele Entscheidungen, zumindest vorerst, selbstständig“, erläutert Dr. Schätzl. Komplexe Fälle können mit Kolleginnen und Kollegen besprochen werden, „in einer großen Praxis wie dieser gibt es für fast jeden Spezialisierungsbereich zumindest einen Experten, mit dem niederschwellig auch spezielle Fragestellungen besprochen werden können“.

 

„Zusätzlich zur Sprechstunde darf sich bei uns jede/r Weiterbildungsassistent:in eine Wahl-Rotation aussuchen, in der ein Mal pro Woche gezielt neue Fähigkeiten erlernt bzw. weiter ausgebaut werden können. Ich verbrachte bspw. das erste Jahr zusätzlich im Kardio-CT, seit kurzem bin ich nun auf Wunsch in das Herzkatheter-Labor rotiert und kann hier praktische Erfahrungen sammeln.“ Erläutert Dr. Schätzl „Ich habe wirklich tolle Mentoren, von denen ich viel kardiologisches Spezialwissen erlernen kann, aber vor allem auch Unterstützung auf meinem Karriereweg erhalte. Ich bin sehr dankbar für diesen Support und die Möglichkeit so viel lernen und mich meinen Interessen entsprechend weiterentwickeln zu können und weiß dies sehr zu schätzen!“

 

Arbeitsalltag in der Praxis

 

Der Arbeitsalltag ist klar strukturiert und ist in einen Vormittags- sowie Nachmittagsblock unterteilt: Die Sprechstundenzeiten gehen von 8 bis 17 Uhr, wobei im Rahmen einer 38,5 Stundenwoche ein Nachmittag pro Woche frei geplant wird. Nachtdienste und Wochenend- sowie Feiertagsarbeit entfallen. Für jede/n Ärzt:in gibt es einen konkreten Dienstplan, welcher meist 2-4 Monate im Voraus erstellt wird. Je nach Kenntnissen und Erfahrung erfolgt die entsprechende Einteilung der Ärzt:innen pro Vormittags- und Nachmittags-Block, bspw. in die normale Sprechstunde, Stressecho, Notfallsprechstunde, TEE / Kardioversion, Schrittmacher-Abfrage, Herzkatheter/EPU-Labor oder Kardio-CT.

 

In den Sprechstunden erfolgt die Patientenversorgung je nach Aufgabenbereich häufig im 20-30 Minuten-Takt – eine Herausforderung, die hohe Effizienz erfordert. „In dieser Zeit sollen Anamnese, Diagnostik, etwa EKG und Echo, Therapieplanung und die Erstellung eines Arztbriefes durchgeführt werden, hinzu kommen die Auswertung von LZ-EKGs und LZ-Blutdruckuntersuchungen anderer Patient:innen, die Sichtung von angeforderten Laboren und Arztbriefen sowie die Beantwortung der Emails von Patient:innen“, beschreibt sie den Ablauf.

 

Besonders schätzt Dr. Schätzl im ambulanten Bereich die Kontinuität in der Patientenbetreuung: „Es ist bereichernd, Patient:innen über längere Zeiträume zu begleiten und ihre Entwicklungen mitzuerleben“. Anders als in der Klinik sieht sie hier auch viele positive Verläufe, insbesondere im Bereich der Prävention: „Es ist motivierend zu erleben, wie Patient:innen durch Lebensstiländerungen oder gezielte Therapien deutliche Verbesserungen erzielen können und ich anschließend als behandelnde Ärztin ein positives Feedback von den Patient:innen erhalte.“

 

Karriereperspektiven: Flexibilität und Spezialisierung

 

Die Niederlassung bietet vielfältige Karrieremöglichkeiten. „Die ambulante Tätigkeit kann es ermöglichen, sich auf seine Interessensgebiete zu konzentrieren und hier durch eine entsprechende Spezialisierung sowie gezielte Werbung eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen. Mein Fokus liegt hierbei in erster Linie auf kardialer Bildgebung und Prävention“, sagt Dr. Schätzl.

