Herzschrittmacher: Höhere Grundfrequenz könnte in gewissen Fällen vorteilhaft sein

Standardmäßig wird in der Schrittmachertherapie eine Grundfrequenz von 60 Schlägen/Minute eingestellt. In einer randomisierten Studie hat sich nun eine individuell zugeschnittene, höhere Grundfrequenz bei ausgewählten Patienten vorteilhaft ausgewirkt. Vorsicht ist trotzdem angebracht.

Von Veronika Schlimpert

 

03.02.2023

Ausgewählte, schrittmacherpflichtige Patientinnen und Patienten mit einer Herzinsuffizienz vom HFpEF-Typ könnten von einer individuell zugeschnittenen höheren Grundfrequenz bei der Schrittmachereinstellung profitieren. Zu diesem Schluss kommen Kardiologinnen und Kardiologen um Dr. Margaret Infeld, University of Vermont in Burlington, nach Auswertung der von ihnen durchgeführten randomisierten, verblindeten myPACE-Studie.

 

„In dieser Studie war eine Behandlung mit einer moderat beschleunigten, personalisierten Schrittmacherfrequenz bei Patienten mit HFpEF und einem implantierten Schrittmacher sicher und verbesserte Lebensqualität, NT-proBNP-Level, körperliche Aktivität und Vorhofflimmern im Vergleich zum gewöhnliche 60 Schläge-Setting“, berichten sie von ihren Ergebnissen.

Üblicherweise wird die Grundfrequenz auf 60 eingestellt

Üblicherweise wird die Grundfrequenz bei einer Schrittmachertherapie auf 60 Schläge/Minute eingestellt. Bei Erwachsenen liege der Ruhepuls im Schnitt aber zwischen 71 und 79 Schlägen pro Minute, stellen Infeld und ihr Team in der Publikation im JAMA Cardiology fest. Trotzdem wird sich oft für eine niedrigere Grundfrequenz entschieden, um das Auftreten einer asynchronen Stimulation des rechten Ventrikels zu vermeiden. Denn bekanntlich besteht sonst die Gefahr, dass sich eine schrittmacherinduzierte Kardiomyopathie entwickelt.

HFpEF-Patienten mit Schrittmacher-Indikation könnte Ausnahme darstellen

Dieses Risiko ist selbstverständlich auch Infeld und ihrem Team bekannt. Trotzdem könnten die US-Kardiologen sich vorstellen, dass für gewisse Patienten eine Ausnahme gelten könnte, diese also von einer höheren Grundfrequenz profitieren könnten: nämlich Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF), bei denen eine Schrittmachertherapie indiziert ist. Zum einen sei das „lower heart rate is better”-Paradigma bei Patienten mit einer erhaltenen EF mit oder ohne Herzinsuffizienz nie bestätigt worden, geben die US-Kardiologen zu bedenken. So hat sich eine frequenzsenkende Behandlung in Studien wie SHIFT bei Patienten mit erhaltener EF neutral oder sogar nachteilig ausgewirkt.

 

Zum anderen gibt es Hinweise, dass eine leicht beschleunigte Herzfrequenz in dieser Patientenpopulation hämodynamische Vorteile mit sich bringen und zu einem kardialen Remodeling führen könnte. „Ein andauerndes beschleunigtes Pacing könnte das linke Ventrikelvolumen, das Masse-Volumen-Verhältnis und die Dehnbarkeit des linken Ventrikels über die Zeit wiederherstellen und dadurch das Schlagvolumen verbessern“, berichten die Autoren über die Ergebnisse aus Tiermodellen.

Patienten wurden sorgfältig ausgewählt

Ob und wie sich die angeblichen Vorteile einer erhöhten Grundfrequenz beim Menschen auswirken, sollte nun die myPACE-Studie zeigen. Dafür haben Infeld und ihr Team 1.523 Patientinnen und Patienten, die an der Universitätsklinik von Vermont wegen ihres implantierten Schrittmachers vorstellig wurden, nach ihrer Eignung gescreent. Gerade mal 107 Personen wählten sie für die Studie aus. Eingeschlossen wurden ausschließlich Patienten in einem HFpEF-Stadium B und C (nach ACC/AHA) und einer EF > 50%, die eine bestehende Indikation für eine Schrittmachertherapie hatten (> 50% wegen eines Sick-Sinus-Syndroms, der überwiegende Rest hatte einen AV-Block). Voraussetzung waren Schrittmachersysteme mit einem überwiegend atrialen Pacing, einer Leitungssystem-Stimulation oder einem biventrikulären Pacing. Die bisherige Einstellung für die Grundfrequenz musste bei 60 Schlägen/Minute liegen. Eine stimulierte QRS-Dauer von ≥ 150 ms war ein Ausschlusskriterium.

