Herzinsuffizienz-Leitlinie 2021 – das ist neu, das hat sich geändert

Die neue ESC-Leitlinie zum Management der Herzinsuffizienz ist publiziert. Beim ESC-Kongress berichten die Autoren über die wichtigsten Änderungen. Vor allem bei der Therapie ist man vom bisherigen Vorgehen abgerückt. Neue Konzepte gibt es auch beim Management von Begleiterkrankungen.

Von: Veronika Schlimpert

 

29.08.2021

Jetzt sind sie draußen, die aktualisierten ESC-Leitlinien zur Diagnose und Management der akuten und chronischen Herzinsuffizienz. Was hat sich seit dem letzten Update von 2016 geändert? Einige der beteiligten Leitlinienautoren haben in einer Session beim ESC-Kongress die wichtigsten Neuerungen zusammengefasst.

Vereinfachter Therapiealgorithmus für HFrEF

Einer Reform gleich kommt der neue Therapiealgorithmus für die HFrEF, also für die Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (≤ 40%). Die Leitlinienautoren sind von dem konventionellen Stufenschema abgekehrt, wie vorab von einigen Experten bereits propagiert wurde, und haben sich für eine Vereinfachung des Algorithmus entschieden. Taskforce-Mitglied Prof. Roy Gardner aus Glasgow hat beim Kongress die Kernpunkte zusammengefasst:

 

  • Jeder Patient mit HFrEF sollte einen ACE-Inhibitoren (ACE-I) oder Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), einen Betablocker, einen Mineralkortikoidrezeptorantagonisten (MRA) und einen SGLT2-Inhibitor (Dapagliflozin oder Empagliflozin) erhalten – alle vier Substanzen haben eine Klasse I A-Empfehlung.
  • „Die Behandlung mit diesen vier Schlüsselmedikamenten sollte so schnell und sicher wie möglich begonnen werden“, führte Gardner das neue Therapieprinzip aus.
  • Die über diese Standardtherapie hinausgehende Behandlung sollte auf den jeweiligen Herzinsuffizienz-Phänotyp abgestimmt werden, je nach Ausprägung des Linksschenkelblocks (LBBB), der Ätiologie (ischämisch oder nicht ischämisch), der Herzfrequenz und der Begleiterkrankungen (dazu später mehr).

 

Die Entscheidung, welche der vier aufgeführten Wirkstoffe zuerst verordnet werden soll, wird dem Arzt überlassen. Die Leitlinien von 2021 geben also keine Therapiesequenz mehr vor. Hier habe man die Tür offengelassen, äußerte sich die Leitlinienvorsitzende Prof. Theresa McDonagh aus London dazu, um sicher zu gehen, dass alle vier Behandlungen begonnen werden. 

 

Nicht abgerückt sind die Autoren von der Empfehlung, einen ACE-Inhibitor bei geeigneten Patienten, die symptomatisch unter der Behandlung bleiben, durch einen ARNI zu ersetzen (I B). Eine Firstline-Behandlung mit einem ARNI statt eines ACE-Inhibitors könne aber erwogen werden, heißt es in dem Leitlinien-Dokument.

 

Neu in der Leitlinie ist die Klasse I A-Empfehlung für die SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin. Diese Medikamente sind für alle Patienten mit HFrEF, die bereits mit einem ACE-I/ARNI, Betablocker und MRA behandelt werden, zu empfehlen, wenn sie nicht kontraindiziert oder nicht toleriert werden, unabhängig davon, ob die Patienten an einem Diabetes leiden oder nicht.

Auf Herzinsuffizienz-Phänotyp abgestimmte Behandlung

Die nun folgenden Therapieempfehlungen gelten nur für ausgewählte Patienten mit HFrEF. Liegen beispielsweise Anzeichen oder Beschwerden einer Volumenüberlastung vor, bleiben Schleifendiuretika die Standardtherapie (I C). Geändert hat sich der Stellenwert der Angiotensinrezeptorblocker (ARB). Sie sind aus dem Standardrepertoir verschwunden und werden ab sofort nur dann empfohlen, wenn ACE-I oder ARNI nicht vertragen werden (I B). Die Empfehlungen zum Einsatz von If-Kanalblockern sind unverändert: Ivabradin sollte gegeben werden, wenn die Herzfrequenz im Sinusrhythmus trotz Standardtherapie bei ≥ 70 Schlägen/Minute liegt (IIa B).