 

Sie betont zudem die Bedeutung regelmäßiger Fortbildungen: „Fortbildungsveranstaltungen und Kongresse wie die DGK-Jahrestagung oder die DGK Akademiekurse bieten hervorragende Möglichkeiten, um auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu bleiben und neue Kenntnisse zu erwerben. Einen Vorteil der ambulanten Weiterbildung sehe ich darin, dass keine Dienste an Wochenenden, Feiertagen oder Nächten absolviert werden müssen. Diese Zeit nutze ich intensiv, um Fortbildungsveranstaltungen und Kurse zu besuchen sowie in interessanten Fachbereichen zu hospitieren, um hier meine Kenntnisse und Fähigkeiten weiter auszubauen und ein entsprechendes individuelles Profil zu entwickeln.“

 

Spezialisierungsmöglichkeiten in der Praxis

 

Die kardiologische Praxis bietet nicht nur ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Verfahren, sondern auch die Möglichkeit, sich gezielt zu spezialisieren. „In einer Praxis besteht die Möglichkeit sich seine eigene Nische schaffen und eine spezielle Sprechstunde anzubieten, die einen besonders interessiert“, erklärt Dr. Schätzl. Ob Prävention, kardiale Bildgebung, Sportkardiologie, Gendermedizin, Rhythmologie oder Psychokardiologie – durch gezielte Weiterbildung und die aktive Bewerbung bestimmter Themenbereiche können Ärztinnen und Ärzte ein individuelles Profil entwickeln. Sie betont außerdem die zunehmende Bedeutung moderner Kommunikationskanäle wie Social Media, um die eigene Expertise sichtbar zu machen.

 

Wissenschaftliche Arbeit: Vereinbarkeit mit der Praxis

 

Für Ärztinnen und Ärzte, die wissenschaftlich tätig bleiben möchten, bietet die kardiologische Praxis prinzipiell Möglichkeiten. „In seltenen Fällen sind Praxen weiterhin in Studien involviert oder arbeiten mit Universitätskliniken zusammen“, erklärt Dr. Schätzl. Zwar sei dies eher unüblich, doch durch flexible Arbeitszeiten könne man grundsätzlich auch unabhängig davon mit Eigenengagement wissenschaftliche Projekte integrieren.

 

Bürokratie: Unterschiedliche Verantwortungsbereiche in der Praxis

 

Ein oft diskutierter Aspekt des Arztberufs ist die zunehmende Bürokratie – ein Problem, das sowohl Klinik- als auch Praxisärzte betrifft. In der Niederlassung hängt das Ausmaß administrativer Aufgaben stark davon ab, ob man sich in Anstellung befindet oder selbstständig tätig ist. „Als angestellte Ärztin in Weiterbildung habe ich aktuell weniger mit Bürokratie zu tun als selbstständige Kolleginnen und Kollegen“, betont Dr. Schätzl. Aufgaben wie Abrechnung, Personalmanagement oder organisatorische Abläufe werden vom Praxismanagement übernommen.

 

Für selbstständige Ärztinnen und Ärzte hingegen nehmen administrative Arbeiten einen größeren Raum ein: neben Abrechnungen müssen auch Personalentscheidungen getroffen sowie gesetzliche Vorgaben eingehalten werden.

 

Bezahlung: Tarifbindung versus Verhandlungsgeschick

 

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Klinik und Praxis liegt in der Vergütung. Während das Gehalt im Krankenhaus tariflich geregelt ist, gibt es im niedergelassenen Bereich eine Verhandlungsbasis. In der Klinik profitieren Ärztinnen und Ärzte zudem von Zuschlägen für Nacht- oder Wochenenddienste. Faktoren, die das Grundgehalt deutlich erhöhen können. In einer Praxis entfallen solche Zuschläge, da keine Wochenend- oder Nachtarbeit anfällt, was bei einem Umstieg in die ambulante Patientenversorgung einen größeren Gehaltsunterschied ausmachen kann und beachtet werden sollte, jedoch auch die positiven Aspekte einer geregelten Arbeitszeit mit sich bringt.

 

Je nach Verhandlung kann somit das Grundgehalt höher oder niedriger ausfallen. „Die Vergütung in einer Praxis hängt unter anderem von wirtschaftlichen Faktoren sowie auch dem eigenen Erfahrungsstand ab“, erklärt Dr. Schätzl. Dies bietet einerseits finanzielle Chancen, erfordert andererseits jedoch auch Verhandlungsgeschick sowie wirtschaftliches und organisatorisches Denken.

