Karrierekompass Kardiologie: Wie finde ich die richtige Arbeitsgruppe für meine Forschung?

 

Die Reihe Karrierekompass Kardiologie gibt eine Orientierungshilfe bei der Karriereplanung in der Kardiologie für junge Kardiologinnen und Kardiologen sowie Studierende, die sich für die Kardiologie interessieren. In diesem Interview spricht Lukas Ley mit Dr. Shinwan Kany, M. Sc. über die Suche nach der richtigen Arbeitsgruppe für die eigene Forschung.

 

Von:

Lukas Ley

Berlin

 

Dr. Shinwan Kany, M. Sc.

Hamburg

 

03.11.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Brian A. Jackson / Shutterstock.com

Überlegungen vor der Suche nach der richtigen Arbeitsgruppe

 

Ley: Herzlich willkommen, Shinwan. Im heutigen Interview möchte ich mit dir darüber sprechen, wie man als Medizinstudierende oder Medizinstudierender bzw. als Ärztin oder Arzt in Weiterbildung die richtige Arbeitsgruppe (AG) findet. Klären wir zu Beginn doch erst einmal: Was ist eine AG überhaupt?

Kany:
Hallo, Lukas. Schön, dich kennenzulernen. Das ist ein interessantes Thema. Eine AG ist eine wissenschaftliche Gruppe, die sich einem bestimmten Forschungsthema widmet. Sie dient dazu, in einem synergistischen System verschiedener Forschender Fragestellungen systematisch zu bearbeiten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Im Zentrum steht die Zusammenarbeit verschiedener Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungsstufen.

Ley:
Wer leitet eine AG und aus welchen Mitgliedern besteht eine AG? Welche Aufgaben haben diese Mitglieder?

Kany:
Leiter einer AG ist in der Regel eine habilitierte Ärztin bzw. ein habilitierter Arzt oder ein:e Naturwissenschaftler:in. Häufig werden diese auch „PI“ (Principal Investigator) genannt. Dazu kommen Forschende, die bereits promoviert sind (sogenannte Postdocs), aber auch Doktorand:innen, Studierende und oft auch technische Assistent:innen. Jede:r übernimmt eine spezifische Rolle, von methodischer Unterstützung bis zur eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit.

Ley:
Warum sollte ich mich einer AG anschließen? Welche Vorteile bringt mir eine AG?

Kany:
Eine AG bietet die Chance, wissenschaftliches Arbeiten von Grund auf zu lernen. Man profitiert von Mentoring durch PI und Kolleg:innen sowie der Teamarbeit und einer strukturierten Forschungskultur. Zudem eröffnet sie Kontakte und Möglichkeiten für Publikationen sowie den weiteren Karriereweg. Oft ist auch die gemeinsame Erarbeitung von Fragen sehr bereichernd, sowohl wissenschaftlich als auch persönlich.

Ley:
Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich eine AG zu suchen?

Kany:
Der richtige Zeitpunkt hängt vom individuellen Werdegang und den Interessen ab. Wer früh beginnt, z. B. im Studium, kann längerfristig Erfahrungen sammeln und große Projekte mit aufbauen. In Hamburg gibt es beispielsweise viele Kolleg:innen, die bereits als Studierende in den AGs aktiv waren, in denen sie auch jetzt noch tätig sind. Aber auch später im Studium (z. B. im Praktischen Jahr) oder in der fachärztlichen Weiterbildung ist ein Einstieg sinnvoll, da sich Interessen oft erst mit wachsender klinischer Erfahrung konkretisieren.

Ley:
Welche Fragen sollte ich mir stellen bzw. klären, bevor ich mir eine AG suche?

Kany:
Wichtig ist, die eigenen Ziele zu definieren: Geht es mir um das methodische Erlernen von state-of-the-art-Techniken, Publikationen oder um ein bestimmtes Themengebiet? Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Aspekt. Denn danach richtet sich auch, wonach ich schauen sollte. Generell sollte man prüfen, wie die AG arbeitet, wie das Betreuungsverhältnis ist und ob die Strukturen zu meiner Lebenssituation passen. Oft können die PIs und AG-Mitglieder dies aber richtig einschätzen, daher lohnen sich Gespräche mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen.