 

Erstmals aufgeführt als Therapieoption wird Vericiguat, ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase. Das Medikament kann in Betracht gezogen werden bei Patienten mit NYHA-Klasse II– IV, wenn sich ihr Zustand trotz eines ACE-I (oder ARNI), Betablockers und MRA weiter verschlechtert, um das Risiko für kardiovaskuläre Mortalität und herzinsuffizienzbedingte Klinikeinweisungen zu reduzieren (IIb B).

Geänderte Empfehlungen für Device-Therapie

Kleinere Änderungen gab es bei der ICD-Indikationsstellung. Für HFrEF-Patienten mit einer ischämischen Kardiomyopathie ist alles beim Alten geblieben: Es gelten also dieselben Kriterien für eine prophylaktische Implantation (LVEF ≤ 35% trotz 3-monatiger optimaler Therapie) mit demselben Empfehlungsgrad (I A). Für Patienten mit nicht-ischämischer Ätiologie ist der ICD allerdings von vormals einer Klasse I- auf eine Klasse IIa-Empfehlung herabgestuft worden. Grund hierfür sei die DANISH-Studie, erläuterte Gardner. In der 2016 publizierten Studie hatte eine prophylaktische ICD-Implantation bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz, die durch keine KHK verursacht wurde, das Gesamtsterberisiko nicht signifikant beeinflusst, wohl aber das Risiko für arrhythmiebedingte Todesfälle.

 

Etwas zurückgestellt wurde auch die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT). Ausschlaggebend für die Indikationsstellung ist die LBBB-Morphologie. Eine Klasse I-Empfehlung gilt nur noch für Patienten im Sinusrhythmus und breiter LBBB-Morphologie von ≥ 150 ms. In der Leitlinie von 2016 wurde die CRT noch mit einer Klasse I empfohlen, sobald die QRS-Dauer bei ≥ 130 ms und eine LBBB-Morphologie vorlag; jetzt gilt bei QRS von 130–149 ms und LBBB bzw. oder ≥ 150 ms bei Nicht-LBBB-Morphologie nur noch eine Klasse IIa-Empfehlung.

Neue Empfehlungen für Begleiterkrankungen

HFrEF plus Vorhofflimmern

Einen eigenständigen Behandlungsalgorithmus haben die Leitlinienautoren für Patienten mit HFrEF und Vorhofflimmern konzipiert. „Eine Antikoagulation für die Schlaganfallprävention, eine Behandlung möglicher Trigger und eine Optimierung der Herzinsuffizienz-Therapie werden für alle Patienten empfohlen“, führte Prof. Marianna Adamo, Brescia, die Kernpunkte aus. Für die Antikoagulation sollten präferenziell NOAKs eingesetzt werden (jetzt Klasse I A, vorher Klasse IIa).

 

Bei hämodynamisch instabilen Patienten wird zur Rhythmuskontrolle als erstes eine elektrische Kardioversion empfohlen (I C). Nach Wiederherstellung des Sinusrhythmus solle bei solchen Patienten eine Pulmonalvenenisolation vorgenommen werden, um das Rezidivrisiko zu senken (jetzt IIa, vorher IIb), wie Adamo berichtete, alternativ könne Amiodaron eingesetzt werden (IIb).

 

Bei hämodynamisch stabilen Patienten sollten zur Frequenzkontrolle Betablocker, Digoxin/Digitoxin oder Amiodaron verwendet werden (alles IIa). Wenn sich darunter die Beschwerden nicht verbessern, ist auch dann an erster Stelle eine Pulmonalvenenablation zu empfehlen (IIa). Potenzielle Alternativen sind Amiodaron oder eine elektrische Kardioversion (IIb).

HFrEF und chronisches Koronarsyndrom (CCS)

Für Patienten mit Herzinsuffizienz und einem CCS sollte eine Myokardrevaskularisation zur Linderung persistierender Angina-Beschwerden trotz optimaler Pharmakotherapie erwogen werden, hierfür gilt statt vormals einer Klasse I- eine Klasse IIa-Empfehlung. Nach sorgfältiger Nutzen/Risiko-Abwägung kann ein solcher Eingriff auch zur Prognoseverbesserung infrage kommen (IIb C). Die Therapie der Wahl ist dann eine Bypass-Op, vor allem für Patienten mit Diabetes und Mehrgefäß-KHK, wenn sie für eine Op geeignet sind (IIa B). Anderenfalls kann sich im Herzteam nach gewissen Abwägungen (Koronaranatomie, OP-Risiko, Begleiterkrankungen) für eine perkutane Koronarintervention (PCI) entschieden werden (IIb C).

