Ley: Herzlich willkommen, Shinwan. Im heutigen Interview möchte ich mit dir darüber sprechen, wie man als Medizinstudierende oder Medizinstudierender bzw. als Ärztin oder Arzt in Weiterbildung die richtige Arbeitsgruppe (AG) findet. Klären wir zu Beginn doch erst einmal: Was ist eine AG überhaupt?
 Kany: Hallo, Lukas. Schön, dich kennenzulernen. Das ist ein interessantes Thema. Eine AG ist eine wissenschaftliche Gruppe, die sich einem bestimmten Forschungsthema widmet. Sie dient dazu, in einem synergistischen System verschiedener Forschender Fragestellungen systematisch zu bearbeiten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Im Zentrum steht die Zusammenarbeit verschiedener Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungsstufen.
 Ley: Wer leitet eine AG und aus welchen Mitgliedern besteht eine AG? Welche Aufgaben haben diese Mitglieder?
 Kany: Leiter einer AG ist in der Regel eine habilitierte Ärztin bzw. ein habilitierter Arzt oder ein:e Naturwissenschaftler:in. Häufig werden diese auch „PI“ (Principal Investigator) genannt. Dazu kommen Forschende, die bereits promoviert sind (sogenannte Postdocs), aber auch Doktorand:innen, Studierende und oft auch technische Assistent:innen. Jede:r übernimmt eine spezifische Rolle, von methodischer Unterstützung bis zur eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit.
 Ley: Warum sollte ich mich einer AG anschließen? Welche Vorteile bringt mir eine AG?
 Kany: Eine AG bietet die Chance, wissenschaftliches Arbeiten von Grund auf zu lernen. Man profitiert von Mentoring durch PI und Kolleg:innen sowie der Teamarbeit und einer strukturierten Forschungskultur. Zudem eröffnet sie Kontakte und Möglichkeiten für Publikationen sowie den weiteren Karriereweg. Oft ist auch die gemeinsame Erarbeitung von Fragen sehr bereichernd, sowohl wissenschaftlich als auch persönlich.
 Ley: Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich eine AG zu suchen?
 Kany: Der richtige Zeitpunkt hängt vom individuellen Werdegang und den Interessen ab. Wer früh beginnt, z. B. im Studium, kann längerfristig Erfahrungen sammeln und große Projekte mit aufbauen. In Hamburg gibt es beispielsweise viele Kolleg:innen, die bereits als Studierende in den AGs aktiv waren, in denen sie auch jetzt noch tätig sind. Aber auch später im Studium (z. B. im Praktischen Jahr) oder in der fachärztlichen Weiterbildung ist ein Einstieg sinnvoll, da sich Interessen oft erst mit wachsender klinischer Erfahrung konkretisieren.
 Ley: Welche Fragen sollte ich mir stellen bzw. klären, bevor ich mir eine AG suche?
 Kany: Wichtig ist, die eigenen Ziele zu definieren: Geht es mir um das methodische Erlernen von state-of-the-art-Techniken, Publikationen oder um ein bestimmtes Themengebiet? Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Aspekt. Denn danach richtet sich auch, wonach ich schauen sollte. Generell sollte man prüfen, wie die AG arbeitet, wie das Betreuungsverhältnis ist und ob die Strukturen zu meiner Lebenssituation passen. Oft können die PIs und AG-Mitglieder dies aber richtig einschätzen, daher lohnen sich Gespräche mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen.
 Ley: Wie wichtig ist die Publikationsleistung einer AG, also die Qualität bzw. die Quantität der veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel? Wie kann man dies vor einem ersten Gespräch bereits abschätzen?
 Kany: Wichtig ist, sich vorher zu informieren. Man kann beispielsweise mittels PubMed oder Google Scholar die bisherigen Publikationen einer AG nachschauen. So kann man sich selbst einen Eindruck machen, ob die Quantität dem entspricht, was man sich vorstellt. Viel wichtiger, aber auch schwieriger als Anfänger:in zu beurteilen, ist die Qualität. Hier macht es Sinn mit erfahrenen Kolleg:innen zu sprechen.
 Ley: Sollte man sich generell eher einer AG anschließen und sich in einem Thema spezialisieren oder sich wissenschaftlich breit aufstellen und sogar in mehreren AGs gleichzeitig mitarbeiten?
 Kany: In der Regel sollte man sich auf eine AG konzentrieren. Jede AG arbeitet etwas anders und die Schwerpunkte gestalten sich unterschiedlich. Daher ist es sinnvoll, in einer einzigen AG das wissenschaftliche Arbeiten zu lernen. Durch Kooperationen mit anderen AGs hat man meistens trotzdem noch gute Einblicke in andere Bereiche.