Ley:
Wie wichtig ist die Publikationsleistung einer AG, also die Qualität bzw. die Quantität der veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel? Wie kann man dies vor einem ersten Gespräch bereits abschätzen?

Kany:
Wichtig ist, sich vorher zu informieren. Man kann beispielsweise mittels PubMed oder Google Scholar die bisherigen Publikationen einer AG nachschauen. So kann man sich selbst einen Eindruck machen, ob die Quantität dem entspricht, was man sich vorstellt. Viel wichtiger, aber auch schwieriger als Anfänger:in zu beurteilen, ist die Qualität. Hier macht es Sinn mit erfahrenen Kolleg:innen zu sprechen.

Ley:
Sollte man sich generell eher einer AG anschließen und sich in einem Thema spezialisieren oder sich wissenschaftlich breit aufstellen und sogar in mehreren AGs gleichzeitig mitarbeiten?

Kany:
In der Regel sollte man sich auf eine AG konzentrieren. Jede AG arbeitet etwas anders und die Schwerpunkte gestalten sich unterschiedlich. Daher ist es sinnvoll, in einer einzigen AG das wissenschaftliche Arbeiten zu lernen. Durch Kooperationen mit anderen AGs hat man meistens trotzdem noch gute Einblicke in andere Bereiche.

 

Probleme und Fallstricke bei der Suche nach der passenden Arbeitsgruppe

 

Ley: Was sind Anhaltspunkte, dass ich in der richtigen oder auch falschen AG bin?

Kany:
Man merkt recht schnell, ob man sich in einer AG wohlfühlt. Wenn man Unterstützung bekommt, eigene Ideen einbringen kann und das Klima kollegial ist, sind das gute Zeichen. Oft ist es aber auch so, dass die jeweilige Lebenssituation einfach nicht harmoniert, und man besser in eine andere Gruppe passt, die in einem anderen Rahmen arbeitet. Diese AG kann aber für jemand anderen dafür perfekt passen. Offene Kommunikation ist das A und O.

Ley:
Du hast in Frankfurt studiert und danach in Hamburg deine Facharztausbildung begonnen. Wie geht man am besten vor, wenn man den Klinik- oder Universitätsstandort wechselt – z.B. während bzw. nach dem Studium oder innerhalb der Facharztausbildung – und dort ggf. keine zum eigenen Forschungsthema passende AG vorhanden ist?

Kany:
Bei einem Wechsel lohnt es sich, früh Kontakte zu knüpfen und nach Überschneidungen zu suchen. An anderen Standorten kann es AGs geben, die nicht exakt zum eigenen Thema passen, aber thematisch nahestehen. Am Anfang der wissenschaftlichen Laufbahn ist man in der Regel thematisch noch nicht spezialisiert. Daher lassen sich mit Offenheit Brücken bauen, und manchmal entstehen daraus sogar neue Schwerpunkte und Interessen.

Ley:
Nicht alle Kolleginnen und Kollegen arbeiten an einem universitären Haus. Wie geht man am besten vor, wenn man forschungsinteressiert ist, aber an der eigenen Klinik keine Forschung betrieben wird?

Kany:
In diesem Fall sollte man sich nicht entmutigen lassen. Die Chef- bzw. Oberärzt:innen haben oft Kontakte zu Forschungsgruppen oder kooperieren mit diesen. Viele Studien werden auch an nicht-universitären Häusern durchgeführt. Entscheidend ist, aktiv zu werden und Interesse zu zeigen, dann helfen andere gerne. Auch wissenschaftliche Initiativen in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und Young DGK können daher ein guter Schritt sein, wissenschaftliches Arbeiten zu lernen. 

 

Forschung über die eigene Arbeitsgruppe hinaus

 

Ley: Du forscht nicht nur an der eigenen Klinik, sondern hast auch zwei Jahre als „Postdoctoral fellow“ am Broad Institute des MIT und Harvard sowie dem Massachusetts General Hospital verbracht. Was empfiehlst du den Leserinnen und Lesern in Bezug auf die Suche nach der richtigen AG, wenn diese Interesse an Forschung im Ausland haben?