HFrEF und Klappenerkrankungen

Die größten Änderungen im Management von HFrEF-Patienten mit Klappenerkrankungen hat es Adamo zufolge bei der sekundären Mitralinsuffizienz gegeben. Für diese Konstellation wurde ebenfalls ein neuer Algorithmus konzipiert. Ein Kernpunkt des Schemas ist das Heartteam, das alle Entscheidungen treffen sollte (Klasse I). Wichtig ist zudem – ehe überhaupt über eine Klappenintervention nachgedacht wird – folgende zwei Schritte abzuhaken:

 

  • koronare Revaskularisation, wenn erforderlich, und
  • optimale Pharmakotherapie, inklusive einer CRT, falls indiziert.

 

Erst im Anschluss sollte der Patient im Falle von weiter persistierenden Herzinsuffizienz-Beschwerden und signifikanter Klappenregurgitation erneut im Herzteam beurteilt werden. Für Patienten mit niedrigem Operations-Risiko sollte über eine chirurgische Intervention nachgedacht werden (IIb). In allen anderen Fällen sind die COAPT-Kriterien abzuklären: LVEF >20%, linksventrikulärer endsystolischer Diameter (LVESD) < 70 mm, systolischer pulmonal arterieller Druck < 70 mmHg, keine moderate bis schwere rechtsventrikuläre Dysfunktion oder Trikuspidalinsuffizienz, keine hämodynamische Instabilität. Nur wenn diese Kriterien alle zutreffen, sollte eine perkutane Edge-to-Edge-Klappenreparatur vorgenommen werden, um die Prognose der Patienten zu verbessern (IIa B). Falls nicht zutreffend, kann über einen solchen Eingriff zumindest als Option zur Verbesserung der Symptome oder als Überbrückungslösung nachgedacht werden (IIb C).

Eisenmangel & weitere Begleiterkrankungen

Erstmalig empfehlen die Leitlinien für Herzinsuffizienzpatienten regelmäßige Kontrollen auf das Vorliegen eines potenziellen Eisenmangels und einer Anämie (Klasse I C-Empfehlung). Geändert haben sich zudem die therapeutischen Konsequenzen, wenn ein Defizit (Serumferritin < 100 ng/ml oder Serumferritin 100 – 299 ng/ml mit Transferrinsättigung < 20%) festgestellt wird: Ab sofort wird eine i.v. Eisencarboxymaltose-Gabe für symptomatische Patienten (LVEF < 50%) mit erst kürzlich zurückliegender herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung empfohlen, um das Risiko für weitere Hospitalisierungen zu senken (IIa B). Also nicht nur – wie in der Leitlinie von 2016 – allein zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Lebensqualität (IIa A). Ausschlaggebend für diese Neuerung waren, wie Adamo berichtete, die im letzten Jahr beim AHA vorgestellten Ergebnisse der AFFIRM-AHF-Studie.

 

Die Leitlinienautoren haben sich darüber hinaus zu einer Vielzahl weiterer potenzieller Begleiterkrankungen Gedanken gemacht und neue Empfehlungen bzw. Behandlungsalgorithmen entwickelt (Krebspatienten mit Herzinsuffizienz, schwangere Frauen mit Herzinsuffizienz, Herzinsuffizienz & akute Myokarditis, kardiale Amyloidose).

 

Ein Highlight ist hier sicherlich, dass es jetzt für Patienten mit einer ATTR-Kardiomyopathie (sowohl für die hereditäre Variante als auch für die Wildtyp-Form) erstmals eine von den Leitlinien empfohlene medikamentöse Behandlung gibt: Tafamides wird für betroffene Patienten mit NYHA I oder II mit einer Klasse I B empfohlen.

Empfehlungen für HFpEF und HFmrEF

An der Kategorisierung einer Herzinsuffizienz hat sich nichts Wesentliches geändert, sprich diese basiert weiterhin auf der LVEF: Bei ≤ 40% liegt eine HFrEF vor, zwischen 41 bis 49% eine HFmrEF und bei ≥ 50% eine HFpEF.