 

Der richtige Zeitpunkt für die ambulante Weiterbildung sowie Tipps für den Einstieg in die Praxis

 

Abschließend gibt Dr. Annette Schätzl wertvolle Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte, die eine Karriere in der kardiologischen Praxis anstreben. Sie betont, wie wichtig es ist, zuerst klinische Erfahrungen gezielt zu sammeln, um diese später in der ambulanten Tätigkeit einzubringen.

 

Dr. Schätzl rät jungen Kolleginnen und Kollegen dazu, den richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel in die ambulante Weiterbildung sorgfältig abzuwägen und sich zunächst die eigenen Ziele zu vergegenwärtigen, um vor einem potenziellen Wechsel gemeinsam mit der Praxis zu eruieren, ob und wie diese erreicht und umgesetzt werden können.

 

„Ich würde einen Wechsel in die Praxis eher erst nach einigen Jahren klinischer Erfahrung empfehlen“, betont sie. Besonders wichtig sei es in ihren Augen, vorher in Bereichen wie der Notaufnahme tätig gewesen zu sein: „Man lernt dort, akute Fälle schnell einzuschätzen – eine Fähigkeit, die auch in der Praxis essenziell ist.“ Sie empfiehlt außerdem, grundlegende Kenntnisse in der Echokardiographie bereits vor dem Wechsel zu erlernen, um hier auf eine solide Basis zurückgreifen zu können.

 

„Zum richtigen Zeitpunkt und mit eindeutig definierten Zielen, welche vorher klar besprochen und geplant wurden, sehe ich sehr großes Potenzial bzgl. einer erfolgreichen Weiterbildung im ambulanten Bereich und eine große Bereicherung für beide Seiten“, erklärt Dr. Annette Schätzl.

 

Abschließend ermutigt sie dazu, flexibel zu bleiben und verschiedene Optionen auszuprobieren: „Die Kardiologie bietet so viele spannende Möglichkeiten. Es lohnt sich, unterschiedliche Bereiche kennenzulernen und herauszufinden, was einem am meisten Freude bereitet.“

 

Wenn das eigene Interessensgebiet gefunden wurde, rät Dr. Schätzl hier auch gezielt eine Vertiefung anzustreben und zu planen, um das entsprechende Spezialwissen zu erwerben.

 

Fazit

 

Die kardiologische Niederlassung bietet Ärzt:innen eine spannende Alternative zur Klinik – mit geregelten Arbeitszeiten und vielseitigen Tätigkeitsfeldern. Für Dr. Annette Schätzl stellt dieser Abschnitt eine wertvolle Ergänzung ihrer Karriere dar: „Die ambulante Tätigkeit bietet einen anderen Blick auf den Patientenkreislauf – von Prävention bis Langzeitbetreuung schwer kranker Patient:innen.“ Gleichzeitig betont sie die Bedeutung einer guten Organisation und Planung der eigenen Weiterbildung: „Mit klar definierten Zielen sowie entsprechender vorausschauender Planung kann das Beste aus dem eigenen individuellen Karriereweg herausgeholt werden.“

 

Zur Person

Lukas Müller

Lukas Müller studiert Humanmedizin im 10. Semester an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Als Young DGK Ambassador vertritt er den Standort Mannheim und engagiert sich aktiv im Netzwerk #YoungestDGK. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit kardiovaskulärer Physiologie und molekularer Kardiologie, insbesondere mit den molekularen Mechanismen und potenziellen Therapieansätzen der Herzinsuffizienz.

       

       

Zur Person

Dr. Annette Schätzl

Dr. med. Annette Schätzl ist Ärztin in Weiterbildung für Kardiologie und aktuell in Frankfurt am Main tätig. Zuvor hat sie mehrere Jahre in Regensburg gearbeitet, wo sie auch ihr Studium abschloss. Ihre Interessensschwerpunkte liegen in erster Linie in der kardialen Bildgebung (Kardio-CT und Kardio-MRT) sowie in der Prävention. Dr. Annette Schätzl ist in der Young DGK aktiv und Teil des Young DGK Social Media Teams.

Copyright: Christian Wyrwa

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