Karrierekompass Kardiologie: Arbeitsplatz Uniklinik – „Klinik, Lehre, Forschung – und ein bisschen Kanada“

Ein Artikel von Luis Eichelmann (Lübeck) und Dr. Tina Stegmann (Leipzig)

 

 

 

 

Die Reihe Karrierekompass Kardiologie gibt eine Orientierungshilfe bei der Karriereplanung in der Kardiologie für junge Kardiolog:innen und kardiologieinteressierte Studierende. Ziel ist es, ein realistisches Bild der Weiterbildung in der Kardiologie zu zeichnen. Für diesen Artikel hat Luis Eichelmann mit Dr. Tina Stegmann über ihren persönlichen Weg in die Kardiologie, ihre Erfahrungen an der Uniklinik und ihren Forschungsaufenthalt in Kanada gesprochen.

 

„Ich habe bewusst die Uni gewählt“

Tina Stegmann stammt aus Jena und begann 2011 ihr Medizinstudium an der Universität Leipzig, das sie in Regelstudienzeit absolvierte. Seit September 2018 ist sie an der Klinik und Poliklinik für Kardiologie der Universitätsklinik Leipzig tätig. Dass sie sich für eine universitäre Weiterbildung entschied, war kein Zufall. „Ich habe mich bewusst für eine Universitätsklinik entschieden, weil ich die Kombination aus Klinik, Wissenschaft und Lehre immer spannend fand. Das war also ein klarer Entschluss.“

 

Ihr Interesse für die Kardiologie wurde früh geweckt – in ihrem allerersten Pflegepraktikum in der Klinik für Herz-und Thorax-Chirurgie am Universitätsklinikum Jena. „Ich durfte damals mit in den OP-Saal – es war eine Bypass-Operation mit Aortenklappenersatz – das schlagende Herz so direkt zu sehen, das hat mich nachhaltig fasziniert.“ Die finale Entscheidung fiel aber erst spät im Studium, konkret im Praktischen Jahr. Zuvor hatte sie sich auch eine chirurgische Laufbahn vorstellen können. Aber das Herz als „kleine Pumpe mit großer Wirkung“ konnte sie dann doch überzeugen und die manuellen Aspekte hat die Kardiologie allemal: „Ich arbeite gern praktisch, die Kardiologie bietet einfach viele Optionen – diagnostisch sowie interventionell.“

       

Vom Sezieren zur klinischen Forschung

Ihre Promotion absolvierte Tina Stegmann in der Anatomie – thematisch weit entfernt von der Kardiologie. „Ich habe mich thematisch mit der Innervation an der Halswirbelsäule des Menschen beschäftigt und Proben von Körperspendern entnommen, viele Paraffinschnitte hergestellt und mikroskopiert. Das war sehr spannend, aber durch die vielen Stunden im Labor wurde mir klar: Grundlagenforschung wird nicht mein Fokus werden.“ Der Wunsch nach Forschung blieb, jedoch mit patientennahem Fokus.

 

Die Gelegenheit kam früh in der Weiterbildungszeit über eine Forschungsrotation innerhalb der eigenen Klinik. „Während dieser Zeit wird einem die Möglichkeit geboten, sich eine Basis für eigene wissenschaftliche Projekte zu schaffen. Ein bisschen Klinik bleibt jedoch auch, da man weiterhin am Dienstsystem, wie z.B. Nacht- und Tagdienste, teilnimmt. Diese Rotation hat mir klar den Einstieg in die klinische Forschung ermöglicht.“

 

Ein Jahr Kanada: Eigeninitiative und Erkenntnisgewinn

Danach folgten 3 Jahre 100% klinische Tätigkeit und die für die Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie notwendigen Rotationen in andere Fachbereiche der Inneren Medizin. Nach der Forschungsrotation 2019 wollte Tina Stegmann das wissenschaftliche Arbeiten weiter vertiefen – und zwar im Ausland. Durch ihren Mentor entstand der Kontakt zum Population Health Research Institute (PHRI) in Hamilton, Kanada. „Ich bin für eine Woche nach Hamilton geflogen und habe mir das Institut vor Ort direkt angeschaut, und dann war schnell klar: Das passt.“

 

Über ein Jahresstipendium der Deutschen Herzstiftung e.V. finanzierte sie sich die eigene Stelle. Der Arbeitsvertrag in Leipzig wurde für die geplanten 12 Monate „eingefroren“, die Forschung fortgeführt. „Ich habe an einem Projekt gearbeitet, bei dem wir zerebrale vaskuläre Läsionsmuster bei Patienten mit Vorhofflimmern vs. Patienten mit Atherosklerose und ohne die klinische Diagnose eines Vorhofflimmerns verglichen haben – eine Sekundäranalyse zweier großer Kohorten. Viel Statistik, viel Zeit am Computer.“

 

Zurück in Leipzig: Spagat zwischen Klinik und Forschung

Zurück in Leipzig, steht sie wieder voll im Klinikalltag. „Oft ist es ein Spagat dazwischen, fokussiert die klinische Ausbildung zu absolvieren, gleichzeitig die wissenschaftlichen Projekte fortzuführen und eine gute Betreuung der Doktorand:innen zu gewährleisten. Dazu kommt das eigene Privatleben mit Familie und den Interessen außerhalb der Klinik und Wissenschaft.“