 

Neu ist allerdings, dass die Abkürzung HFmrEF nicht mehr für „heart failure with mid-range ejektion fraction“ steht, sondern für „heart failure with mildly reduced ejection fraction“. Grund für diese Änderung sei die zunehmende Evidenz, dass Patienten mit HFmrEF in ähnlichem Ausmaße von HFrEF-Behandlungen zu profitieren scheinen wie die HFrEF-Patienten selbst, erörterte das Taskforce-Mitglied Prof. Carolyn Lam, Singapur. Das spiegelt sich auch in den Therapieempfehlungen für diese Patienten wider. Diese unterscheiden sich kaum von denen für die HFrEF, mit der Ausnahme, dass SGLT2-Inhibitoren gar nicht und alle anderen Wirkstoffe abseits der Diuretika nur mit einer Klasse IIb C-Empfehlung aufgeführt sind.

 

Eine Diskussion hat es unter den Leitlinienautoren offenbar auch um die Bezeichnung „HFpEF“ gegeben. Einige Taskforce-Mitglieder schlugen vor, bei einer Herzinsuffizienz mit höherer LVEF nicht mehr von „erhaltener“, sondern von „normaler“ LVEF zu sprechen. Am Ende sei man bei der bisherigen Nomenklatur geblieben, berichtete Lam über diese Debatte.

 

Eine Änderung haben die Autoren aber im Diagnose-Algorithmus der HFpEF vorgenommen. Der sei nicht neu konzipiert, sondern lediglich vereinfacht und pragmatischer geworden, so Lam. Die drei wesentlichen Kriterien sind:

 

  1. Symptome und Anzeichen einer Herzinsuffizienz,
  2. LVEF ≥ 50%,
  3. objektive Evidenz für strukturelle und/oder funktionelle kardiale Auffälligkeiten, übereinstimmend mit einer linksventrikulären diastolischen Dysfunktion und erhöhten LV-Füllungsdruck, einschließlich erhöhter natriuetischer Peptide.

 

Was die Behandlung der HFpEF betrifft, ist die Leitlinie momentan noch auf demselben Stand wie vor fünf Jahren: Es wird mangels Evidenz kein Medikament zur Prognoseverbesserung empfohlen. Doch das kann sich noch ändern. „Die Behandlungsoptionen werden nochmal neu bewertet, wenn die Leitlinie veröffentlicht ist“, machte Lam aufmerksam. Wie die Kardiologin ausführte, werden noch die Ergebnisse laufender HFpEF-Studien abgewartet. Sicherlich eine Rolle spielen werden dabei die Ergebnisse der EMPEROR-Preserved-Studie an, die kurz nach Veröffentlichung der Leitlinie beim ESC-Kongress vorgestellt wurden. Diese zeigen, dass Empagliflozin bei HFpEF-Patienten das Risiko für herzinsuffizienzbedingte Krankenhauseinweisungen wirksam senken kann.

Neue Definition für fortgeschrittene und akute Herzinsuffizienz

Was heißt überhaupt fortgeschrittene Herzinsuffizienz? In den vergangenen Leitlinien wurde dieser Zustand durch gewisse Begrifflichkeiten ausgedrückt („end stage/refractory/terminal/advanced“). In der neuen Leitlinie wurden jetzt explizite Kriterien festgelegt. Demnach liegt eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz vor, wenn folgende vier Faktoren trotz medikamentöser Behandlung zutreffen:

 

  1. schwere und persistierende Symptome einer Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV),
  2. schwere kardiale Dysfunktion, definiert durch mind. eine der folgenden Punkte:
    - LVEF ≤ 30%,
    - isoliertes Rechtsherzversagen (z.B. arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie),
    - nicht operable schwere Klappenerkrankungen,
    - angeborene Störungen,
    - persistierend hohe (oder steigende) BNP- oder NT-proBNP-Werte und schwere diastolische LV-Dysfunktion oder strukturelle LV-Störungen (gemäß der HFpEF-Definition),
  3. Episoden von pulmonaler oder systemischer Stauung, die i.v. Hochdosis-Diuretika erfordern, oder Episoden mit niedrigem Output, die Inotropika oder vasoaktive Substanzen erfordern, oder maligne Arrhythmien, aufgrund derer mind. ein ungeplanter Arztbesuch oder eine Klinikeinweisung innerhalb der letzten 12 Monaten vonnöten war. 
  4. Schwere Beeinträchtigung der Belastungskapazität, für die eine kardiale Ursache verantwortlich gemacht wird: Der Patient ist unfähig zu trainieren oder schafft keine 300 Meter mehr im 6-Minuten-Gehtest oder weist eine pVO2 von <12 mL/kg/min oder <50% des geschätzten Wertes auf.