Kany:
Meine Zeit in Boston war sehr bereichernd, sowohl wissenschaftlich als auch persönlich. Forschung im Ausland ist prinzipiell immer möglich. Praktisch konkurriert man jedoch mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt, daher sind Netzwerke besonders wichtig. Wenn in der eigenen Klinik Kontakte im Ausland vorhanden sind, sollte man versuchen, diese zu nutzen. Wenn nicht, gibt es auch hier innerhalb der DGK und Young DGK Netzwerke, die man bemühen kann. Hier ist es wichtig, vorher zu klären, was man lernen möchte und welche Stadt man präferiert – immerhin muss man dort 1-3 Jahre verbringen. Mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Deutschen Herzstiftung gibt es auch die Möglichkeit über Stipendien eine Finanzierung zu erlangen.

Ley:
Auch in der DGK gibt es viele verschiedene AGs: Welche Rolle spielen diese, wie unterscheiden sie sich von den AGs an der eigenen Klinik und wann ist der richtige Zeitpunkt, sich dort zu engagieren?

Kany:
Die AGs der DGK sind Netzwerke, die multiple Funktionen haben. Zum einen sind sie eine Verbindung von Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsame Interessen haben wie bspw. die interventionelle Kardiologie (AGIK) oder die Elektrophysiologie (AGEP). Die Young DGK ist eine Sektion, die nicht ein spezielles wissenschaftliches Thema oder eine Subspezialisierung der Kardiologie bearbeitet, sondern sich bspw. um die Förderung und Organisierung junger Kolleginnen und Kollegen bemüht. Neben der primär wissenschaftlich-klinischen Ausrichtung mit Fortbildungen, Kursen, Kongressen können die AGs innerhalb der DGK auch Aufgaben mit eher berufspolitischen Aspekten erfüllen. Man kann sich jederzeit engagieren – bereits im Medizinstudium besteht dafür die Möglichkeit.

 

Dos und Don’ts bei der Suche nach der richtigen Arbeitsgruppe

 

Ley: Shinwan, könntest du zum Abschluss des Interviews drei Dos und Don’ts formulieren, die du den Leser:innen zur Suche nach einer AG an die Hand geben kannst?

Kany:
Gerne. Vielen Dank für das spannende Gespräch.

Dos:

  1. Eigene Ziele klar formulieren und diese auch am Anfang benennen.
  2. Mit PIs sowie Kolleginnen und Kollegen sprechen, um auszuloten, ob eine AG passen könnte.
  3. Netzwerke sowohl in der Klinik als auch in der DGK bzw. Young DGK nutzen.


Don’ts:

  1. Nicht nur nach Publikationen suchen – man sollte Spaß an der Sache haben.
  2. Nicht in einer Gruppe bleiben, in der man sich unwohl fühlt.
  3. Nicht klar kommunizieren, wenn es Probleme gibt.


Ley:
Vielen Dank für deine Zeit und die wertvollen Einblicke und Tipps.

 


Weiterführende Links:

Hier finden Sie die Arbeitsgruppen und Cluster der DGK: Arbeitsgruppen u. Cluster.

 

Zur Person

Lukas Ley

Lukas Ley arbeitet als Arzt in Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am Deutschen Herzzentrum der Charité am Campus Benjamin Franklin. Im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim (Justus-Liebig-Universität Gießen) hat er sich intensiv mit der pulmonalen Hypertonie beschäftigt. Weiterhin hat er ein besonderes Interesse an der interventionellen Kardiologie und strukturellen Herzerkrankungen, insbesondere Herzklappenerkrankungen.

       

       

Zur Person

Dr. Shinwan Kany

Dr. Shinwan Kany, M. Sc. ist derzeit in der Ausbildung zum Kardiologen am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg (UKE). Dort beschäftigt er sich klinisch und wissenschaftlich mit Herzrhythmusstörungen sowie deren Überschneidungen mit der Herzinsuffizienz. Internationale Forschungsaufenthalte führten ihn zuvor an das Broad Institute of MIT and Harvard/Massachusetts General Hospital in Boston. Sein Medizinstudium absolvierte er an der Universität Frankfurt; zusätzlich erwarb er einen Master in Health Economics and Management an der London School of Economics.

Copyright: Christian Wyrwa

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