 

Um dauerhaft klinische und wissenschaftliche Tätigkeit in den regulären Arbeitsalltag zu integrieren, hat sie sich auf ein Clinician-Scientist-Programm beworben. „Diese Programme sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es muss klar sein: Wissenschaft sollte nicht nur eine Freizeitaktivität sein, sondern braucht feste Zeiten im Dienstplan.“

 

Lehre und Nachwuchsförderung als dritte Säule

Neben Klinik und Forschung engagiert sich Tina Stegmann auch in der Lehre. „Ich betreue derzeit drei Doktorandinnen. Und wir als Assistenzärzt:innen sind in viele Lehrformate eingebunden – wie zum Beispiel den Untersuchungskurs oder die Einführung in die klinische Medizin.“ Zusammen mit der klinischen Pharmazie hat sie das Wahlfach „Interprofessionelle Kardiologie“ ins Leben gerufen. Außerdem organisiert sie zusammen mit einer Kollegin aus dem Herzzentrum Leipzig lokale Veranstaltungen im Rahmen des Young(est)DGK-Ambassadorenprogramms. Ein Highlight: eine Veranstaltung mit über 70 Studierenden – „mit so viel Zuspruch hatten wir gar nicht gerechnet. Es hat total Spaß gemacht, sich in einer sehr entspannten Atmosphäre direkt mit den Studierenden auszutauschen und auch zu erfahren, was besondere Interessen und/oder auch Bedürfnisse der aktuell Studierenden sind.“

   

Uni vs. Peripherie – was sind die Unterschiede?

An einem Universitätsklinikum sieht sie klare Vorteile: „Man hat alle Ressourcen vor Ort, den direkten interdisziplinären Austausch, komplexe Diagnostikmöglichkeiten – das ist Luxus.“

Allerdings wird Verantwortung oft später übernommen: „In kleineren Häusern lernt man wahrscheinlich früher, Entscheidungen zu treffen. An der Uni ist man lange gut betreut – vielleicht auch manchmal zu gut.“

 

Struktur und Spezialisierung: Noch Luft nach oben

Was sie sich wünscht: eine frühere gemeinsame Karriereplanung. „Oft verstreicht zu viel Zeit, weil man erst breit ausgebildet wird und sich dann spät spezialisiert. Ich finde, man sollte früh besprechen, wie jemand seinen Weg gehen will – das würde vieles effizienter machen.“

Ihr eigenes Ziel ist klar: Habilitation, eigene kleine Arbeitsgruppe, eigene Daten generieren. „Aber das hat sich entwickelt – das war nicht von Anfang an mein Plan.“

 

Klinische Forschung – kein Luxus, sondern Nutzen für die Klinik

Für Tina Stegmann ist die wissenschaftliche Tätigkeit mehr als ein Add-on. „Ich habe gelernt, klinische Entscheidungen besser zu verstehen – weil ich weiß, wie klinische Studien aufgebaut sind, woher die Empfehlungen aus den Leitlinien stammen. Man liest anders, fragt anders. Das hilft im Alltag.“

Dennoch betont sie: Nicht jede:r muss Forschung betreiben. „Man muss es wollen und es sollte Spaß machen. Gleichzeitig besteht eine Abteilung aus einem Team, der klinische Alltag und die hohe Patientenanzahl muss bewerkstelligt werden. Das funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen und man sich gegenseitig Freiräume schafft.“

 

Fazit: Universitätsmedizin ist kein Selbstläufer

„An der Uniklinik bewerbe ich mich nicht, weil ich einfach einen Job brauche. Sondern weil ich gestalten will.“ Das bedeutet aber auch: Mehrbelastung. „Man hat nur 24 Stunden. Familie, Freunde, Lernen – irgendwann ist bei jedem ein Limit erreicht.“

Die Lösung sieht sie in strukturellen Veränderungen: „Die Idee des Clinician Scientist ist gut – aber wir sind noch nicht da, wo wir sein könnten.“ Trotzdem überwiegt für sie der Nutzen: sehr gute und schnelle interdisziplinäre Zusammenarbeit, hohe diagnostische Ressourcen, Netzwerke, Kongresse, Studierendenarbeit – all das macht die Arbeit an der Uniklinik für sie sehr lohnend.

 

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Autor:innen

Zur Person

Luis Eichelmann

Luis Eichelmann ist Medizinstudent im Praktischen Jahr an der Universität zu Lübeck, aktuell im Tertial am Herzzentrum Leipzig. Er ist Teil des Netzwerks der #YoungestDGK. Wissenschaftlich arbeitet er an der Schnittstelle von Kardiologie und Genetik, insbesondere an funktionellen Genomanalysen koronarer Herzerkrankungen. Beeinflusst durch eigene Erfahrungen verfolgt er das Ziel, als zukünftiger Clinician Scientist klinische Praxis, Forschung und Digitalisierung durch einen translationalen, interdisziplinären und international geprägten Ansatz zu verbinden.

       

Zur Person

Dr. Tina Stegmann

Dr. Tina Stegmann ist Ärztin in Weiterbildung an der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Ihr Schwerpunkt liegt in der klinischen Forschung zu Herz-Hirn-Interaktionen. Nach einem Research Fellowship in Kanada engagiert sie sich in Lehre, Forschung und Nachwuchsförderung.

     

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