 

Für das Management solcher Patienten haben die Leitlinienautoren einen neuen Algorithmus konzipiert. An Stellenwert gewonnen haben dabei mechanische Kreislaufunterstützungssysteme. Neu ist die Empfehlung, solche Systeme für die Langzeittherapie nur dann einzusetzen, wenn die Patienten unter psychosozialen und physischen Aspekten (Device-Handling, Compliance) geeignet sind (I C). Aufgewertet wurde zudem die Empfehlungsstärke für den Einsatz linksventrikulärer Assist-Devices (LVAD) als Überbrückungslösung bis zu einer Herztransplantation sowie als Dauerlösung für Patienten, die weder transplantiert noch operiert werden können, von vormals IIa C bzw. B auf IIa B bzw. A.

 

Ganz neu ist die Empfehlung, als letzte Option eine Herztransplantation vorzunehmen, wenn kein Medikament und keine Device-Therapie Wirkung gezeigt haben und keine absoluten Kontraindikationen vorliegen (I C).

Akute Herzinsuffizienz

Ein „Feintuning“ haben die Leitlinienautoren auch bei der Definition der akuten Herzinsuffizienz vorgenommen. In früheren Leitlinien wurde diese durch ein schnelles Einsetzen von Herzinsuffizienz-Symptomen, die eine dringliche Behandlung und Klinikeinweisung erfordern, beschrieben. Geändert hat sich jetzt, dass man nicht nur bei schnell eintretenden („rapid“), sondern auch bei graduell einsetzenden Beschwerden („gradual onset“) von einer akuten Herzinsuffizienz spricht, wenn die Symptome so schwer sind, dass sie eine ungeplante Klinikeinweisung oder einen Besuch in der Notaufnahme zur Folge haben. Als Konsequenz benötigen die betroffenen Patienten definitionsgemäß entweder eine neu begonnene Behandlung oder eine Therapieintensivierung, inklusiver i.v.-Therapien oder Prozeduren.

 

Wie Leitlinienautor Prof. Ovidiu Chioncel beim Kongress ausführte, wird die akute Herzinsuffizienz darüber hinaus anhand ihrer klinischen Präsentation weiter klassifiziert, in:

 

  • akut dekompensierte Herzinsuffizienz, 
  • akutes Lungenödem, 
  • isoliertes rechtsventrikuläres Versagen und 
  • kardiogener Schock.

 

Wobei es zwischen diesen Typen einige Überlappungen gebe, bemerkte Chioncel. Trotzdem hält der Kardiologe diese Subklassifizierung für sinnvoll, weil sie die frühe Entscheidungsfindung bzgl. der Triage und Erstbehandlung erleichtere. Entsprechend schlägt die Leitlinie für jede der vier Profile einen eigenen Therapiealgorithmus vor.

 

Generell geändert hat sich die Evidenzklasse für den Einsatz von Vasodilatatoren, die von IIa B auf IIb B abgewertet wurden. Grund dafür seien die beiden Studien GALACTIC und ELISABETH, in denen eine anhaltende Vasodilation keinen Nutzen gezeigt habe, erläuterte Chioncel. Epinephrin ist aus der Liste der Vasopressoren gänzlich verschwunden, da es in einer Studie darunter vermehrt zu refraktären Schocks gekommen ist. Von dem routinemäßigen Einsatz von Opiaten wird in der neuen Leitlinie ab sofort abgeraten (III C).

 

Eine minimale Anpassung hat es auch bei Definition des kardiogenen Shocks gegeben. Das Kriterium, dass ein niedriger Blutdruck vorliegen müsse, sei nun nicht mehr Teil der Definition, erläuterte Chioncel. Da man davon ausgehe, dass der Zustand einer Hypoperfusion auch bei erhaltenem Blutdruck möglich sei.

 

Die gesamte Leitlinie können Sie unter diesem Link abrufen.


Literatur

2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure, ESC Congress 2021 – The Digital Experience; 27. bis 30. August 2021

 

McDonagh TA et al., ESC Scientific Document Group, 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC, Eur Heart J 2021;, ehab368, DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab368

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