 

Die 107 ausgewählten Probanden wurden daraufhin randomisiert. Bei der einen Hälfte wurde die Grundfrequenz individuell angepasst nach dem sog. myPACE-Algorithmus. Dieser richtet sich nach der durchschnittlichen Ruhefrequenz gesunder Erwachsener und berücksichtigt die Körpergröße und die Ejektionsfraktion des Patienten (personalisierte Herzfrequenz = Körpergröße [cm] x -0,37) + 135) x √√(Ejektionsfraktion [%]/50). Bei den anderen Patienten wurde die bisherige Einstellung bei 60 Schlägen/Minute belassen.  

Lebensqualität und Aktivitätslevel besserten sich signifikant

Wenig überraschend war die vom Schrittmacher detektierte Herzfrequenz in der Gruppe mit personalisierter Grundfrequenz mit durchschnittlich 75 Schlägen/Minute (75–80) höher als in der Gruppe mit der Standardeinstellung, bei der eine Herzfrequenz von durchschnittlich 65 Schlägen/Minute (63–68) gemessen wurde.

 

Die höhere Grundfrequenz bewirkte bei den Patienten eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität, gemessen am MLHFQ-Score (von 26 Punkten zu Baseline, auf 15 nach 1 Monate auf 9 nach 1 Jahr; p ˂ 0,001). Im Gegensatz dazu verschlechtere sich die Lebensqualität in der Standardgruppe während dieser Zeit signifikant (entsprechend 19, 23 und 27 Punkte, p=0,03).

 

Positiv wirkte sich die beschleunigte Grundfrequenz darüber hinaus auf die NT-proBNP-Werte (–109 pg/dl vs. + 129 pg/dl in der Standardgruppe; p=0,02), auf die Aktivitätslevel der Teilnehmenden (+ 47 Minuten/Tag vs. – 22 Minuten/Tag; p ˂ 0,001) und die vom Gerät detektierten Vorhofflimmern-Episoden (27%ige Reduktion im Vergleich zur usual care; p=0,04) aus.

 

Unerwünschte Ereignisse gab es in dem Jahr insgesamt wenige: Vier Patienten in der myPACE-Gruppe und elf Patienten in der Kontrollgruppe waren davon betroffen.

 

„In der Studie wurde gezeigt, dass eine zugeschnittene Schrittmachergrundfrequenz, die sich der individuellen Ruheherzfrequenz annähert, das Outcome verbessert“, folgern Infeld und Kollegen aus diesen Ergebnissen. Ihrer Ansicht nach könnte die Herzfrequenzmodulation, die auf einen Erhalt oder eine Optimierung der physiologischen Erregungsleitung abzielt, deshalb ein Therapieziel für HFpEF-Patienten darstellen.

Aber: Ergebnisse lassen sich nicht auf andere Patienten übertragen

Vorsicht ist aber trotz der positiven Studienergebnisse angebracht. Denn die Patienten wurden für die Studie sorgfältig ausgewählt (nur 107 von 1.523 gescreenten). Um das Risiko für die Entwicklung einer schrittmacherinduzierten Kardiomyopathie zu minimieren, wurden ausschließlich Patienten mit Schrittmachersystemen berücksichtigt, die eine physiologische Stimulation der Ventrikel gewährleisten. „Es ist deshalb wichtig, dass die myPACE-Ergebnisse nicht auf Patienten mit einer höheren Last an asynchronen rechtsventrikulären Pacing extrapoliert werden“, betonen die US-Kardiologen.


Literatur

Infeld M et al. Effect of Personalized Accelerated Pacing on Quality of Life, Physical Activity, and Atrial Fibrillation in Patients With Preclinical and Overt Heart Failure With Preserved Ejection Fraction ThemyPACE Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. 2023;  doi:10.1001/jamacardio.2022.5320

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